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«Zensur» von Lindenberg-Klassiker in Berlin sorgt für Aufregung

epa05243984 German Rockstar Udo Lindenberg arrives for the LEA-Award cerimony in Frankfurt, Germany, 04 April 2016. EPA/ANDREAS ARNOLD
Udo Lindenbergs «Sonderzug nach Pankow» wird in Berlin dem «Zeitgeist angepasst».Bild: EPA/DPA

«Zensur» von Lindenberg-Klassiker in Berlin sorgt für Aufregung

Weil Udo Lindenberg in einem Lied aus dem Jahr 1983 das Wort «Oberindianer» verwendet hatte, wird der Songtext für einen Auftritt im bekannten Berliner Humboldt Forum angepasst. Das sorgt für Kritik.
30.10.2024, 08:0630.10.2024, 14:53
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Anlässlich eines Musikevents mit Chören in der bekannten Berliner Kulturinstitution Humboldt Forum, wird das Lied «Sonderzug nach Pankow» von Udo Lindenberg leicht angepasst. Im Lied aus dem Jahr 1983 singt der deutsche Rocker von einem «Oberindianer». Gemeint war der damalige DDR-Staatschef Erich Honecker.

Doch für die Verantwortlichen des Humboldt Forums ist die Verwendung des Wortes in der Gegenwart nicht mehr angebracht.

«Nach einer offenen Diskussion mit den Chören und der künstlerischen Leitung haben wir entschieden, das Lied ‚Sonderzug nach Pankow‘ zu singen und hierbei das Wort, das aus heutiger Sicht diskriminierend wahrgenommen werden kann, auszulassen.»

Gegenüber der deutschen Bild-Zeitung führten sie aus:

«Auch wenn das Wort in dem Lied in seiner Entstehungszeit 1983 eine metaphorische Konnotation hatte – und es sich damals satirisch-kritisch auf Erich Honecker bezog – sind wir uns auch bewusst, dass in dem Wort die Gewaltgeschichte der Kolonisierung indigener Bevölkerungsgruppen nachklingt.»

Das Wort «Indianer» werde von vielen indigenen Menschen sowie von nationalen und internationalen Besuchern als diskriminierend und rassistisch wahrgenommen.

Der Entscheid sorgt nun für Empörung. Nicht zuletzt die Bild-Kommentatoren werfen dem Humboldt Forum Zensur vor. Der Grundsatz, mit Sprache und Bildern sehr sensibel und respektvoll umzugehen, gelte offensichtlich für Udo Lindenbergs Werk nicht.

Um diesen Song geht es:

Auch in den sozialen Medien sorgt der Entscheid für Kritik. Die Rede ist von «Sprachpolizei», den Verantwortlichen wird Scheinheiligkeit vorgeworfen. Schliesslich sei es Lindenberg in seinem Lied genau darum gegangen, die DDR und deren Chef Erich Honecker zu veräppeln, da dort Zensur gang und gäbe gewesen ist.

Auch das Lied «Sonderzug nach Pankow» durfte Lindenberg in der DDR nicht singen – sein einziger Auftritt in dieser fand 1983 ausgerechnet dort statt, wo jetzt das Humboldt Forum zu Hause ist.

An der Anpassung oder Streichung von Wörtern, die für gewisse Menschen aufgrund des historischen Hintergrunds diskriminierend sein können, scheiden sich die Geister. In der Schweiz verursachte insbesondere der Umgang mit dem Wort «Mohrenkopf» in den vergangenen Jahren hitzige Diskussionen. Während einerseits argumentiert wird, dass es sich um verletzende und daher nicht mehr zeitgemässe Ausdrücke handelt, wittert die Gegenseite eine Beschneidung der Rede- und Meinungsfreiheit. (con)

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75 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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uth
30.10.2024 08:49registriert September 2014
Welcher "Oberindianer" würde in der Schweiz darüber befinden, welcher Song von Udo angepasst werden müsste. Wenn man lange genug sucht, kommen da bestimmt einige in Frage. Immer wieder: Wir können nicht die "Sünden" der Vergangenheit mit den moralischen Massstäben der heutigen Zeit messen. Sonst fangen wir an, Bücher zu verbrennen.
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Olifant
30.10.2024 08:35registriert Juni 2017
"Auch das Lied «Sonderzug nach Pankow» durfte Honecker in der DDR nicht singen"
Ich glaube, Honecker durfte in der DDR alles singen, wenn er gewollt hätte. Hier sollte Lindenberg statt Honecker stehen😉
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Quippo
30.10.2024 08:32registriert August 2020
"Auch das Lied «Sonderzug nach Pankow» durfte Honecker in der DDR nicht singen". So, so... Etwas für den FailDi :-)
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