Eigentlich macht Sabrina Carpenter, was Madonna, Christina Aguilera oder auch Miley Cyrus schon vor Jahren getan haben. Sie provoziert mit Sex. Als Ex-Disney-Star ist das fast schon Tradition – und offensichtlich ist sie damit erfolgreich. Sie tanzt auf der Bühne in Unterwäsche, ahmt Sexstellungen nach und posiert auf dem Cover des «Rolling Stone», als wäre es der Playboy. Kennt man längst, und doch geht es diesmal um mehr, als darum, über eine sexy Sängerin zu motzen. Denn auf dem Cover ihres kommenden Albums «Men's Best Friend» kniet sie vor einem Mann, der sie an den Haaren packt.
Es ist Satire, es ist feministisch, es ist ironisch, es ist ikonisch, es ist gar keine grosse Sache ... All das schreiben ihre Fans online, um sie zu verteidigen. Und: Das Bild sei Teil eines Gesamtkunstwerks, hinter dem mehr stecke, als es auf den ersten Blick scheint. Ausserdem dürfe sie tun und lassen, was sie will – darum geht es doch beim Feminismus, oder?
«Ich kann nicht glauben, dass die Leute nicht checken, dass das ein Kommentar dazu ist, wie Frauen behandelt werden. Denkt doch mal nach!», twitterte ein Fan und bekam dafür über 50'000 Likes. All die Kritiker seien einfach prüde, finden andere: «Lasst Frauen geil sein.»
In einer perfekten Welt wäre es kein Thema, wenn eine junge Frau sich zeigt, wie sie es möchte. Egal ob völlig verhüllt oder splitterfasernackt. Doch in Sachen Frauenrechte ist das Klima gerade gewaltig schwierig. Ist das Carpenters Schuld? Nein. Aber kann etwas noch Satire sein, wenn es von der Realität kaum noch zu unterscheiden ist?
Es gibt mehr als genug Menschen, die ein Bild sehen und nicht die Idee dahinter – falls es eine gibt. Und dieses Bild sieht frauenverachtend aus. Genau wie die bizarren Werbungen aus den 50er- oder 60er-Jahren. Oder wie das Video, in dem Rapper Diddy seine damalige Freundin an den Haaren packt und verprügelt. Und es gibt viel zu viele Männer, die das nicht verurteilen.
In den USA werden Frauenrechte angegriffen, weltweit steigt die Zahl der Femizide und unter den Social-Media-Posts dazu geistern Kommentare aus der untersten Schublade herum. «Selber schuld», heisst es da. Frauen sollen die Klappe halten, haben es nicht anders verdient, sind nichts wert. Weibliche Gamer werden online sofort als Schlampe beschimpft und sogar Primarschüler verhalten sich gegenüber Frauen und Mädchen bereits wie kleine A-Löcher. So ein Cover wirkt dabei wie ein Molotowcocktail.
Übrigens: Es gibt durchaus auch Männer, die von dem Cover irritiert sind. So kommentiert einer: «Dieses Bild ekelt mich an. Es ist nur sexy, wenn man Spass daran hat, Frauen zu erniedrigen, sie in unterwürfige Rollen zu zwingen und sie als Hunde (den besten Freund des Menschen) zu bezeichnen.»
Vielleicht war es wirklich Sabrina Carpenters eigene Idee, sich so zu zeigen. Und vielleicht ist das Cover tatsächlich ein gesellschaftlicher Kommentar, mit dem sie uns allen den Spiegel vorhalten will. Trotzdem steht dahinter immer noch ein Label – und höchstwahrscheinlich ein Mann, der das zumindest abgesegnet hat. «Sex sells» heisst es bekanntlich.
Vor über 25 Jahren zeigte sich Britney Spears auf ihrem ersten Album «… Baby One More Time» ebenfalls kniend im Minirock. Auch das wurde damals heiss diskutiert. Währenddessen plapperten sich ihr Label und ihre eigene Mutter den Mund fusselig, wie man bei diesem unschuldigen Bild nur etwas Verwerfliches denken könnte. Heute wissen wir, dass damals längst nicht alles Britneys eigene Entscheidung war. Ist es nun besser, wenn das Ganze diesmal auf Sabrina Carpenters eigenem Mist gewachsen ist? Vielleicht. Gleichzeitig ist dieser selbstbestimmte Griff ins Klo umso enttäuschender. (aargauerzeitung.ch)
Aber das ist halt der ewige Feedback-Loop zwischen den Stylisten dieser Popsternchen und den Feuilletonisten. Erstere wissen bekanntlich nur zu genau, wie sie letztere triggern können, weil beide Gruppen an den gleichen Hochschulen das gleiche studiert haben…