Der NATO- und EU-Mitgliedstaat Rumänien steht vor einem Scheideweg. Die Präsidentschaftswahl, die eigentlich bereits 2024 hätte entschieden werden sollen, geht am 18. Mai in die voraussichtlich letzte Runde. Dann treten die beiden verbleibenden Kandidaten George Simion und Nicușor Dan in einer Stichwahl gegeneinander an.
Während sich Dan im ersten Wahlgang vom Sonntag nur knapp gegen den Kandidaten der Regierungskoalition, Crin Antonescu, durchsetzen konnte, gelang George Simion das beste Resultat. 40 Prozent stimmten für ihn.
Die Wahl vom Sonntag wurde notwendig, nachdem das Oberste Gericht Rumäniens die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl vom 24. November für ungültig erklärt hatte. Als Grund führte das Gericht an, dass die Wahl massgeblich von russischer Seite beeinflusst worden war. Der Gewinner der Wahl, Călin Georgescu, wurde von der Wiederholung ausgeschlossen.
Wer die beiden verbleibenden Kandidaten dieser turbulenten Wahl sind, erfährst du hier:
Bei der ersten Wahl im November verpasste Simion die Stichwahl noch. Damals kam er lediglich auf 13,9 Prozent. Er profitierte also stark vom Verbot der Kandidatur von Călin Georgescu. Da sich beide Kandidaten politisch einigermassen ähnlich positionieren, sind viele Wähler von Georgescu zu Simion gewechselt.
Simion und seine Partei «Allianz für die Vereinigung der Rumänen» (AUR) werden als rechtspopulistisch und nationalistisch eingestuft. Sie verfolgen das Ziel, Rumänien und die Republik Moldau zu einem Land zu vereinen. So würden die Grenzen des Königreichs Rumänien aus der Zwischenkriegszeit nahezu wiederhergestellt.
Das Parteiprogramm von AUR bezieht sich häufig auf patriotische, konservative und christliche Werte. So soll Rumänien angesichts der sinkenden Geburtenrate eine nationale Strategie zur Förderung der Familie – bestehend aus Mann, Frau und Kindern – erarbeiten. Zudem soll Rumänien die Selbstverteidigung wieder stärker in die eigenen Hände nehmen und sich von der NATO distanzieren.
Wegen seiner negativen Äusserungen gegenüber der NATO und der EU sowie seiner Nähe zu Georgescu wird Simion häufig als prorussischer Kandidat bezeichnet. Er selbst beschreibt sich hingegen als «den russophobsten Parteivorsitzenden» Rumäniens.
Simions Gegner ist der amtierende Bürgermeister der Landeshauptstadt Bukarest. Nicușor Dan ist selbst zwar parteilos, hat aber die liberale Partei «Union Rettet Rumänien» (USR) mitbegründet. Er trat 2019 aus der USR aus, nachdem sich die Partei als Gegner des damaligen Familien-Referendums positioniert hatte.
Dieses wollte die Ehe als Bund zwischen Mann und Frau definieren. Dan vertrat die Meinung, die Partei sollte sich nicht in solche Fragen einmischen und bei ihrem Kernprogramm bleiben.
Und wofür steht Dan ein? In gewissen Punkten ähnelt er seinem Gegner Simion ziemlich stark. So versprechen beide, die rumänische Politik von der grassierenden Korruption zu befreien. Für Dan stehen dabei aber die Reduzierung der Bürokratie durch Digitalisierung und ein neues Beförderungssystem im öffentlichen Dienst im Mittelpunkt.
Beide Kandidaten wollen zudem – ähnlich wie Donald Trump in den USA – die Reindustrialisierung Rumäniens fördern. Für Simion steht dabei aber die Förderung natürlicher Ressourcen im Schwarzmeerraum im Vordergrund. Dan hingegen setzt auf IT-Bereiche und Dienstleistungen.
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass Dans Wahlprogramm eher technokratischer Natur ist. Explizite Aussagen zu ethnischen Minderheiten, LGBTQ+-Themen oder Gender-Gerechtigkeit sind hier keine zu finden. Dennoch vertritt dieser Kandidat die Ansicht, dass der Staat eine gerechte Grundlage für alle Bewohnerinnen und Bewohner schaffen müsse. Die Einbindung in die EU will Dan eher stärken. (leo)