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AfD-Chef Chrupalla distanziert sich von Rechtsextremisten-Treffen

epa10017865 Alternative for Germany (AfD) co-chairman Tino Chrupalla attends Germany's right-wing populist Alternative for Germany (AfD) party convention in Riesa, Germany, 17 June 2022. AfD part ...
Der AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla äusserte sich am Dienstagabend in der Talkshow «Maischberger» zu den Vorwürfen an seine Partei. Bild: keystone

AfD-Chef distanziert sich von Rechtsextremisten-Treffen – kritisiert aber die Recherche

AfD-Chef Tino Chrupalla kritisiert das Geheimtreffen in Potsdam. Er halte die Einladung des Rechtsextremisten Martin Sellner für falsch.
24.01.2024, 04:5424.01.2024, 10:51
Nina Jerzy / t-online
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t-online

Der AfD-Partei- und Fraktionsvorsitzende Tino Chrupalla distanziert sich öffentlich von dem Treffen von Parteifreunden mit Rechtsextremisten in Potsdam. «Wenn mein Mitarbeiter mich gefragt hätte, ob er da hingehen soll, hätte ich klar gesagt: Geh da nicht hin», sagte er am Dienstagabend bei «Maischberger».

Auf Nachfrage der Moderatorin erläuterte er: «Weil ich zum Beispiel die Einladung und die Beteiligung von Herrn Sellner grundsätzlich kritisch sehe – ganz klar.» Kurz zuvor hatte er jedoch betont: «Einen Herrn Sellner kenne ich nicht.»

Das waren die Gäste bei «Maischberger»:

  • Cem Özdemir (B'90/Grüne), Bundeslandwirtschaftsminister
  • Tino Chrupalla (AfD), Parteichef
  • Olaf Sundermeyer, Investigativjournalist
  • Martin Machowecz, «Die Zeit»
  • Sonja Zekri, «Süddeutsche Zeitung»
  • Walter Sittler, Schauspieler

Was genau Chrupalla mit diesem Satz meinte, wurde in der ARD-Talkshow nicht deutlich. Denn er war offenbar bestens mit der Ideologie des früheren Anführers der Identitären Bewegung in Österreich vertraut. «Was er programmatisch – noch dazu als Österreicher sagt – ist mit unserer Programmatik nicht vereinbar», sagte der AfD-Co-Vorsitzende.

Chrupalla kritisiert «Tagesschau»-Bericht

Sellner soll bei dem Treffen, zu dem auch CDU-Mitglieder und Unternehmer geladen waren, über «Remigration» (das Unwort des Jahres) gesprochen haben. Damit meinen Rechtsextremisten auch die Ausweisung deutscher Staatsbürger mit ausländischen Wurzeln. Chrupalla stiess sich in diesem Zusammenhang bei «Maischberger» an der Verwendung des Begriffs «Deportationen».

«Dieses Wort ist (laut) den Beteiligten, mit denen ich dort gesprochen habe, nicht ein einziges Mal gefallen. Und das finde ich ein Stück weit eine Lüge der 'Tagesschau', dass man hier dieses Treffen mit Deportationen gleichsetzt», sagte Chrupalla unter Verweis auf die Ausgabe der ARD-Nachrichtensendung vom Vortag. «Wie würden Sie es denn nennen, wenn man darüber redet, dass man millionenfach Menschen aus diesem Land bringt?», fragte die Moderatorin.

«Ich nehme Sie jetzt beim Wort», fasste Maischberger kurze Zeit später zusammen. «Sie sagen: Deutsche Staatsbürger bleiben in Deutschland. Ohne Wenn und Aber. Wer was anderes sagt, hat in der AfD nichts zu suchen?» Chrupalla: «Absolut. Unsere Prämisse ist das Grundgesetz.» An anderer Stelle sagte er zu Abschiebungen deutscher Staatsbürger: «Das werde ich niemals vertreten.»

Ähnlich klang es, als Maischberger ihn mit alten Aussagen von Parteifreunden über Deutsche türkischer Abstammung konfrontierte, etwa den Journalisten Deniz Yüzel oder die SPD-Politikerin Aydan Özoguz. «Er ist natürlich Deutscher, deutscher Staatsbürger. Keine Frage», sagte Chrupalla über Yücel. Er fügte aber hinzu: «Wenn er zwei Staatsbürgerschaften hat, sollte er sich für eine entscheiden.»

«Das sind Stasi-Methoden»

Trotz seiner Kritik an dem Potsdamer Treffen bemühte sich Chrupalla, es als private Zusammenkunft darzustellen. Entsprechend massiv kritisierte er die investigative Arbeit der Rechercheredaktion Correctiv, die das Treffen öffentlich gemacht hatte. «Das sind Stasi-Methoden», wiederholte der Sachse Vorwürfe seiner Co-Vorsitzenden Alice Weidel.

Warum aber hat sich Weidel von ihrem Mitarbeiter getrennt, weil der bei dem Treffen war – wenn das doch eine Privatangelegenheit gewesen sei?, fragte Maischberger. «In diesem Fall war es keins», schränkte Chrupalla mit Blick auf Weidels ehemaligen Mitarbeiter ein. «Es waren aber Privatleute da, und das muss man sehr wohl unterscheiden.»

Maischberger hatte zu der Runde mit Chrupalla auch den Rechtsextremismusexperten Olaf Sundermeyer vom RBB geladen. Er bezeichnete die AfD als «parlamentarischen Arm der rechtsextremistischen Bewegung insgesamt». Vertreter der identitären Bewegung seien als Mitarbeiter von Abgeordneten in Landtagen oder auch dem Bundestag tätig. Dabei hat sich der AfD-Bundesvorstand offiziell von der rechtsextremen Strömung distanziert.

Genau so ein rechter Mitarbeiter eines AfD-Politikers soll laut Correctiv in Potsdam dabei gewesen sein. «Jeder Bundestagsabgeordnete kann einstellen, wen er möchte», sagte Chrupalla. Er habe aber mit dem Parteikollegen gesprochen: «Ich finde es nicht in Ordnung. Ich würde ihn nicht einstellen.» Chrupalla warf im Gegenzug Verfassungsschützern vor, nicht offenzulegen, warum beispielsweise die AfD in Sachsen als «gesichert rechtsextremistisch» eingestuft wurde. «Bin ich es vielleicht selbst? Sitzen Sie jetzt vielleicht mit einem Rechtsextremisten hier?», fragte er in die Runde.

Özdemir warnt vor «putinschen Verhältnissen»

«Die AfD macht dieses Land kaputt», hatte zuvor Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Bündnis 90/Die Grünen) bei «Maischberger» gesagt und vor «putinschen Verhältnissen» unter der AfD gewarnt.

Özdemir hielt in der Talkshow nicht mit seiner Kritik an der eigenen Ampel-Spitze hinter dem Berg. «Der Fehler war: Hier hat man einen Beschluss gefasst, ohne mit den Leuten vorher zu reden», sagte er über die Kürzungen etwa beim Agrardiesel für Bauern, die weiterhin zu massiven Protesten führen. Die Moderatorin fragte an dieser Stelle, warum die Bundesregierung in Deutschland staatliche Hilfen streiche, aber beispielsweise in Lateinamerika mit viel Geld den öffentlichen Personennahverkehr unterstütze.

Moderatorin stellt die Charakterfrage

Da offenbarte Özdemir Wissenslücken. «Da geht es glaube ich um ein paar tausend Euro», war sich der Minister sicher. «Paar hundert Millionen Euro insgesamt», musste ihn Maischberger korrigieren. Allein für den klimafreundlichen ÖPNV in Lateinamerika seien 106 Millionen geflossen – «so wenig ist das nicht».

«Niemandem ist geholfen, wenn wir hier alles grossartig machen, aber im Rest der Welt alles drunter und drüber geht», versuchte Özdemir die Kurve zu kriegen. Wie wenig «grossartig» die Lage hierzulande aktuell sein mag: Özdemir warnte, unter der AfD könnten ganz andere Zeiten anbrechen. Gehe es nach Chrupalla, gebe es keinen Mindestlohn, keine Subventionen für die Landwirtschaft, weltweit mehr Krisen und dadurch noch mehr Flüchtlinge.

Der AfD-Parteivorsitzende hatte sich bei «Maischberger» auch gegen Kritik der FDP-Verteidigungsexpertin Marie-Agnes Strack-Zimmermann verwahrt. Sie kam wieder zur Sprache, als Maischberger einen verbalen Ausfall des damaligen AfD-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl, Alexander Gauland, kommentierte. «Es kann einem nur rausrutschen, was in einem drin ist», stellte die Moderatorin die Charakterfrage. «Das ist bei Frau Strack-Zimmermann dann der Haufen Scheisse», entfuhr es Chrupalla.

Verwendete Quellen:

  • ARD: "Maischberger" vom 23. Januar 2024
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56 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Dong
24.01.2024 07:18registriert Oktober 2016
Wie schafft es die CDU eigentlich, medial so wenig abzubekommen, die war am Potsdam-Treffen schliesslich genauso vertreten wie die AfD?
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Palpatine
24.01.2024 06:43registriert August 2018
Adolf-Hitler-Vergleiche bringen selten etwas. Hier ist jedoch IMHO eine klare Ausnahme zu sehen.
Auch Adolf hat zwischen seinem missglückten Putschversuch 1923 und der "Machterschleichung" 1933 sich beim grossen Teil der Bevölkerung mit Lügen eingeschleimt und sich quasi als Wolf-im-Schafspelz ausgegeben. Damals gab es viele, die entweder darauf reingefallen sind oder die es zwar durchaus durchschauten, aber dann die Gefährlichkeit verharmlosten ("den können wir schon zähmen").
Ich hoffe, unsere nördlichen Nachbarn fallen nicht noch einmal auf so jemanden und dessen Partei rein!
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DasUrmel
24.01.2024 07:02registriert Oktober 2023
"Was er programmatisch – noch dazu als Österreicher sagt – ist mit unserer Programmatik nicht vereinbar" ich verstehe was er damit sagen will, macht es leider keinen deut besser. Im Gegenteil.
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