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Interview

Stromausfall in Spanien: Schweizer steckte stundenlang im Zug fest

Gestrandete Personen übernachten am Bahnhof in Córdoba.
Gestrandete Personen übernachten am Bahnhof in Córdoba.bild: zvg
Interview

Schweizer in Spanien: «Da dachten wir, es ist etwas gar nicht gut»

watson-User Daniel ist mit seiner Familie in den Ferien in Spanien und hat den grossen Stromausfall miterlebt. Er hat mit uns gesprochen und die Situation geschildert.
29.04.2025, 15:1329.04.2025, 17:00
Nina Bürge
Nina Bürge
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Daniel, seine Frau und seine 12-jährige Tochter sind in den Frühlingsferien in Spanien. Mit dem Schnellzug wollten sie gestern von Sevilla nach Granada fahren. Kurz nach 12 Uhr fuhren sie in Granada ab. Nach ungefähr einer Stunde Fahrzeit blieb der Zug stehen.

Was ist gestern Mittag geschehen, als der Strom ausgefallen ist?
Daniel: Der Zug ist nach etwa einer Stunde stehen geblieben. Zuerst wussten wir nicht, was los ist. Irgendwann lief dann eine Zugbegleiterin durch die Abteile, sie sprach von einem Stromausfall und Cyberattacken in ganz Europa. Irgendwann wurden die Türen geöffnet, da die Klimaanlage ja auch nicht mehr funktionierte. Wir haben etwa zwei Stunden gewartet, weil wir mitten in der Pampa waren. Die Zuggleise sind von hohen Sicherheitszäunen umgeben, deswegen konnten wir nirgendwo hin.

Wie ging es euch in dieser Situation, als ihr nichts wusstet?
Im ersten Moment dachten wir nicht viel. Das gibt es ja in der Schweiz auch, dass ein Zug stehen bleibt.
Als gesagt wurde, dass ganz Europa keinen Strom hat, dachten wir schon, da ist etwas gar nicht gut. Wir konnten uns aber selbst auch nicht informieren, da die Handys keinen Empfang hatten. Ein anderer Passagier konnte sich über ein Radio auf dem Handy informieren und hat uns dann auf Spanisch gesagt, dass Spanien und Frankreich betroffen sind.

«Das hat den Schrecken vor dem ganz grossen Kollaps etwas genommen, aber angenehm war es nicht, weil wir nicht wussten, was läuft.»

Zwischendurch hatten wir für kurze Zeit immer wieder Netz. So konnten wir unserer Familie schreiben, was läuft und dass es uns gut geht. Phasenweise war der Frust trotzdem gross.

«Frauen, Kinder und Familien durften zuerst gehen.»

Wie seid ihr aus dem Zug und weg von den Gleisen gekommen?
Irgendwann sind Polizeiautos gekommen. Sie haben erst einmal Wasser gebracht und ein Tor im Zaun aufgeschlossen. Etwa zwei Stunden später wurden wir dann von Polizeiautos evakuiert und zu einer Tankstelle gebracht. Unser Gepäck mussten wir im Zug lassen. Frauen, Kinder und Familien durften zuerst gehen.

Wie ging die Reise von der Tankstelle weiter?
Nach vielleicht 40 Minuten sind Busse vorgefahren und wir konnten wählen, ob wir zurück nach Sevilla oder nach Córdoba möchten. Wir haben uns für Córdoba entschieden, weil es näher an Granada ist. In Córdoba wurden wir am Bahnhof ausgeladen und haben draussen gewartet. Wir wussten nicht, ob wir auf der Strasse schlafen müssen, oder ob der Zug mit unserem Gepäck noch kommt.

Konntet ihr von Córdoba weiterreisen?
Nein, als es Abend wurde, haben sie die Bahnhofshalle aufgeschlossen und wir durften hinein. Irgendwann haben Helfer vom Roten Kreuz vor Ort sanitäre Kits verteilt. Da war das Nötigste drin.
Später haben wir vom Roten Kreuz Wasser und ein Lebensmittelset bekommen. Es waren Cracker und Dosen mit Leberpasteten drin.

Das Sanitär- und Essenspaket, das das Rote Kreuz verteilt hat.
Das Sanitär- und Essenspaket, das das Rote Kreuz verteilt hat.bild: zvg

Musstet ihr im Bahnhof übernachten?
Ja, wir haben auf den Tüchern und Decken, die wir bekommen haben, versucht, am Boden zu schlafen. Meine Tochter konnte vielleicht zwei Stunden schlafen. Meine Frau und ich gar nicht.

Die Reisenden mussten in der Bahnhofshalle in Córdoba auf dem Boden übernachten.
Die Reisenden mussten in der Bahnhofshalle in Córdoba auf dem Boden übernachten.bild: zvg

Hattet ihr die Nacht über auch noch keinen Strom?
Doch. Der Bahnhof muss ein Notstromaggregat haben. Zumindest haben die Toiletten funktioniert. Um fünf oder sechs Uhr morgens ist dann das Licht wieder angegangen, weil in der Nacht hatten sie es ausgeschaltet.

«Aber die Stadt war immer noch stockdunkel.»

Wie ist es heute Morgen weitergegangen?
Am Morgen sagten die Helfer, dass dieser und jener Zug angekommen sei. Aber unser Gepäck war nie dabei. Unser Zug wurde möglicherweise nach Sevilla zurückgebracht.

«Der Informationsfluss ist nicht sehr gut, man muss immer wieder nachfragen, was gerade los ist und wie es weitergeht.»

Wie geht es denn für euch jetzt weiter?
Wir überlegen jetzt, ob wir einen Bus nach Granada nehmen sollen. Wir warten noch ab, ob doch noch ein Zug kommt und versuchen unser Gepäck mit den Airtags zu orten. Unser Hotelzimmer in Granada wurde kurzfristig storniert, weil wir nicht aufgetaucht sind. Das konnten wir mittlerweile aber wieder regeln und hoffen, dass wir irgendwann dort hinkönnen. Wir haben uns auch überlegt, ob wir das Gepäck zurücklassen und einfach ins Hotel fahren sollen.

Wie ist die Stimmung bei den Leuten im Bahnhof?
Die Stimmung ist mittlerweile relativ locker.
Es hat sich eine Art Community gebildet. Es ist auch eine Genfer Familie hier, sie wurden als Erstes evakuiert, weil sie ein zwei Monate altes Baby und zwei kleine Kinder dabeihaben. Sie konnten aus dem Zug auch nichts für das Baby mitnehmen. Eine Familie aus Córdoba hat angeboten, dass sie bei ihnen übernachten dürfen, das haben sie auch gemacht. Jetzt sind sie aber auch wieder hier am Bahnhof und warten auf mehr Infos.

Wie fühlt ihr euch jetzt?
Mittlerweile sind wir relativ entspannt. Wir würden gerne ins Hotel und etwas Richtiges essen. Die letzte richtige Mahlzeit war gestern vor der Abreise beim Frühstück im Hotel. Wir konnten noch ein wenig Notgepäck aus dem Zug mitnehmen. Wenn wir unser Gepäck orten können und es tatsächlich wieder in Sevilla ist, können wir genauso gut nach Granada und einfach mal ins Hotel.

«Ich bin optimistisch, dass wir heute Abend in einem normalen Bett schlafen.»

Wie geht die gesamte Reise für euch weiter?
Wir sind noch bis Sonntag in Spanien, dann reisen wir wieder in die Schweiz. Einen Stress haben wir also nicht. Da sind andere, die auch hier gestrandet sind, gestresster, die auf einen Flug oder eine Kreuzfahrt müssen. Ich bin optimistisch, dass wir heute Abend in einem normalen Bett schlafen.

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    6 Kommentare
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    avatar
    Garp
    29.04.2025 15:38registriert August 2018
    Das wird zumindest eine bleibende Erinnerung.
    331
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    avatar
    Black Cat in a Sink
    29.04.2025 16:15registriert April 2015
    Wenn einer eine Reise tut, so kann er was erzählen.
    231
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    6
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