Eigentlich will Alex Walter Diggelmann gar nicht an den Olympischen Spielen teilnehmen. Aber seine Freunde drängen ihn dazu, doch eine Arbeit einzureichen. Der Grafiker lässt sich überzeugen – und räumt in Berlin ab. Er wird zum Olympiasieger 1936 in der Sparte «Gebrauchsgrafik» ausgerufen.
Ausgezeichnet wird der in Zürich arbeitende Berner Oberländer für ein Plakat, das Werbung für den Wintersport in Arosa macht. «Es zählt in der Tat zu den vielbeachteten und vieldiskutierten Plakaten der letzten Jahre», schreibt die NZZ zur Grafik. Die Idee als solche wird gelobt, ebenso die grafische Umsetzung.
Der NZZ-Reporter in Berlin schafft es, diesen Monstersatz in die Heimat zu übermitteln: «Mit seinem farbenfrisch mit Etiketten in allen möglichen Landesfarben übersäten Koffer erwies es sich gleich von Anfang an als ein ausserordentlich wirkungsvolles Beispiel eines sogenannten Erinnerungsplakates, das heisst eines Plakates, das an den Ort, für den es zu werben hat, lediglich erinnern will, ohne von ihm, dessen Bekanntschaft es beim Besucher bis zu einem gewissen Grade schon voraussetzt, thematisch etwas Besonderes auszusagen (der etikettierte Koffer könnte an sich auf jeden beliebigen Kur- und Ferienort Bezug haben).» Puuh, durchatmen!
Allerdings ist das Plakat auch höchst umstritten. Denn einer der Aufkleber, welche den Koffer zieren, zeigt das Hakenkreuz der Nazis. «Es gab Leute, die diese Hervorhebung als allzu betonte Referenz des Fremdenortes vor seinen deutschen Kunden empfanden», bemerkt die NZZ dazu. Sie schliesst mit dem Wunsch: «Hoffentlich haben für die Entscheidung der olympischen Jury in Berlin nur die künstlerischen Qualitäten des Plakates den Ausschlag gegeben!»
Diggelmann, der einen Tag vor der Eröffnungsfeier am 1. August zum Olympiasieger ausgerufen wird, ist zu diesem Zeitpunkt längst ein bekannter Künstler. Der ehemalige Lehrer, der später an den Kunstschulen von Paris, München und Leipzig studiert hat, gewann mit seinen Plakaten oft Preise.
Nach dem Krieg, als 1948 in London zum letzten Mal Olympia-Medaillen in Kunstsparten vergeben werden, schlägt er erneut zu. «Digg» – so signiert er jeweils seine Werke – gewinnt eine Silber- und eine Bronzemedaille und darf damit einen kompletten Medaillensatz sein Eigen nennen.
Alex Diggelmanns Kunst geht bis heute alle zwei Jahre um die Welt. Denn er entwirft anfangs der 50er-Jahre die Medaillen für den internationalen Ski-Verband FIS, welche dieser bis heute an Weltmeisterschaften der Skifahrer, Langläufer, Skispringer und Snowboarder vergibt.
Für all diese Leistungen werden Diggelmann und seine Frau Marguerite 1972 zu Ehrenbürgern der Gemeinde Unterseen ernannt. Dort, direkt neben Interlaken gelegen, ist der Olympiasieger von 1936 aufgewachsen. Diggelmann stirbt 1987 im Alter von 85 Jahren.
Nazideutschland war 1936 der Gastgeber der Olympischen Spiele, und obwohl damals schon viele Untaten gegen Juden und andere Minderheiten bekannt waren, hat kein einziges Land die Spiele boykottiert. Für viele - auch Schweizer - war Nazideutschland damals noch ein leuchtendes Vorbild. Die Werbegrafik illustriert die Akzeptanz gut.