Einmal mehr hat Russland eine Stadt in der Ukraine mit Marschflugkörpern und Raketen angegriffen. Am Wochenende wurden in der Grenzstadt Sumy mindestens 34 Zivilisten getötet, darunter zwei Kinder. Dass dieser Angriff am Palmsonntag erfolgte, einem christlichen Feiertag, beweist einmal mehr die Perversion des russischen Überfalls, geben doch Wladimir Putin & Co. vor, mit ihrem Vorgehen das christliche Abendland retten zu wollen.
Hinter einem Völkermord stecken nicht nur skrupellose Militärs, es braucht auch Intellektuelle, die das teuflische Vorgehen rechtfertigen. In Moskau spielt Alexander Dugin diese Rolle. Der 63-jährige Wirrkopf wird daher öfters auch als «Putins Rasputin» bezeichnet.
Immer und immer wieder hat Dugin die vollständige Eroberung der Ukraine gefordert. «Tötet, tötet und tötet», erklärte er einst in einem Interview mit einem russischen Online-Newsportal. «Wir sollten nicht mehr weiter diskutieren.»
Westliche Liberale und Regierungsstellen in Kiew sind sich einig, dass Dugin massgeblich zum Völkermord beigetragen hat. Putins berühmtes Essay vom Sommer 2021, in dem er der Ukraine das Recht auf Eigenstaatlichkeit abgesprochen hat, soll weitgehend von seinem Rasputin inspiriert worden sein. Das «Wall Street Journal» zitiert daher den Russland-Experten Andreas Umland vom Stockholm Centre for Eastern European Studies wie folgt: «Dugin ist schlicht ein russischer Faschist. Er ist wirklich extrem, ja ich würde ihn als toxisch bezeichnen.»
Längst ist Dugin kein Unbekannter mehr. Seine reaktionären, christlich-nationalistischen Überzeugungen hat er in mehreren Büchern dargelegt. James Verini fasst diese Überzeugungen im «New Yorker» wie folgt zusammen: «Es ist gegen die Demokratie, Säkularismus, Individualismus, Zivilgesellschaft, Menschenrechte, sexuelle Offenheit, Technologie, wissenschaftlichen Rationalismus und Vernunft im Allgemeinen, die er zugunsten eines mystischen Denkens über Bord wirft.»
Das bekannteste Buch Dugins trägt den Titel «Grundlagen der Geopolitik». Darin legt er seine Grossmacht-Fantasien offen dar. «Das russische Volk gehört zu den messianischen Völkern», schreibt er. «Und wie alle messianischen Völker hat es eine universale Bedeutung für die Menschheit.»
In der ehemaligen Sowjetunion war die messianische Mission der Russen der Kommunismus, bei Dugin ist es der Faschismus. Mit den führenden Vordenkern dieser Irrlehre kennt er sich bestens aus. Oswald Spengler, Carl Schmitt, Martin Heidegger, René Guénon und Julius Evola, er hat sie alle gelesen, und zwar im Original. Dugin gilt als Sprach-Genie.
Anders als die meisten der traditionellen Vordenker des Faschismus mischt Dugin seine Version mit dem Christentum. Dabei geht er so weit, dass er Russland als das letzte christliche Land und Moskau als das dritte Rom bezeichnet.
Seit August 2022 hat Dugin auch ein persönliches Motiv für den Hass auf die Ukraine. Damals fiel seine Tochter Daria Dugina einem Anschlag, der wahrscheinlich ihm gegolten hätte, zum Opfer. Ziemlich sicher war der ukrainische Geheimdienst die treibende Kraft hinter diesem Anschlag. Wie ihr Vater war auch die Tochter eine fanatische Befürworterin des Angriffs auf die Ukraine.
Dugin als einen von vielen Spinnern abzutun, wäre ein sträflicher Irrtum. Sein Hauptwerk war in Russland eine Sensation. Der «New Yorker» zitiert den Historiker John Dunlop wie folgt: «In der post-kommunistischen Periode gibt es kein in Russland publiziertes Buch, das grösseren Einfluss auf die russischen Militärs und die politische Elite hatte. Wenn die darin geäusserten Ideen in die Tat umgesetzt werden, gibt es keine Ukraine mehr.»
Dugin vernebelt nicht nur das Denken der Russen, neuerdings haben ihn auch die führenden Ideologen der MAGA-Meute entdeckt. Tucker Carlson, Glenn Greenwald und Alex Jones, sie alle haben Dugin lange Interviews gewährt und ihn danach überschwänglich gelobt.
Dieses Lob gibt Dugin gerne zurück. Sein jüngstes Buch trägt den Titel «Die Trump-Revolution». Darin bezeichnet er Trumps Auflösung von USAID als einen gelungenen «Raketenangriff auf das Hauptquartier des Globalismus».
Die Gefahr eines neuen Faschismus im Kleid eines christlichen Nationalismus löst endlich auch eine Gegenreaktion aus. Der Angriff auf Sumy beispielsweise hat dazu geführt, dass Friedrich Merz, der voraussichtlich nächste deutsche Bundeskanzler, sich bereit erklärt, der Ukraine den Taurus zu liefern. Olaf Scholz hat sich bekanntlich stets geweigert, diesen hocheffizienten Marschflugkörper freizugeben.
Merz lässt diese Skrupel nun offenbar fallen. Auf dem TV-Sender ARD erklärte er gestern: «Unsere europäischen Partner liefern bereits Marschflugkörper. Die Briten tun es, die Franzosen tun es, und die Amerikaner tun es sowieso.»
Ich hoffe, es wird irgendwann solche Prozesse für Putin, Dugin und Konsorten geben.
Und Kyrill mitdazu.