Fliegst du dieses Jahr nach Mallorca in die Ferien? Daran dürften nicht alle Einheimische Freude haben.
Mehrere Tausend Menschen sind am Sonntagabend auf Mallorca auf die Strasse gegangen, um gegen Massentourismus zu demonstrieren. Die Polizei schätzte die Zahl der Teilnehmer auf 20'000. Die Veranstalter sprachen hingegen von 50'000, was von Beobachtern vor Ort allerdings als zu hoch gegriffen bezeichnet wurde.
Menschen hielten am Sonntagabend Plakate mit Aufschriften wie «Your luxury, our misery» oder «Wir wollen nicht die Vorreiter beim Anstieg der Wohnkosten sein». Auf einem Schild wurden Billigflieger kritisiert. Die Demonstranten machten sich vom Park Ses Estacions auf den Weg durch die Altstadt Palmas.
Urlauber, an denen die Demonstranten vorbeizogen, seien beeindruckt gewesen, schrieb die «Mallorca Zeitung». Einige hätten die Demonstranten sogar ermutigt und Beifall geklatscht. Anderen sei die Kundgebung eher unangenehm gewesen.
Gigantesca manifestación contra el turismo de masas y la especulación inmobiliaria hoy en Mallorca. Impresionante.pic.twitter.com/qm83rdm1Bw
— Fonsi Loaiza (@FonsiLoaiza) July 21, 2024
Auf den Balearen, deren Hauptinsel Mallorca ist, leben knapp 1,2 Millionen Einheimische. Im vergangenen Jahr wurden sie von 18 Millionen Urlaubern, davon 4,6 Millionen aus Deutschland und 3,4 Millionen aus Grossbritannien, besucht. Oder eher heimgesucht, wie immer mehr Einheimische finden.
Zu der Kundgebung aufgerufen hat eine Gruppierung namens «Weniger Tourismus, mehr Leben». Nach Angaben von Marga Ramis, einer der verantwortlichen Köpfe hinter der Bewegung, haben sich 100 Vereine und Organisationen angeschlossen, wie die «Mallorca Zeitung» berichtete. Vor acht Wochen hatten bereits bis zu 25'000 Menschen in Palma unter dem Motto «Sagen wir Basta!» und «Mallorca steht nicht zum Verkauf!» demonstriert.
Inevitable, a pesar de les circumstàncies i la distància, agafar el mòbil per veure com ha anat la manifestació. Diuen que unes 50.000 persones. Rotund èxit. No és qüestió ni d'esquerres ni de dretes, és per poder viure a una Mallorca digna.
— Luis_M.Señor (@Montparnase19) July 21, 2024
Gràcies a tots els qui heu anat! 🙌 pic.twitter.com/5pvuqIkJaj
Auch in anderen spanischen Touristenmetropolen wie Barcelona und Málaga sowie auf den Kanaren regt sich der Unmut. Dieses Mal wollen die Demonstranten den Urlaubern noch näher kommen, damit auch ja kein Zweifel aufkommt, wer gemeint ist. Der Zug soll durch die engen Gassen der Altstadt von Palma gehen, wo auch immer viele Touristen unterwegs sind.
Für Mallorca ist der Tourismus zwar überlebenswichtig. Die Branche steht für 45 Prozent der Wirtschaftsleistung der Insel. Und die Tourismusbranche warnt davor, an dem Ast zu sägen, auf dem viele sitzen. Rund 20 Milliarden Euro liessen sie in die Kassen der Insel fliessen.
Aber Demonstranten klagen, dass nur eine Minderheit profitiere, während die grosse Mehrheit Jobs mit niedrigen Gehältern in der Tourismusbranche bekomme, die nicht reichten, um die immer teureren Wohnungen zu bezahlen. Zudem zerren Staus, Lärm und Schmutz an den Nerven der Insulaner, die sich in ihrer Heimat angesichts von so vielen Fremden selber beginnen, fremd zu fühlen.
In spanischen Medien mehren sich unterdessen Reportagen über die prekären Arbeits- und Lebensverhältnisse von Angestellten in der Tourismusbranche. «Ich arbeite in der Instandhaltung einer Luxusvilla von Engländern und verdiene zwischen 1500 und 1800 Euro im Monat», erzählt ein 37-Jähriger auf Ibiza der Zeitung «El País». Im Februar sei er wegen einer Mieterhöhung aus seiner Wohnung geflogen.
Die Preise von rund 1000 Euro pro Monat nur für ein Zimmer könne er sich nicht leisten und schlafe seither in einem Wohnwagen am Rande eines schwedischen Möbelhauses. Duschen könne er bei einem Freund.
Seine «Nachbarn» ebenfalls in klapprigen Wohnwagen verdienen demnach alle zwischen 1.000 und 1.500 Euro im Monat. «Willkommen auf Ibiza» mit den zwei Welten der Edel-Nachtclubs und einem Leben auf dem Parkplatz, schrieb die wichtigste Zeitung des Landes.
Was aber passieren würde, wenn die Demonstranten Erfolg hätten und viele Urlauber sich abschrecken liessen, mag sich auch niemand so recht ausmalen. «Ich habe Verständnis für das Unbehagen vieler Bewohner, bitte aber darum, dass solche Demonstrationen nicht, wie in Barcelona geschehen, in Vandalismus gegenüber Urlaubern und Einwohnern ausarten», sagte die konservative Regionalregierungschefin der Balearen, Marga Prohens, der «Mallorca Zeitung».
In der Mittelmeermetropole Barcelona hatten Anfang des Monats mehrere Tausend Demonstranten angesichts auch dort immer höherer Wohn- und Lebenshaltungskosten Beschränkungen für die Tourismusbranche gefordert. Gäste von Restaurants, die vor allem bei Urlaubern beliebt sind, wurden mit Wasserpistolen bespritzt.
«Tourists go home. You are not welcome» stand auf mitgeführten Plakaten. Der sozialistische Bürgermeister Jaume Collboni will die Steuer für Kreuzfahrttouristen erhöhen und die Lizenzen für Ferienwohnungen nicht mehr erneuern.
Inselchefin Marga Prohens will nun eine Lösung für Mallorca finden. «Wir wollen einen gesellschaftlichen und politischen Pakt schliessen, um die Inseln nachhaltiger aufzustellen», sagt sie. Die Tourismusbranche habe Hunderttausende Jobs und Wohlstand geschaffen, sie müsse aber auch sozialverträglich sein, die Menschen müssten sich damit wohlfühlen können. «Die Urlauber sind auf den Balearen willkommen, und das wird auch so bleiben», versichert Prohens. (cma/sda/dpa)
Die wissen aber schon, dass auch sie gemeint sind, oder?
Es gibt immer diejenigen, die glauben, es beträfe sie nicht, seien es Fahrverbote, gesperrte Wanderwege, Schwimmverbote oder eben Frust wegen sozialer Ungerechtigkeiten.