Von Denkmälern, seien sie für Adolf Hitler oder andere bekannte Personen des öffentlichen Lebens, hielten die Nazis nicht viel. Das Metall der Figuren sei im Krieg viel besser zu gebrauchen, dachten sie, und schmolzen viele davon kurzerhand ein. Einige inoffizielle Hitler-Denkmäler gab es dennoch – teils existieren sie bis heute. Doch für die Ewigkeit sind auch diese nicht. Nicht mal für eine kurze.
Das zeigt ein Fall aus Pullach im Süden der deutschen Grossstadt München. Dort steht seit 1939 eine Linde. 400 oder 500 Jahre sei ein gutes Alter für Linden, sagt Pullachs Förster Wolfgang Baumgartner im Gespräch mit t-online. Manche der Bäume werden 1'000 Jahre alt. Die Pullacher «Hitler-Linde», wie sie im Volksmund genannt wird, dürfte nicht einmal einen Bruchteil davon schaffen. Sie ist jetzt schon im Sterben.
«Alterserscheinungen sind schon sichtbar, sie sieht nicht gut aus», sagt Baumgartner. «Die Vitalität des Baumes hat schon seit Jahren deutlich abgenommen.» Immer mal wieder sei es nötig, Totholz zu entfernen, bevor es auf den Boden stürze und etwa Fussgänger oder Radler gefährde. Was genau dazu führte, dass die Linde schon jetzt kaum noch mehr als ein paar Monate stehen dürfte, weiss Baumgartner zwar nicht. Doch er ist sicher: «Die Linde ist ein Symbol dafür, dass Bäume immer mehr unter extremem Wetter leiden.»
Auch in diesem Jahr dürfte Hitze und Dürre der Linde am Kirchplatz wie vielen anderen Bäumen in der Region arg zugesetzt haben. Für Baumgartner steht fest: Die Linde wird sich wohl nicht mehr erholen. «Dann werden wir sie fällen müssen», sagt er. «Das ist die Entscheidung, vor der wir gerade stehen.» Den Neuaustrieb im Frühjahr schaue sich die Gemeinde noch an, vielleicht gehe es doch noch einmal bergauf – solange die Verkehrssicherheit gewährt sei.
Gepflanzt worden war die Linde zum 50. Geburtstag Hitlers am 20. April 1939. Eine, wenn auch sicher eher metaphorisch gemeinte Erklärung für den kümmerlichen Zustand der Linde äusserte Pullachs Bürgermeisterin 2020 in einem Bürgerbrief: «Man könnte meinen, ihr diese Last förmlich anzusehen: Sie ist von eher kümmerlichem Wuchs und schlechter Vitalität», sagte sie über das schwere Schicksal des Baumes, für immer an den grössten Verbrecher der Menschheit zu erinnern.
Aber war es jemals ein Thema, die «Hitler-Linde» deshalb zu fällen? «Sie kann ja nichts dafür», sagt Baumgartner. Und verweist darauf, dass ein Baum nun mal ein Lebewesen sei – kein Stein oder Metall. Und solange der Baum gesund sei, habe er schliesslich auch einen Nutzen.
Dafür kann die Linde wirklich nichts, aber es ist sinnig, dass sie selber, mit ihrem Tod, ihre Erinnerungsfunktion an den Verursacher all dieses Übels einstellt. Ruhe in Frieden, Linde.