International
Italien

Meloni kommt mit «Albanien-Modell» nicht an Justiz vorbei

epa11814699 Italian Prime Minister Giorgia Meloni speaks during the end-of-year press conference, in Rome, Italy, 09 January 2025. EPA/ALESSANDRO DI MEO
Melonis «Albanien-Modell» hat trotz hoher Kosten kein einziges Mal funktioniert.Bild: keystone

Meloni kommt mit «Albanien-Modell» nicht an Justiz vorbei

02.02.2025, 11:48
Mehr «International»

Italiens rechte Ministerpräsidentin Giorgia Meloni kommt mit ihrem Plan zur schnellen Abschiebung von Mittelmeer-Flüchtlingen in Lagern ausserhalb der EU nicht voran. Nach einer neuen Niederlage vor Gericht musste Italien wieder eine Gruppe von Migranten aufnehmen, die zwischenzeitlich in Albanien interniert waren.

Die 43 Männer aus Ägypten und Bangladesch wurden am Samstag über die Adria mit einem Schiff der Küstenwache in die süditalienische Hafenstadt Bari gebracht. Dort stehen ihnen jetzt Unterkünfte zur Verfügung. Die endgültige Entscheidung über ihre Asyl-Anträge dürfte sich hinziehen. Somit hat Melonis «Albanien-Modell» trotz hoher Kosten weiterhin kein einziges Mal funktioniert.

Meloni will Vorhaben durchziehen

Am Freitagabend hatte ein Berufungsgericht in Rom geurteilt, dass die Asylbewerber, die seit Mittwoch in einem von Italien betriebenen Lager in Albanien einsassen, in die EU dürfen. Für Melonis Dreier-Koalition war dies bereits der dritte juristische Flop in Folge. Trotzdem will die Vorsitzende der Rechtspartei Fratelli d'Italia (Brüder Italiens) ihr Vorhaben durchziehen.

Bereits im Oktober und November hatten Richter verfügt, dass Italien über Asylanträge nicht ausserhalb der EU entscheiden darf. Die beiden eigens errichteten Lager in Albanien stehen nun wieder leer. Unklar ist, ob Meloni nochmals Flüchtlinge dorthin bringen lassen will, bevor sich am 25. Februar der Europäische Gerichtshof (EuGH) äussert. Im Kern geht es um die Einstufung der Heimatländer von Migranten in sogenannte sichere Herkunftsstaaten.

Ablehnung im Schnellverfahren unzulässig

Die 43 Männer hatten sich zusammen mit anderen Migranten in Libyen auf den Weg nach Europa gemacht. Bevor sie in Italien an Land gehen konnten, wurden sie jedoch von der italienischen Marine an Bord genommen und nach Albanien gebracht. Dort lehnten italienische Beamte alle Asylanträge im Schnellverfahren ab. Die Richter kippten diese Entscheidungen jedoch. In sechs anderen Fällen durften Migranten zuvor schon einreisen, aus unterschiedlichen Gründen.

Italien ist der erste Staat der Europäischen Union, der ausserhalb der EU Lager errichtet hat. Die Zukunft des «Albanien-Modells» wird von anderen europäischen Regierungen genau verfolgt. CDU/CSU-Kanzlerkandidat Friedrich Merz nannte es in einem Interview im vergangenen Jahr ein «Vorbild».

Mehr als 3'000 Neuankömmlinge übers Meer im Januar

Italien gehört zu den Ländern, die von der Fluchtbewegung übers Mittelmeer besonders betroffen sind. Im Januar wurden 3'368 Neuankömmlinge gezählt, mehr als vor einem Jahr (2'258). Vergangenes Jahr waren es insgesamt etwa 66'500, nicht einmal halb so viel wie 2023. Auf der gefährlichen Überfahrt kommen immer wieder Menschen ums Leben.

Für die Lager lässt die Regierung nur Männer aussuchen, die aus ihrer Sicht aus sicheren Herkunftsstaaten kommen. Frauen und Kinder werden nicht dorthin gebracht. Inzwischen hat sich ein heftiger Streit zwischen Regierung und Justiz entwickelt. Dabei geht es darum, wer festlegen darf, ob ein anderer Staat ein sicheres Herkunftsland ist. Zuletzt gab es eine Entscheidung des Obersten Gerichts in Rom, die Spielraum für die Regierung zu schaffen scheint.

Streit zwischen Regierung und Justiz

Die rechte Koalition wirft der Justiz vor, die Regelung aus politischen Gründen zu torpedieren. Richterverbände weisen dies als Versuch zurück, die Justiz unter Druck zu setzen. Die Tageszeitung «La Repubblica» berichtete am Sonntag über Überlegungen innerhalb der Regierung, dem Berufungsgericht in Rom durch einen neuen Erlass die Zuständigkeit zu entziehen.

Die linke Opposition wiederum kritisiert Meloni auch wegen Verschwendung von jetzt schon vieler Millionen Euro Steuergeld. Die Kosten für Bau und Betrieb der Lager in Shengjin und Gjader werden auf mehr als 650 Millionen Euro beziffert. Im Prinzip ist dort Platz für mehr als 1'200 Migranten zugleich. (sda/dpa)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
49 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
Tatwort
02.02.2025 12:21registriert Mai 2015
Was wird die Konsequenz sein? Der Versuch, die Justiz zu unterwandern respektive zu übernehmen - die USA mit ihrem gegenwärtig laufenden Staatsstreich machen es vor.
236
Melden
Zum Kommentar
avatar
Gen X
02.02.2025 12:51registriert August 2023
Die übliche Reaktion von rechtsnationalistischen und faschistoiden Regierungen:
Wenn Gerichte entscheiden, dass ihr Vorgehen im Sinne der eigenen Verfassung, internationalem, Völker- und Menschenrecht falsch ist, wird nicht das eigene Handeln hinterfragt und geändert, nein.
Man unterwandert und übernimmt die Gerichte und entzieht ihnen so die Möglichkeit, Recht zu sprechen.
Bezeichnend.
2016
Melden
Zum Kommentar
49
    Jetzt kommen die horrenden US-Zölle auf Stahl und Aluminium – darum geht's

    US-Präsident Donald Trump hat Zölle in Höhe von 25 Prozent auf Stahl- und Aluminiumimporte in die Vereinigten Staaten auf den Weg gebracht. Er sieht sie «ohne Ausnahmen oder Befreiungen» vor, sagte Trump am Montag (Ortszeit) bei der Unterzeichnung der Erlasse.

    Zur Story