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Interview mit UBS-Chef Ralph Hamers über die CS, Boni und Zinsen

«Es ist nie gut, wenn ein Konkurrent Probleme hat»: UBS-Chef spricht über die CS und Boni

Nie mehr seit der verhängnisvollen Ära von Marcel Ospel erzielte die UBS einen so hohen Gewinn wie im ersten Amtsjahr von CEO Ralph Hamers. Was ist anders als vor 15 Jahren? Und wohin steuert die Grossbank, die er mehr und mehr digitalisieren will? Im exklusiven Interview mit der «Schweiz am Wochenende» zieht er eine erste Bilanz.
05.02.2022, 09:17
Patrik Müller, Florence Vuichard / ch media
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Es ist ein guter Tag für Ralph Hamers: Eben konnte er die besten UBS-Zahlen seit 2006 präsentieren – Reingewinn: 7.5 Milliarden Dollar. Gut gelaunt erscheint er zum Interview am UBS-Hauptsitz an der Zürcher Bahnhofsstrasse, wie immer ohne Krawatte.

Der Holländer spricht während des ganzen Gesprächs Deutsch, verwendet nur vereinzelt englische Begriffe. Deutschstunden nehme er keine, sagt er, er lese die «Zuger Zeitung», schaue SRF und Netflix mit deutschen Untertiteln.

AVIS --- ZU RALPH HAMERS, CEO UBS, STELLEN WIR IHNEN FOLGENDES NEUES PORTRAIT ZUR VERFUEGUNG. WEITERE BILDER FINDEN SIE AUF visual.keystone-sda.ch --- Ralph Hamers, CEO der UBS Group AG, portraitiert  ...
Ralph Hamers, CEO der UBS Group AG.Bild: keystone

Die UBS hat in Ihrem ersten ganzen Amtsjahr den grössten Gewinn seit 15 Jahren erzielt: Wie viel davon erachten Sie als Ihr Verdienst?
Ralph Hamers: Ein fünfundsiebzigtausendstel. Ich bin einer von 75’000 Angestellten.

Bekommen Sie dann auch nur ein fünfundsiebzigtausendstel vom Bonus-Topf?
Nein. Da haben Sie recht. Aber was ich damit sagen will: Es ist eine Teamleistung. Die UBS war schon gut unterwegs, und ich habe sicherlich einige Veränderungen eingebracht. Wir haben uns eine neue Vision gegeben, die besagt: Wir sind nicht einfach eine Bank, sondern entwickeln ein Ökosystem fürs Investieren. Und wir haben die Organisation agiler gemacht.

7.5 Milliarden Franken Nettogewinn – als die UBS letztmals so profitabel war, unter Marcel Ospel, endete die Geschichte schlecht. Ist das diesmal anders?
Alle Banken und alle Banker haben ihre Lehren aus der Finanzkrise 2007/2008 gezogen. Und wir bei UBS haben das Investmentbanking verkleinert, die Risiken reduziert, die Disziplin verbessert und die Kapitalpolster erhöht. Wir fokussieren unser Wachstum auf Bereiche, die nicht sehr kapitalintensiv sind, etwa auf die Vermögensverwaltung. Die UBS soll nie mehr ein Problem werden für die Schweiz. Was damals passiert ist, darf und kann sich nicht wiederholen.

Umso bemerkenswerter, dass der Gewinn 2021 bei weniger Risiko und dreimal kleiner Bilanz so riesig ist.
Das hängt sicher auch mit den Märkten zusammen, die global sehr gut liefen. Aber: Wir haben diese Chancen gut genutzt, wir haben es besser gemacht als manche Konkurrenten.

Auf hohe Gewinne folgen hohe Boni. Haben Sie auch etwas aus den Abzocker-Diskussionen gelernt?
Auf jeden Fall. Diese Diskussionen betrafen ja vor allem übermässige Risiken, die zu übermässigen Vergütungen führten. Da hat sich das Verhalten wirklich verändert. Wir erzielen heute unsere Gewinne mit einem tieferen Risikoprofil als früher.

Schöne Worte, aber wenn der Vergütungsbericht herauskommt, werden die Boni und nicht das Risikoverhalten zu Schlagzeilen führen.
Das kann sein. Aber ich bin nicht allein im Markt, und ich kann nicht alles verändern. Wir als UBS können unser Profil verändern, aber nicht die globale Vergütungspolitik. Wobei unser Profil klar dazu führt, dass der Druck, hohe Boni zu bezahlen, deutlich weniger gross ist als bei unseren US-amerikanischen Konkurrenten, die ein viel grösseres Investmentbanking haben. Zudem ist ein Teil unserer variablen Kompensation bis zu fünf Jahren gesperrt.

Zur Person:

Banker, Vater, Biker
Der niederländische Banker Ralph Hamers (55) war von 2013 bis 2020 Chef des Allfinanzdienstleisters ING. Seit dem 1. November 2020 steht er an der Spitze der UBS. Kaum hatte er den Chefposten übernommen, wurde er von einer Geldwäscherei-Affäre der ING wieder eingeholt. Eine Untersuchung soll nochmals aufgerollt werden, wann ist unklar. Hamers ist verheiratet, hat zwei Kinder und lebt im Kanton Zug. Er ist sportlich: Schwimmen (im Zugersee) und Velofahren bezeichnet er als seine Hobbys.

Im Investmentbanking explodieren die Vergütungen wieder…
… weil es viele Deals zu machen gibt, im Bereich Fusionen und Übernahmen, und es dabei an erfahrenen Bankern mangelt. Das treibt die Vergütung hoch. In ein, zwei Jahren kann das vielleicht schon wieder anders aussehen.

Sogar SVP-Finanzminister Ueli Maurer kritisiert hohe Boni. Er sagte jüngst in unserer Zeitung, wenige Spitzenmanager würden mit übermässigen Löhnen das Verständnis im Volk für berechtigte Anliegen der Wirtschaft zerstören.
Ich sehe den Punkt. Aber das ist kein Thema der Banken, sondern ein generelles – in der Pharmaindustrie oder anderen Industrien gilt dieselbe Dynamik des internationalen Wettbewerbs um Top-Leute, ebenso wie in anderen Branchen.

Bei den Banken ist die Empörung aber stets am grössten.
Ist das wirklich noch so? In der Coronapandemie haben die Leute gesehen, dass die Banken den notleidenden Firmen unkompliziert und schnell geholfen haben. Wir haben über die Covid-Kredite hinaus mehr als drei weitere Milliarden an Krediten vergeben und somit die Wirtschaft stabilisiert. Wir sind Teil der Gesellschaft, nicht in einer Parallelwelt. Wir sind dazu da, die Wirtschaft zu unterstützen.

Letztes Jahr war der Roche-Chef mit gut 14 Millionen Franken der Spitzenverdiener. Werden Sie ihn nun übertreffen?
Ich weiss noch nicht, welche Vergütung ich genau fürs letzte Jahr erhalte, darum kann ich mich dazu nicht äussern.

Braucht die kleine Schweiz eigentlich zwei Grossbanken?
Für die hiesige Wirtschaft ist es gut. Viele Schweizer Unternehmen sind international ausgerichtet, sonst könnten sie gar nicht so stark wachsen. Und die ersten Schritte ins Ausland macht man nun einmal zusammen mit seiner Bank. Deshalb ist es hilfreich, wenn es mehrere international tätige Banken gibt, so haben die Unternehmen die Wahl.

Profitiert die UBS von der Krise bei der Credit Suisse?
Nein. Bankkundinnen und Bankkunden sind sehr treu. Es ist grundsätzlich nie gut, wenn ein Konkurrent Probleme hat. Dann leidet die Reputation aller Banken.

Sie wollen die UBS digitaler machen. Letztlich reden alle davon und von den daraus folgenden Kosteneinsparungen. Passiert ist bislang wenig, stattdessen werden mehr Leute mit englischsprachigen Funktionsbezeichnungen eingestellt…
Kosteneinsparungen sind mögliche Folgen von Digitalisierung. Diese sollten nie am Anfang stehen. Niemals.

Sondern?
Das Kundenbedürfnis. Es ist nun mal so: Die Menschen wollen für die Basisdienstleistungen ihrer Bank nicht mehr in die Filiale gehen müssen. Sie wollen simple Transaktionen mit zwei Wischs auf dem Handy erledigen können. Für gute digitale Lösungen braucht es aber neue, agile Arbeitsmodelle.

Auch das ist so ein Modebegriff. Schaffen Sie damit wirklich den Bruch mit der traditionellen, stark hierarchisch gegliederten, fast militärischen UBS-Welt?
Ja! Heute arbeiten schon 10’000 Personen bei der UBS in sogenannten «Pods», also in «Töpfen» mit interdisziplinär zusammengesetzten Teams. So ist bei der Schaffung eines neuen Produktes das ganze Wissen in Bezug auf Kundenbedürfnisse, regulatorischen Vorgaben oder Prozessen schon vorhanden. So werden unsere Produkte und Dienstleistungen ständig verbessert. Und wir sehen schon nach ein paar Wochen, ob ein Produkt taugt oder nicht.

epa08963650 (FILE) - A file photo dated 17 September 2008 showing doves sitting on power lines over the Logo of UBS at Paradeplatz in Zurich, Switzerland (reissued 25 January 2021). UBS is to release  ...
Heute arbeiten schon 10’000 Personen bei der UBS in sogenannten «Pods», also in «Töpfen» mit interdisziplinär zusammengesetzten Teams.Bild: keystone

Wie viele der heute 75’000 Angestellten werden nach der Digitalisierung der UBS übrig bleiben?
Der Personalbestand dürfte sich kaum verändern. In den Bereichen, die digitalisiert werden, werden wir weniger Leute brauchen – jedoch mehr in der Beratung. Für den Hauskauf etwa, für die Kreditvergabe an eine Firma oder bei Auslandgeschäften geht es nicht ohne Menschen. Zudem wollen wir wachsen, in der Vermögensverwaltung, im Hypothekarbereich, im Vorsorgebereich und bei all den Nachhaltigkeitsfragen. Was sich ändert, sind die Profile der Personen, die wir beschäftigen.

Alte Banker raus, neue Digitalcracks rein. Also gibt es doch eine Entlassungswelle?
Nein. Die Veränderungen erfolgen schrittweise, wir schulen unser Personal um. Zudem können wir den Umbau mit der natürlichen Fluktuation abfedern. Personen werden pensioniert, andere gehen von sich aus.

Weil sie nicht an Ihre Umbaupläne glauben?
Wir haben in der Schweiz bis zu zwei Führungsebenen rausgenommen: Dabei geht es nicht nur um neue Organigramme, sondern um neue «mind sets». Es ist eine Einstellungsfrage. Die «Pods» steuern sich selbst, es gibt dort keinen Chef mehr, der sagt, was man tun soll. Alle sind individuell verantwortlich für ihr Tun. Das passt nicht allen.

Sie haben gesagt, dass Sie in der Schweiz im Hypothekarbereit wachsen wollen. Haben Sie keine Angst vor einer Immobilienkrise, sollten die Zinsen steigen?
Nein, wir sind sehr konservativ bei unserem Belehnungsgrad. Die UBS wird keine Probleme haben, auch wenn die Zinsen um ein paar Prozentpunkte steigen.

Und? Werden die Zinsen steigen?
In den USA ja, in Europa vielleicht. Und in der Schweiz nur, wenn die Zinsen auch im Euroraum angehoben werden.

Was die Menschen derzeit wohl noch mehr beschäftigt, sind die steigenden Preise. Ist die Inflation Ihrer Ansicht nach dauerhaft oder vorübergehend?
Es gibt mehrere Faktoren, die darauf hindeuten, dass die Inflation länger andauern wird als wir ursprünglich dachten. Die Lieferketten zum Beispiel funktionieren noch immer nicht richtig, was zu Lieferengpässen und letztlich zu steigenden Preisen führt. Je länger diese Situation andauert, desto mehr steigt der Druck auf die Löhne, der ohnehin gross ist wegen mangelnden Fachkräften. Hinzu kommt, dass wir alle in den letzten zwei Jahren viel gespart haben: Wir konnten nicht verreisen, kaum ins Restaurant oder ins Kino. Jetzt ist plötzlich alles wieder möglich, was die Nachfrage erhöht.

Also dürften die Preise weiter steigen?
Das Jahr 2022 wird ein Jahr mit zwei sehr unterschiedlichen Hälften: In der ersten werden wir eine hohe Inflation haben, in der zweiten Hälfte dann eine niedrigere Inflation. Weil wir bis dahin die Situation besser kontrollieren werden.

Nach dem fünfviertelstündigen Gespräch muss Hamers das Interview beenden, er muss zum Flughafen, denn er wird noch in London erwartet: «Und die Swiss wartet nicht auf mich.»

(bzbasel.ch)

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