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Rechtspopulistin Marine Le Pen in Betrugsprozess schuldig gesprochen

Le Pen verurteilt und von politischen Ämtern ausgeschlossen – die wichtigsten Punkte

31.03.2025, 12:1131.03.2025, 21:52
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Was ist passiert?

Rechtspopulistin Marine Le Pen ist in einem Betrugsprozess wegen Veruntreuung von Geldern durch Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament schuldig gesprochen worden. Neben ihr wurden acht weitere Europa-Abgeordnete aus Le Pens Rassemblement National (RN) sowie 12 parlamentarische Assistenten für schuldig befunden.

Le Pen wurde zu einer vierjährigen Haftstrafe verurteilt. Zwei dieser Jahre sind auf Bewährung, die beiden weiteren muss sie eine Fussfessel tragen. Weiter erhielt sie eine Geldstrafe von 100'000 Euro.

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Marine Le Pen ist schuldig.Bild: keystone

Der Frust bei der Politikerin war entsprechend gross: Noch bevor die Vorsitzende Richterin das komplette Urteil und die vollständige Strafe gegen Le Pen verkündete, verliess die Politikerin den Gerichtssaal.

Hier verlässt Le Pen den Gerichtssaal:

Video: watson

Was heisst das für ihre politische Karriere?

Wegen des Urteils wird die 56-Jährige ab sofort vorübergehend keine politischen Ämter mehr übernehmen dürfen. Die Strafe dauert fünf Jahre – was damit bedeutet, dass Le Pen 2027 bei der Präsidentschaftswahl nicht antreten darf. Le Pen wurden zuletzt gute Chancen eingeräumt, bei den Wahlen 2027 als Siegerin hervorzugehen.

Für die rechte Partei und Le Pens politische Ambitionen ist das Ergebnis des Prozesses ein Desaster. Der vorübergehende Verlust des passiven Wahlrechts ist in Frankreich eine gängige Strafe, wenn Politiker wegen Korruption und Untreue verurteilt werden. Dennoch gilt es aufgrund der grossen Beliebtheit von Le Pen als heikel – auch moderate Politiker hatten Bedenken angemeldet, da es das Narrativ befeuern könnte, das Urteil sei politisch motiviert, um Le Pen als Präsidentin zu verhindern.

French far-right leader Marine Le Pen arrives at a Paris court expected to deliver a verdict in an embezzlement case that could shake up French politics and derail far-right leader Marine Le Pen' ...
Le Pen bei ihrem Gerichtstermin am Montag.Bild: keystone

Worum ging es im Prozess?

Le Pen und ihrer Partei Rassemblement National wurde vorgeworfen, parlamentarische Assistenten vom Europäischen Parlament zu bekommen, die aber teilweise oder ganz für die Partei gearbeitet hätten. Die rechtspopulistische Partei hätte damit Steuerzahler «vorsätzlich und systematisch» betrogen, hiess es in der Anklage. Das Gericht schätzte den Gesamtschaden auf 2,9 Millionen Euro.

Was, wenn Le Pen in Berufung geht?

Ihr Anwalt hat am Montagnachmittag angekündigt, Berufung einzulegen, womit ein langwieriger gerichtlicher Prozess erwartet werden darf. Schnelle Ergebnisse sind in solchen Fällen unüblich. Klar ist aber: Auch bei einer Berufung gibt es keine Chance, dass der Entzug des passiven Wahlrechts rückgängig gemacht wird.

Überhaupt sind die Chancen gering, dass es in höherer Instanz einen Entscheid rechtzeitig vor der Präsidentschaftswahl im Frühjahr 2027 gibt.

Was sagt Le Pen zum Urteil?

Marine Le Pen will nach ihrer Verurteilung wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder für einen schnellen Berufungsprozess kämpfen, damit sie bei der Präsidentschaftswahl 2027 antreten kann. Sie sei kämpferisch, sagte Le Pen am Abend dem Sender TF1. «Ich werde mich nicht einfach so beseitigen lassen. Ich werde die Rechtsmittel nutzen, die ich ergreifen kann.»

Far-right leader Marine Le Pen poses prior to an interview on the evening news broadcast of French TV channel TF1, after a French court convicted Marine Le Pen of embezzlement and barred her from seek ...
Marine Le Pen im Fernsehstudio von TF1.Bild: keystone

Sie werde sich für eine schnelle Berufungsentscheidung einsetzen, damit das gegen sie mit sofortiger Wirkung verhängte befristete Verbot, bei Wahlen anzutreten, rechtzeitig aufgehoben wird.

«Ich werde so vorgehen, dass die Berufungsentscheidung getroffen wird, damit ich eine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen in Betracht ziehen kann.»
Marine Le Pen

Wenn dies nicht gelinge, könne ihr politischer Ziehsohn und Parteichef Jordan Bardella (29) an ihrer Stelle für das höchste Staatsamt kandidieren, liess sie durchblicken. «Jordan Bardella ist eine grossartige Bereicherung für die Partei, und das sage ich schon lange. Ich hoffe, dass wir auf diesen Trumpf nicht eher zurückgreifen müssen, als es notwendig ist.»

Le Pen sieht sich nach dem Schuldspruch wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder als Opfer eines politischen Urteils. Am Abend sagte sie dem Sender TF1:

«Heute Abend gibt es Millionen von Franzosen, die empört sind, und zwar in einem unvorstellbaren Ausmass empört sind, wenn sie sehen, dass in Frankreich, dem Land der Menschenrechte, Richter Praktiken eingeführt haben, von denen man dachte, sie seien autoritären Regimen vorbehalten.»

Im Grunde habe die Richterin ihr verkündet: «Ich werde Sie sofort unwählbar machen, und ich tue dies, um zu verhindern, dass Sie zur Präsidentin der Republik gewählt werden können. Wenn das keine politische Entscheidung ist, weiss ich es auch nicht.»

Die Rechtsstaatlichkeit ist aus Sicht Le Pens durch das Urteil gegen sie vollständig verletzt worden. Millionen von Franzosen seien durch eine Richterin in erster Instanz der Kandidatin beraubt worden, die aktuell Favoritin für die Präsidentschaftswahlen 2027 sei.

Die gegen sie erhobenen Vorwürfe hatte Le Pen stets zurückgewiesen. «Ich habe nicht das Gefühl, die geringste Regelwidrigkeit, die geringste Rechtswidrigkeit begangen zu haben», sagte sie im Prozess. Zu den Forderungen eines Entzugs des passiven Wahlrechts hatte sie gesagt:

«Es ist mein politischer Tod, der gefordert wird mit vorläufiger Vollstreckung, und das ist, glaube ich, von Anfang an das Ziel dieser Operation.»
Marine Le Pen

Was sagen weitere RN-Exponenten?

Jordan Bardella, der Vorsitzende der Partei, hat den Schuldspruch als Todesstoss für Frankreichs Demokratie bezeichnet. «Es ist nicht nur Marine Le Pen, die heute ungerechterweise verurteilt wurde: Das ist die Hinrichtung der französischen Demokratie», schrieb er auf der Plattform X.

Wie geht es jetzt mit dem RN weiter?

Das Debakel vor Gericht trifft die rechtsnationale Partei in Frankreich in einem ungünstigen Moment, denn schon seit einer Weile ist sie beständig auf dem Vormarsch und im Parlament inzwischen so stark vertreten wie noch. Die von ihrem kürzlich gestorbenen Vater Jean-Marie gegründete rechtsextremistische Front National benannte Marine Le Pen 2018 in Rassemblement National um und verzichtete auf allzu radikale Positionen, um sie auch in breiteren Schichten der Bevölkerung wählbar zu machen.

The leader of France's National Rally (RN) Jordan Bardella, attends the International Conference on Combating Antisemitism in Jerusalem, Israel, Thursday, March 27, 2025. (AP Photo/Leo Correa)
Is ...
Jordan Bardella: Wird er jetzt für den RN antreten?Bild: keystone

Der bisherige Plan war gewesen, dass bei einem Sieg Le Pens bei der Präsidentschaftswahl und einem Sieg ihrer Partei bei der nachfolgenden Parlamentswahl RN-Chef Bardella Premierminister geworden wäre. Ob Bardella nun für das Präsidentenamt kandidieren will, ist noch nicht bekannt.

Was sagen die Rechtspopulisten Europas?

Nach der Verurteilung von Marine Le Pen durch ein Pariser Gericht hat sich der ungarische Ministerpräsident Viktor Orban solidarisch mit der französischen Politikerin erklärt.

FILE -French far-right leader Marine le Pen adjusts her jacket at the end of a joint press conference with Hungarian Prime Minister Viktor Orban in Budapest, Hungary, Tuesday, Oct. 26, 2021. (AP Photo ...
Marine Le Pen und Victor Orban 2021 bei einer Pressekonferenz in Budapest.Bild: keystone

Auf der Plattform X postete der Rechtspopulist lediglich den französischen Satz: «Je suis Marine!» (Ich bin Marine!). Orban ist mit Le Pen eng verbündet. Seine Fidesz-Partei bildet zusammen mit Le Pens rechtsnationalem Rassemblement National das Rückgrat der Rechtsaussen-Fraktion Patrioten für Europa, der drittstärksten Abgeordnetenformation im Europaparlament. Beide Politiker weisen auch eine gewisse Nähe zu Kremlchef Wladimir Putin auf.

Das Gericht in Paris hatte Le Pen am Vormittag unter anderem zu zwei Jahren Haft per Fussfessel und zu einer auf fünf Jahre befristeten Unwählbarkeit für politische Ämter verurteilt. Der Schuldspruch, der noch angefochten werden kann, erfolgte wegen Veruntreuung von Geldern durch Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament.

Italiens Vize-Ministerpräsident Matteo Salvini hat sich nach der Verurteilung der rechten französischen Politikerin Marine Le Pen an deren Seite gestellt.

FILE - Italian Vice Premier Matteo Salvini, head of the populist, right-wing League, left, stands on stage with French right-wing leader Marine Le Pen on the occasion of an annual League (Lega) party  ...
Matteo Salvini und Marine Le Pen 2023 in Pontida in Italien.Bild: keystone

Der Vorsitzende der Rechtspartei Lega sprach von einer «Kriegserklärung», mit der man die frühere Präsidentschaftskandidatin aus dem politischen Leben ausschliessen wolle. Solch ein Vorgehen sei auch aus anderen Ländern wie Rumänien bekannt. Salvini fügte hinzu: «Wir lassen uns nicht einschüchtern, wir bleiben nicht stehen: Volle Kraft voraus, meine Freundin!».

Le Pen war zuvor von einem Gericht in Paris in der Affäre um die Scheinbeschäftigung von Mitarbeitern im Europaparlament schuldig gesprochen worden. Sie kann daher aller Voraussicht nach nicht für ihre Partei Rassemblement National (RN) bei der Präsidentschaftswahl 2027 kandidieren.Salvini ist Verkehrsminister und Vize-Ministerpräsident der italienischen Dreier-Koalition aus rechten und konservativen Parteien.

Was sagt der Kreml?

Der Kreml hat das Urteil gegen die rechtsnationale Politikerin Marine Le Pen in Frankreich als Verstoss gegen demokratische Regeln kritisiert.

ARCHIV - Putins Sprecher Dmitri Peskow. Foto: Alexei Nikolsky/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa
Dmitri Peskow sieht im Gerichtsurteil einen «Verstoss gegen demokratische Normen».Bild: sda

«Unsere Beobachtungen in den europäischen Hauptstädten zeigen, dass man keineswegs zurückhaltend ist, im politischen Prozess die Grenzen der Demokratie zu überschreiten», sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow in Moskau.

Peskow nannte den Le-Pen-Fall wie den des ausgeschlossenen Präsidentschaftskandidaten Calin Georgescu in Rumänien einen «Verstoss gegen demokratische Normen». Das meldete die Nachrichtenagentur Interfax. Die Aussenministeriumssprecherin Maria Sacharowa sagte der russischen staatlichen Nachrichtenagentur Tass, das Urteil zeige die «Agonie der liberalen Demokratie».

Russland habe sich nie in die französische Innenpolitik eingemischt und werde das nie tun, sagte der Kremlsprecher. Allerdings hat Präsident Wladimir Putin 2017 Le Pen in Moskau empfangen und politisch aufgewertet. Die frühere Bewegung der Rechtsaussen-Politikerin Front National hat auch Kredite aus Russland bekommen.

Was sagen die USA dazu?

Die US-Regierung hat den befristeten Ausschluss der französischen Politikerin Marine Le Pen bei Wahlen als besorgniserregend kritisiert. «Wir müssen als Westen mehr tun, als nur über demokratische Werte zu reden. Wir müssen sie leben», sagte die Sprecherin des US-Aussenministeriums, Tammy Bruce, angesprochen auf das Urteil.

Der Ausschluss von Menschen aus dem politischen Prozess sei besonders besorgniserregend, insbesondere angesichts «des aggressiven und korrupten juristischen Feldzugs» gegen US-Präsident Donald Trump in den USA, sagte Bruce.

Die 56-jährige Rechtsnationale war wegen der Veruntreuung öffentlicher Gelder schuldig gesprochen worden. Teil der Strafe ist, dass sie fünf Jahre lang nicht bei Wahlen antreten darf. Die Strafe tritt sofort in Kraft – anders als eine teils auf Bewährung ausgesetzte Haftstrafe. Le Pen kann damit aller Voraussicht nach nicht bei der Präsidentschaftswahl 2027 kandidieren.

Der Sohn von US-Präsident Donald Trump, Don Jr., schrieb auf der Plattform X: «Frankreich schickt Le Pen ins Gefängnis und verbietet ihr die Kandidatur?!» Er schob nach: «Versuchen sie einfach nur zu beweisen, dass J.D. Vance mit allem recht hatte?» US-Vize Vance hatte den europäischen Verbündeten vor einigen Wochen bei einer Rede bei der Münchner Sicherheitskonferenz vorgeworfen, Meinungsfreiheit und gemeinsame demokratische Grundwerte einzuschränken.

(rbu/dab/lyn, mit Material von Keystone-SDA und dpa)

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309 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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marco_pollo
31.03.2025 11:19registriert Januar 2025
Je länger die weg vom Fenster ist, desto besser für Frankreich und für Europa.
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Glockenberg
31.03.2025 11:26registriert Oktober 2020
Schon beunruhigend wie viele Politiker in solche Skandale verwickelt sind. Reines Gift für eine vertrauensvolle Demokratie
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baBIELon
31.03.2025 11:23registriert August 2016
Es ist immer ein zeichen, dass wir es mit für Regierungsaufgaben unfähigen Menschen zu tun haben, wenn sie Gelder von der Allgemeinheit einsacken um damit ihre persönlichen Agenden voranzutreiben!
Hoffentlich gibt's eine unbedingte Strafe!
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