Das Resultat der Studie der drei Wissenschafter aus den USA und Würzburg ist brisant. Sie berichten, Sars-CoV-2 sei ein infektiöser Klon und mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem chinesischen Labor entstanden. Die Studie, die auf dem Preprint-Server Plattform bioRxiv erschienen ist, hat dort aber gleich auch einen Warnhinweis. Sie sei nicht unabhängig von Fachleuten geprüft und die Studienresultate in der Presse nicht als schlüssig bezeichnet werden.
Der Ursprung von Sars-CoV-2 hat schon seit Beginn der Pandemie zu Spekulationen geführt. Im Mai 2021 zeigte eine Untersuchung der Weltgesundheitsorganisation WHO, dass die absolut wahrscheinlichste Variante in der Zoonose liegt. Von Zoonose spricht man, wenn ein Virus vom Tier auf den Menschen überspringt und sich dort verbreitet. Die Wissenschaft geht davon aus, dass die Erreger von Fledermäusen stammen, die im Süden Chinas in Höhlen leben, und der Erreger schliesslich am Tiermarkt in Wuhan übersprungen ist. Der australische Evolutionsbiologe Edward C. Holmes von der Universität Sydney hat dort viele Spuren gefunden, welche diese These der Zoonose untermauern.
Doch seit am 30. Dezember 2019 das «Program for Monitoring Emerging Diseases» über eine Lungenentzündung in Wuhan informiert hat, gibt es Gerüchte, das Coronavirus könnte aus einem Labor in Wuhan entwichen sein. Das Wuhan Institute of Virology (WIV) hat sich auf die Erforschung von Coronaviren spezialisiert, sammelt Proben von Wildfledermäusen auf der Suche nach neuen Viren und führt Experimente durch. Weil das WIV zu dieser Zeit genau diese Viren untersucht hat, ist ein Zusammenhang zumindest denkbar. Denn in Labors kann es zu Unfällen kommen. Diese sind meist eine Verkettung unglücklicher Ereignisse und Umstände und keine böse Absicht wie in einem Hollywood-Film.
Da solche Gerüchte schnell zu Verschwörungstheorien führen, verlangten im Mai 2021 18 Wissenschafter aus aller Welt im Fachmagazin «Science», die Laborthese genau aufzuklären. Mitunterzeichner war auch Richard Neher, Virenspezialist am Biozentrum der Universität Basel. Auch US-Präsident Joe Biden beauftragte im Mai 2021 seine Geheimdienste, Nachforschungen zum Ursprung von Sars-CoV-2 zu machen. Ein Ansinnen auf das die chinesische Regierung damals scharf reagierte. Vehement wehrte sie sich gegen den Verdacht, das Virus sei aus einem chinesischen Labor entwichen. Die Chinesen verwiesen auf die Ermittlung der WHO, nach der eine undichte Stelle in einem Labor «extrem unwahrscheinlich» sei.
Nun schreiben Alex Washburne und Antonius VanDongen aus den USA und Valentin Bruttel aus Würzburg in ihrer ungeprüften Studie, dass Sars-CoV-2 eine Anomalie darstelle, die für ein synthetisches Virus charakteristisch sei. Deshalb sei das Virus eher ein Produkt aus einem Labor als der natürlichen Evolution. «Sars-CoV-2 ist mit hoher Wahrscheinlichkeit als infektiöser Klon entstanden, der in vitro zusammengesetzt wurde», schreiben die Studienautoren. Demnach wäre das Virus durch irgendeine Form der Gentechnik zusammengefügt worden.
Dafür hätten sie eine neue Methode verwendet, die im Labor hergestellte Viren nachweisen könne. Die Forscher gehen davon aus, dass man für künstlich hergestellte Viren kürzere Fragmente des Erbguts herstellen würde. Eine DNA mit weniger als 8000 Buchstaben. Solche Fragmente werden mit Hilfe von Restriktionsenzymen erzeugt. Das sind molekulare Scheren, die das Erbgut an bestimmten Abschnitten der genetischen Buchstaben schneiden.
Wenn ein Genom nicht über solche Restriktionsstellen an geeigneten Stellen verfügt, schaffen die Forscher in der Regel selbst neue Stellen. Und diese Restriktionsstellen am Coronavirus seien so wie bei gentechnisch hergestellten Viren, schreiben die Autoren, von denen Alex Washburne von Selva, einem kleinen Start-up-Unternehmen für Mikrobiom-Wissenschaft in New York, einen eher zweifelhaften Ruf hat.
«Ich würde dieses Preprint mit Vorsicht geniessen», sagt dazu Richard Neher. «Die Autoren beschreiben ein etwas ungewöhnliches Muster von Erkennungssequenzen von Restriktionsenzymen. Alle diese Stellen kommen aber in verwandten Coronavirus-Sequenzen aus der Tierwelt vor, wenn auch nicht in genau dieser Kombination», sagt der Virenanalyst aus Basel. So speziell sei diese Kombination nun auch wieder nicht und könne zufällig im Laufe der Evolution entstehen. Neher sagt:
Hart ins Gericht mit den Studienautoren geht der Immunologe Kristian G. Andersen vom Scripps Research Institute in La Jolla, Kalifornien. Die Studie sei so fehlerhaft, dass sie nicht einmal im molekularbiologischen Kindergarten bestehen würde, schreibt er auf Twitter. Auch andere Wissenschafter bezweifeln den Wert der Studie. Evolutionsbiologe Holmes sagt im «Economist», dass jedes der in der Studie identifizierten Merkmale natürlich sei und bereits in anderen Fledermausviren vorkomme. Forscher, die ein neues Virus entwickeln würden, führten zweifellos einige neue Merkmale in das Virus ein. Da gebe es eine ganze Reihe von technischen Gründen, warum dies völliger Unsinn sei.
A recent preprint purported to show that SARS-CoV-2 is of synthetic origin, but it is so deeply flawed that it wouldn’t pass kindergarten molecular biology.
— Kristian G. Andersen (@K_G_Andersen) October 21, 2022
Below is an analysis with more relevant SARSr-CoV genomes, including the inferred recCA from @jepekar.
Very short 🧵. pic.twitter.com/uOUrL3bqcv
Auch Sylvestre Marillonnet vom Leibniz-Institut für Pflanzenbiochemie in Deutschland zählt Argumente gegen die Studie auf, stimmt aber zu, dass die Anzahl und die Verteilung dieser Restriktionsstellen nicht ganz zufällig aussahen. Es gebe aber auch Argumente gegen diese Hypothese. Zum Beispiel erscheine die geringe Länge eines der sechs DNA-Fragmente als nicht logisch. Wie es die Wissenschaft immer verlangt, brauche es nun eine genaue Prüfung der Studie von Washburne, sind sich die Forscher einig.