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Interview

Russland: Ein Experte im Interview zum Coup von Prigoschin gegen Putin

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«Prigoschins Coup war eine PR-Operation, die in die Geschichte eingehen wird»

Wagner-Experte Peer de Jong ordnet den jüngsten Coup des Söldnerchefs Evgeni Prigoschin ein. Und sagt, welche Absichten Prigoschin wirklich hegte.
25.06.2023, 12:3825.06.2023, 12:47
Stefan Brändle, Paris / ch media
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Der Wagner-Spezialist Peer de Jong hatte unserer Zeitung letzte Woche ein Hintergrundinterview zu den Machenschaften Prigoschins gegeben. Zum neusten Coup des Söldnerchefs hat er uns am Sonntag nochmals Red und Antwort gestanden.

In this handout photo taken from video released by Prigozhin Press Service, Yevgeny Prigozhin, the owner of the Wagner Group military company, records his video addresses in Rostov-on-Don, Russia, Sat ...
Jewgeni Prigoschin, der Mann der Stunde?Bild: AP Prigozhin Press Service

Herr de Jong, was wollte Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin mit seinem Coup?
Er wollte entgegen dem Anschein keinen Putsch anzetteln. Er nahm nicht die ganze Stadt Rostow ein, sondern nur ein paar Armeegebäude; und die Fahrt nach Moskau brach er ab, bevor er die Hauptstadt erreicht hatte. Prigoschin wollte vor allem Druck auf Wladimir Putin ausüben, um die Entlassung von Verteidigungsminister Sergei Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow zu erreichen, nachdem die russische Armee ein Wagner-Lager bombardiert hatte. Prigoschins Coup war eine gut inszenierte PR-Operation, eine, die in die Geschichte eingehen wird - aber es war kein Staatsstreichversuch, wie es Mussolini 1922 mit dem Marsch auf Rom vorgemacht hatte.

Peer de Jong.
Wagner-Experte Peer de Jong.Bild: PDJ

War diese Operation wohlüberlegt oder handelte Prigoschin impulsiv?
Prigoschin ist ein Instinktmensch. Er spürte, dass er aus dem Moment Kapital schlagen und Druck auf Putin machen könnte. Wobei das in Russland wohlgemerkt mit dem Druck von Waffengewalt gemacht wird. Einmal mehr zeigt sich, dass in Russland ein mafiöses System herrscht, in dem der Stärkste gewinnt. Und Prigoschin hat seine beiden internen Gegner in einem Tag erledigt. Ich könnte mir gut vorstellen, dass Putin in ein paar Tagen General Sergej Surowikin - der Prigoschin näher steht - an die Armeespitze holt.

Geht Putin geschwächt aus diesem Prigoschin-Streich hervor?
Das wird sich erst noch zeigen. Natürlich hat er einen Imageschaden erlitten. Aber er kann seine Position womöglich auch stärken, wenn er die richtigen Leute ernennt, zum Beispiel ein paar Falken, die anders als Schoigu alle Mittel einsetzen wollen, um den Krieg zu gewinnen.​

Welche Folgen für die Ukraine?
Die Ukrainer sahen am Samstag schon das Ende de Krieges näherkommen. Jetzt wird der Krieg weitergehen. Das ist natürlich hart für die Ukrainer. Zugleich können sie aber auch die Bemühungen fortsetzen, in die Nato und die EU aufgenommen zu werden. Alles in allem ist es heute zu früh, um zu sagen, wie dieser «Marsch auf Moskau» ausgehen wird. In Moskau werden jetzt die Diskussionen losgehen - mit der Kernfrage, ob sich eher die Falken wie Surowikin durchsetzen werden - oder Diplomaten wie Sergei Lawrow, die für einen langsamen Abbruch des Krieges plädieren.​

Und wie steht nun Prigoschin da?
Er ist der Mann der Stunde, er geht gestärkt aus seinem Coup hervor. Man darf sich aber über seine Rolle nicht täuschen: Prigoschin ist nicht unbedingt der Kriegstreiber, als der er präsentiert wird. Er ist ein Geschäftsmann, der seine politischen Absichten mit der Bildung der Wagner-Truppe unterstützen wollte. (aargauerzeitung.ch)

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57 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Chrisbe
25.06.2023 13:34registriert Oktober 2019
Putin wird sich (darf sich) so etwas nicht bieten lassen. Er muss weiterhin den starken Mann markieren, der alles unter Kontrolle hat, ansonsten rollt sein Kopf schon bald die Stufen des Kremel hinab.
Mal schauen, welche "natürliche" Todesursache bzw. welches "tragische" Unglück seinen Wiedersacher ereilen wird.
Egal wie, verdient haben es beide.
Fck Ptn!
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Tubel vom Dienst
25.06.2023 13:05registriert Januar 2021
Es ist interessant wie jetzt alle eine Erklärungen parat haben, ohne das alle Fakten bekannt sind. Vielleicht sollten wir erst einmal abwarten bis man mehr weiss und weniger spekulieren. Das hätte einigen Leuten gestern gut getan.
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Simplicissimus
25.06.2023 13:21registriert Januar 2015
Am Ende sollte sich beim internationalen Strafgerichtshof wiederfinden. Das wird wohl nicht der Fall sein. Dann droht ihnen zumindest das jüngste Gericht, wo sie sich alle in der Hölle wiederfinden werden. An letzteres Glaube ich zwar nicht, hoffe aber, dass es doch existiert.
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