International
Brasilien

Gang-Attacken in Brasilien: Wer dahinter steckt und was der Auslöser ist

Video: watson/Lucas Zollinger

Gang-Attacken in Brasilien – wer dahinter steckt und was der Auslöser ist

Brennende Polizeistationen, die Nationalgarde auf der Strasse. Im Nordosten Brasiliens ist derzeit sprichwörtlich die Hölle los. Nicht ohne Grund.
17.03.2023, 14:1120.03.2023, 02:51
Adrian Eng
Folge mir
Mehr «International»

Was ist passiert?

Seit dem 14. März sind in rund 20 Städten im Nordosten Brasiliens gewalttätige Angriffe auf öffentliche Gebäude und Transportmittel gemeldet worden.

epa10522713 A man walks past a burning truck, in Parnamirim, in the state of Rio Grande do Norte, Brazil, 14 March 2023. At least 14 cities in the state of Rio Grande do Norte, in northeastern Brazil, ...
In Parnamirim haben die Gangs unter anderem diesen Lastwagen in Brand gesetzt (Aufnahme vom 14. März).Bild: keystone

Betroffen waren zwei Posten der Militärpolizei, ein Rathaus, eine Bank und ein Justizgebäude. Zudem wurden zahlreiche Busse und Pkw in Brand gesteckt. 3 Nächte hintereinander heulten in diversen Orten die Sirenen.

Wer steckt hinter den Attacken?

Laut den Behörden eine Bande namens «Sindicato do Crime» (übersetzt Verbrechensgewerkschaft). Sie arbeitet offenbar mit der einst verfeindeten Gruppe «Primeiro Comando da Capital» (PCC) zusammen. Die PCC ist die wohl grösste kriminelle Organisation Brasiliens und kontrolliert den Drogenhandel im Land grösstenteils.

Laut den Behörden in Rio Grande do Norte kam der Befehl für die Angriffe auf die öffentlichen Einrichtungen aus einem Gefängniss in Alcaçuz. Der Capo des «Sindicato do Crime», José Kemps Pereira de Araújo, habe die Order für die verheerenden Attacken erteilt. Mittlerweile wurde er in ein anderes Gefängnis verlegt, teilen die Behörden mit.

José Kemps Pereira de Araújo
José Kemps Pereira de Araújobild: pd

Einer der Rädelsführer wurde in der Zwischenzeit von der Polizei getötet. Es handelt sich um José Wilson da Silva Filho. Ein bekanntes Mitglied der Bande, welches seit geraumer Zeit auf der Flucht ist. Er war aus einem Gefängnis entflohen. Ein anonymer Hinweis führte die Polizei zu seinem Standort. Beim darauffolgenden Schusswechsel wurde da Silva getötet.

José Wilson da Silva Filho
José Wilson da Silva Filhobild:pd

Was war der Auslöser für die Gewaltakte?

Die Eskalation der Gewalt folgte laut dem Innenminister des Bundesstaates auf unerfüllte Forderungen von Gefängnis-Insassen des Bundesstaates.

Sie verlangten unter anderem Fernsehapparate und das Erlauben intimer Besuche. «Das sind Dinge, die die Behörden nicht erfüllen können, weil es gegen das Strafvollzugsgesetz ist», sagte der Minister gegenüber terra.com.br.

Brasiliens Gefängnisse sind der Ursprung vieler Banden und krimineller Organisationen. Die Banden nähren sich aus den Peripherien der grossen Städte, wo die Arbeitslosigkeit hoch und der Einfluss der Behörden gering ist. Viele junge Menschen geraten auf die schiefe Bahn und somit in die Fänge der Gangs.

Historisch haben sich die Gefangenen im Kampf gegen die Gefängnisleitung zusammengeschlossen und so für mehr Rechte gekämpft. Nicht selten mit Gewalt – auch ausserhalb der Gefängnismauern. So auch in diesem Fall.

Zuletzt waren die Regionen 2017 in den Fokus von heftiger Banden-Gewalt geraten, als sich rivalisierende Gangs in den Gefängnissen bekämpften.

Video: watson/Lucas Zollinger

Was tun die Behörden?

Am Freitag haben die Sicherheitskräfte dann zum grossen Schlag gegen die Bande ausgeholt, wie das Nachrichtenportal G1 schreibt. 30 Mitglieder wurden bei einer kombinierten Aktion von Regional- und Bundesbehörden verhaftet. Weitere 24 Flüchtige sind identifiziert.

Gegen die Bande wird auch im Zusammenhang mit Drogenhandel, Überfällen und Morden ermittelt. Sie sollen auch am Tod eines Polizisten und dessen Frau schuld sein.

Bereits im Verlauf der Woche wurde die Nationalgarde in das betroffene Gebiet geschickt, um die öffentliche Ordnung wieder herzustellen.

Wie sieht die Lage vor Ort aus?

Ob sich die Lage nun beruhigt, bleibt abzuwarten. Noch ist das Bild der Zerstörung in den betroffenen Regionen verheerend.

A bus is left charred amid three nights of rioting in Natal, Rio Grande do Norte state, Brazil, Tuesday, March 14, 2023. Rio Grande do Norte?s public security secretary, Francisco Ara�jo, said that th ...
Ein ausgebrannter Bus in Natal.Bild: keystone

Die Nationalgarde versucht, die Sicherheit herzustellen. Hunderte sind bereits vor Ort. Und laut den Behörden könnte noch Hunderte mehr folgen, falls nötig.

epa10525103 Agents of the National Force carry out patrols in the city of Natal, capital of the state of Rio Grande do Norte, Brazil, 15 March 2023. The Brazilian government has sent a contingent of 2 ...
In Natal patrouilliert die Nationalgarde.Bild: keystone
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
twint icon
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Bolsonaro-Anhänger stürmen Kongressgelände in der Hauptstadt
1 / 37
Bolsonaro-Anhänger stürmen Kongressgelände in der Hauptstadt
Anhänger des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro haben den Kongress in der Hauptstadt Brasilia gestürmt.
quelle: keystone / eraldo peres
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Das könnte dich auch noch interessieren:
9 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
9
«Werden einen Unterschied machen» – USA lieferten heimlich weitreichende ATACMS an Ukraine
Schon vor der offiziellen Freigabe neuer Ukraine-Hilfen durch den Kongress haben die USA ihrem Verbündeten heimlich ATACMS mit grösserer Reichweite geliefert. Die Kurzstreckenraketen, die das Kräfteverhältnis im Krieg gegen Russland beeinflussen sollen, wurden letzte Woche bereits eingesetzt.

Aufatmen in der Ukraine: Nach der Freigabe neuer Ukraine-Hilfen durch den Kongress hat US-Präsident Joe Biden während einer Rede im Weissen Haus ein sofortiges neues Militärpaket für das von Russland angegriffene Land angekündigt.

Zur Story