Es war die Fledermaus. Zu diesem nicht überraschenden Befund kam eine Delegation der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Sie hat in den letzten vier Wochen in der Millionenstadt Wuhan nach dem Ursprung des neuartigen Virus Sars-Cov-2 geforscht, das seit mehr als einem Jahr die Menschheit in Atem hält und viel Leid verursacht hat.
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Wuhan gilt als Ausgangsort der Pandemie, nicht zuletzt weil die lokalen Behörden zu Beginn versucht hatten, den Ausbruch der Krankheit zu vertuschen. Der frühere US-Präsident Donald Trump sprach deshalb konsequent vom «China-Virus». Die Volksrepublik hingegen bemüht sich nach Kräften, die Verantwortung für das globale Desaster von sich zu weisen.
Die Mission der WHO in Wuhan war ein schwieriges Unterfangen. Erst sträubte sich Peking gegen eine unabhängige internationale Untersuchung und stimmte schliesslich nur unter der Bedingung zu, dass keine einseitigen Schuldzuweisungen erfolgen. Die Einreise des Expertenteams wurde wiederholt verzögert, die ersten zwei Wochen musste es in Quarantäne verbringen.
Eine weitere Bedingung war, dass es sich um eine gemeinsame Mission von je 17 internationalen und chinesischen Fachleuten handeln sollte. Am Dienstag präsentierten sie ihre Befunde an einer Medienkonferenz in Wuhan. Als Erster sprach Liang Wannian, der Leiter der chinesischen Expertengruppe. Auch das ein Hinweis auf die Machtverhältnisse.
Wer auf konkrete Ergebnisse gehofft hatte, wurde enttäuscht. Bereits zuvor waren Forscher zum Schluss gekommen, dass das Virus vermutlich von Fledermäusen zum Menschen gelangt ist. Eine direkte Übertragung sei wenig wahrscheinlich, meinte Peter Ben Embarek, der Leiter der WHO-Delegation. Sie sei eher über einen so genannten Zwischenwirt erfolgt.
Auf den berüchtigten, inzwischen geschlossenen Wildtiermarkt als Ursprungsort wollte sich der dänische Wissenschaftler nicht festlegen. Das Coronavirus sei an mehreren Orten in Wuhan aufgetaucht. «Extrem unwahrscheinlich» sei hingegen, dass das Virus aus einem Labor entwichen ist – eine von Vertretern der Trump-Regierung verbreitete Version.
Die Chinesen dürften es gerne gehört haben. Weniger gefallen dürfte ihnen ein weiterer Befund: Die WHO-Experten halten es für nicht sehr wahrscheinlich, dass das Virus über importierte Tiefkühlprodukte eingeschleppt wurde, wie China wiederholt postuliert hat. Diese Frage müsse noch genauer untersucht werden, meinte Peter Ben Embarek.
Es gebe «keine Belege für grosse Ausbrüche vor Dezember 2019 in Wuhan oder anderswo», sagte der Delegationschef weiter. Das macht die von China in die Welt gesetzte Behauptung unwahrscheinlich, das Coronavirus sei von US-Soldaten aus Anlass der Militär-Weltspiele 2019 nach Wuhan gebracht worden. Sie hatten bereits im Oktober stattgefunden.
Dennoch dürfte China mit den Befunden der WHO-Mission zufrieden sein. Die «New York Times» bezeichnete sie als PR-Erfolg. China fühle sich durch den fehlenden Durchbruch entlastet, analysierte CNN. Tatsächlich versuchten die Chinesen nach der Medienkonferenz erneut, die Schuld auf andere Länder abzuschieben, vor allem die USA.
Zeng Guang, der Leiter des staatlichen Zentrums für Seuchenkontrolle, spekulierte gemäss CNN gegenüber chinesischen Medien über ein amerikanisches Labor als Ausgangspunkt der Pandemie. Solche gebe es «überall auf der Welt». Die WHO solle den Ursprung des Virus «auf einer globalen Ebene untersuchen», mit Fokus auf die USA.
Chinesische Propaganda-Medien wie China Daily und Global Times griffen die Aussage des britisch-amerikanischen Zoologen Peter Daszak auf, wonach die Übertragung durch Fledermäuse auch anderswo in Südostasien hätte erfolgen können. In Thailand, Japan und Kambodscha seien ähnliche Viren wie Sars-Cov-2 aufgetaucht, erklärte Daszak.
Der Ursprung der Pandemie wird sich vielleicht nie eruieren lassen. Kaum bestreiten aber lässt sich, dass sie von Wuhan aus ihren verheerenden Siegeszug um die Welt angetreten hat. Möglich war dies, weil die Behörden zwischen dem Auftauchen der ersten Fälle im Dezember und der Abriegelung der Stadt am 23. Januar kaum etwas unternommen hatten.
«Vor der Abriegelung waren schon mehrere Millionen Menschen aus Wuhan abgereist», sagte Geng Wenbing, der chinesische Botschafter in Bern, im letzten Februar im Interview mit den Tamedia-Zeitungen. Indirekt gestand er damit Chinas Verantwortung ein, doch seither hat sich die Tonalität der chinesischen Diplomatie entschieden verändert. Und verschärft.
[Ironie Off]