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Telefon, Ausweis und mehr: Die Schweizer Butler der Mafia besorgen alles

Die Schweizer Butler der Mafia. Einige Dienstleister beschaffen alles Mögliche für die Kriminellen (Symbolbild).
Die Schweizer Butler der Mafia. Einige Dienstleister beschaffen alles Mögliche für die Kriminellen (Symbolbild).Bild: Shutterstock

Ausweis, Fake-Vertrag oder ganze Firma: Die Schweizer Mafia-Butler besorgen alles

Akten aus Italien zeigen, wie Schweizer Treuhänder, Finanzleute und andere Dienstleister den Mafiosi den kriminellen Aufenthalt in der Schweiz ermöglichen und verschönern.
02.02.2025, 11:4302.02.2025, 12:26
Henry Habegger / ch media
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Es war eine Operation eines Clans der kalabrischen 'Ndrangheta: Vor etwa fünf Jahren schickte der Boss Antonio Bruzzaniti seinen Handlanger Claudio M. mit klarer Order in die Schweiz. Dieser sollte sich hier niederlassen und Tarn-Firmen gründen mit dem Ziel, eine mörderische Erpressungsaktion als normalen Übernahmevorgang aussehen zu lassen.

Das Opfer war der norditalienische Unternehmer Pasquale Lamberti. Mittels Schweizer Tarn-Firmen nahm ihm die Mafia seine Unternehmen in Italien ab. Und liess ihn mutmasslich verschwinden. Seit dem 3. Juli 2021 fehlt jedenfalls jede Spur vom Mittsiebziger (CH Media berichtete).

Gerichtsakten aus Italien und Recherchen in der Schweiz werfen kein vorteilhaftes Licht auf ein Netzwerk von Dienstleistern in der Schweiz, die bei diesem Raubzug der Ndrangheta-Bande eine Rolle spielten.

Ein Kaufmann, Kanton Aargau. Seit Jahrzehnten in der Schweiz im Kredit-, Finanz-, Gastro-, Auto- und Baumilieu anzutreffen, gründete er für M. unter anderem eine Briefkasten-Firma in Zürich. Zweck: Import-Export. Er verhalf dem Mafia-Statthalter zum B-Ausweis in der Schweiz. Als EU-Bürger brauchte M. für die Aufenthaltsbewilligung nur einen Arbeitsvertrag seiner Fake-Firma. Auch die Wohnung dürfte er dem Gangster organisiert haben. M. wohnte jedenfalls ab 2021 im Kanton Zürich.

Ein Autohändler, Kanton Schwyz. Der gebürtige Italiener erscheint in italienischen Akten als Vertrauter der Bande. Er war der Türöffner, brachte sie in Kontakt mit hiesigem Personal, mit Treuhändern und Finanzleuten.

Ein Anwalt, Kanton St. Gallen. Der Schweizer setzte 2020 jene Tarnfirma auf, die ein Jahr später die Unternehmen von Lamberti «kaufte». Mafia-Statthalter M., einst in Italien unter anderem wegen Mord und Drogenhandel verurteilt, hatte die Gründung damit erklärt, dass er in der Schweiz investieren wolle. Nach gut einem Jahr warf er den Anwalt unter Gewaltandrohung aus dem Unternehmen. In einem abgehörten Gespräch brüstete sich M. danach: «Meine ‹Freunde› sind soeben mit dem Anwalt fertig geworden – vor zehn Minuten.» Der sei jetzt draussen. Und weiter: «Wir haben jetzt alle Dokumente in der Hand ... alles».

Susi-Sorglos-Paket vom Zürcher Finanzmann

Ein Finanzmann, Kanton Zürich. An die Stelle des Anwalts trat Mitte 2021 ein Zürcher Finanzmann mit besten Verbindungen zu Banken. Er war «ein Freund» des Automobilhändlers. Dem Clan lieferte er einen Susi-Sorglos-Service: Sorgte dafür, dass die Gangster ihren kriminellen Geschäften nachgehen konnten.

So besorgte er ihnen mehrere Mobiltelefone mit Schweizer SIM-Karten. Er registrierte auf seine eigene Beratungsfirma «eine Reihe von Fahrzeugen» für sie. Er organisierte Bankkonten und Vollmachten.

In einem abgehörten Gespräch sagte M., er gehe zum Finanzmann, er brauche eine Vollmacht: «Ich muss mich bewegen und handeln können wie der Besitzer. Aber wenn mich jemand fragt, was machst du da, dann sage ich: Ich bin nicht der Besitzer, ich arbeite für dieses Unternehmen.»

Der Finanzmann aktivierte für M. auf dessen Order hin E-Mail-Adressen, mit denen der Gangster sich bei den Carabinieri als Firmenmitarbeiter ausgeben konnte. Auslöser: Die Carabinieri hatten M. im Lamborghini Urus angehalten und gefragt, wem das Auto gehöre. M. hatte gesagt, der Lamborghini sei ein «Firmen-Benefit»: «Mein Treuhänder stellt mir den Wagen für die Arbeit zur Verfügung».

Schwyzer Treuhänder, schweizweit für alles zu haben

Ein Treuhänder, Kanton Schwyz. Anfang 2022 ersetzte die Bande auch den Finanzmann. Den Ersatz hatte der Autohändler besorgt: Einen pensionierten Treuhänder aus dem Kanton Schwyz. Dieser liess sich im April 2021 zunächst dafür einspannen, nochmals eine Treuhandfirma zu gründen. Als Strohmann für den Italiener M. respektive den Bruzzaniti-Clan. Diese Fake-Treuhand übernahm 2022 die Aktien der Lamberti-Firmen.

Auch dieser Treuhänder lieferte den mindestens vier in der Schweiz aktiven Bandenmitgliedern einen Susi-Sorglos-Service. «Er kam», so steht es in Akten aus Italien, «wie seine Vorgänger jedem Begehren von M. und seinen Komplizen nach». Er war der Bande schweizweit zu Diensten. Auch bei dubiosen Transaktionen in St. Moriz und Lugano.

Der alte Treuhänder brachte Probleme in Ordnung, die M. mit dem Schweizer Fiskus hatte. Er löste für M. Probleme wegen nicht bezahlter Leasingraten für seine Luxusautos. Er rüstete die Bande mit neuen SIM-Karten aus. Er besorgte für M. eine Schwyzer Autonummer, die dieser wechselweise an seine Luxuskarossen montierte.

Die Italiener schreiben: Wie der Zürcher Finanzmann habe auch der Schwyzer Treuhänder alles getan, «um den Verdächtigen zu ermöglichen, sich den Ermittlungen zu entziehen, um fiktive Verträge zu erstellen, um die Präsenz von M. in den Firmen zu verschleiern.»

Ein Treuhänder, Kanton Zug. 2022 machte sich der Clan daran, Spuren zu verwischen und die Zürcher Briefkastenfirma zu verkaufen. Der Clan verschob die Firma nach Zug zu einem neuen, vermutlich nicht eingeweihten Treuhänder. Dieser wickelte die Firma ab, zahlte offene Rechnungen wie Krankenkasse und Sozialversicherungen des Mafia-Statthalters M. Die Abwicklung kostete die Mafia, das ist italienischen Dokumenten zu entnehmen, gut 36'000 Euro.

Verbindung zu anderen Mafia-Dienstleistern

Dienstleister für die Mafia. Ein boomendes Geschäft in der Schweiz, die Kriminellen zahlen gut, sie schwimmen im Geld, das aus Drogenhandel und allen anderen lukrativen Verbrechen kommt.

Kaum ein Zufall ist, dass der türkischstämmige «Concierge» des belgischen Kokain-Paten Flor Bressers mit oben erwähnten Akteuren zusammenhängt. Die Szene der Dienstleister ist vernetzt.

Bressers, Spitzname Fingerabschneider, war zwei Jahre lang in der Schweiz untergetaucht – er konnte auf hiesige Dienstleister zählen. Im Oktober 2022 wurde er in Zürich verhaftet und an Belgien ausgeliefert.

Am Beispiel des Anwalts, der von der Mafia bedroht wurde, zeigt sich aber auch: Berufsleute, die sich, wissentlich oder nicht, mit der organisierten Kriminalität einlassen, werden erpressbar. Wer einmal drin ist, kommt wohl nicht mehr so leicht wieder raus.

Im Fall Lamberti ermittelt die italienische Staatsanwaltschaft. Claudio M. und sein Boss Bruzzaniti sitzen seit zwei Wochen in Haft. In der Schweiz scheint bisher kein Verfahren zu laufen.

Es gilt die Unschuldsvermutung. (aargauerzeitung.ch)

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23 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Andi Weibel
02.02.2025 12:27registriert März 2018
Das Ganze wird gedeckt von den Bürgerlichen im Parlament, die sich immer und immer wieder weigern, die Treuhänder dem Geldwäscherei-Gesetz zu unterstellen.
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Linksrechtsblablabla
02.02.2025 12:25registriert Januar 2021
Nach den Bauern, hat das Parlament am meisten finanzanwälte. Die können tun und lassen was sie wollen, selbst das geldwäschegesetzt gelten nur für Banken, nicht für finanzanwälte
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El Tucan
02.02.2025 12:44registriert Juli 2017
Wirklich schade dass diese sauberen Treuhänder und Anwälte nicht beim Namen genannt werden, ich denke nur so könnte das Übel bekämpft werden. Aber eben, unser Parlament! Söihäfeli...
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