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Ukraine-Konferenz – «Europa ist am Scheideweg der Geschichte»»

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Westliche Spitzenpolitiker treffen sich am Sonntag in London. Bild: keystone

Nach Ukraine-Konferenz: Macron und Starmer schlagen einmonatige Waffenruhe vor

02.03.2025, 13:5702.03.2025, 23:15
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Der britische Premier Keir Starmer nahm den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj demonstrativ an seine Seite: «Wir alle stehen euch bei», sagte der Gastgeber während eines Gipfels westlicher Staats- und Regierungschefs zwei Tage nach dem beispiellosen Zerwürfnis zwischen US-Präsident Donald Trump und Selenskyj. Der Beschluss: Ein neuer Friedensplan für eine Waffenruhe in der Ukraine soll erst einmal ohne die USA entwickelt werden. Eine Übersicht:

Macron und Starmer: Einmonatige Waffenruhe

Der französische Präsident nennt kurz nach der Konferenz erste Details einer Waffenruhe gegenüber der Zeitung «Le Figaro». Demnach schlagen Macron und der britische Premier Keir Starmer eine einmonatige Waffenruhe für die Ukraine vor. Diese soll sowohl in der Luft als auch auf dem Wasser und bei der Energieinfrastruktur gelten, so Macron.

Europäischer Friedensplan soll den USA unterbreitet werden

Direkt nach dem Spitzentreffen hatte Starmer gesagt: «Wir haben vereinbart, dass das Vereinigte Königreich, Frankreich und andere mit der Ukraine an einem Plan zur Beendigung der Kämpfe arbeiten werden». Und weiter sagte er: «Dann werden wir diesen Plan mit den Vereinigten Staaten erörtern und ihn gemeinsam vorantreiben.»

Grossbritannien und Frankreich hatten bereits mehrfach ihre Bereitschaft signalisiert, Soldaten für eine Friedenstruppe bereitzustellen. Auf die Frage, welchen Beitrag Deutschland leisten werde, äusserte sich Noch-Bundeskanzler Olaf Scholz nach den Beratungen ausweichend. Die Ukraine müsse militärisch so stark werden, dass sie nicht erneut angegriffen werde, sagte der SPD-Politiker. «Das wird für die Zukunft von zentraler Bedeutung sein.»

Starmer: «Europa ist an einem Scheideweg»

Starmer warnte eindringlich, Europa stünde «an einem Scheideweg» der Geschichte. Es sei an der Zeit zu handeln, Verantwortung zu übernehmen und Führung zu zeigen. Zugleich betonte der Premier die Bedeutung, weiterhin den Rückhalt der USA zu haben. Selenskyj war von Starmer in London herzlich empfangen worden. Der Ukrainer traf auch den britischen König Charles III.

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Starmer begrüsst Selenskyj mit einer Umarmung.Bild: keystone

EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen mahnte eine Stärkung militärischer Kapazitäten in der EU an. «Wir müssen Europa dringend aufrüsten», sagte von der Leyen. Deshalb wolle sie den Staats- und Regierungschefs bei einem Sondergipfel am Donnerstag in Brüssel einen umfassenden Plan für die Wiederaufrüstung Europas vorlegen.

Auf die Frage nach ihrer Botschaft an die USA antwortete von der Leyen: «Wir sind bereit, gemeinsam mit ihnen die Demokratie und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit zu verteidigen, dass man nicht einmarschieren und seinen Nachbarn schikanieren oder Grenzen mit Gewalt verändern kann.» Es liege im gemeinsamen Interesse, künftige Kriege zu verhindern, dass man deutlich mache, dass diese Regeln zählen und die Demokratien gemeinsam dafür eintreten würden.

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Scholz und der britische Premier Keir Starmer begrüssen sich vor der Ukraine-Konferenz am Sonntag.Bild: keystone

Scholz rief dazu auf, Russlands Perspektive nicht zu akzeptieren. «Es ging Russland immer darum, in der Ukraine eine Regierung zu etablieren, die nach russischer Pfeife tanzt, das kann nicht akzeptiert werden», sagte Scholz. Die Ukraine sei ein europäisches Land, das sich entschieden habe, in die Europäische Union zu wollen und sei eine demokratische und souveräne Nation. «Dabei muss es bleiben», sagte Scholz.

Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni, die über gute Kontakte ins Trump-Lager verfügt, mahnte nach dem Treffen zum Zusammenhalt. «Wir müssen in dieser Phase tapfer sein, um den Westen nicht zu spalten. Denn das wäre fatal für alle.»

Starmer zu Eklat: «Das will niemand sehen»

Das Spitzentreffen im Lancaster House war zunächst nur als eines von mehreren zum Ukraine-Krieg geplant. Doch durch den Eklat in Washington am Freitag wurde die Lage besonders brisant. Trump und sein Vize J.D. Vance hatten Selenskyj vor der Weltöffentlichkeit scharf zurechtgewiesen und mit schweren Vorwürfen überzogen. Die Gespräche wurden abgebrochen, Selenskyj verliess das Weisse Haus vorzeitig.

So eskalierte das Treffen zwischen Trump und Selenskyj:

Video: extern

«Das will niemand sehen», sagte Starmer zu den Bildern aus den USA. Deswegen habe er den Hörer in die Hand genommen und mit den Beteiligten gesprochen. «Mein Antrieb war, dies gewissermassen zu überbrücken und uns wieder auf den zentralen Fokus zurückzuführen», sagte Starmer.

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Starmer sprach nach der Konferenz vor den Medien.Bild: keystone

Der Premier will konkrete Sicherheitsgarantien für die Ukraine auf den Weg bringen. Ein mögliches Waffenstillstandsabkommen dürfe kein Papiertiger sein, sondern müsse notfalls militärisch gewährleistet werden können. «Wir werden weiter eine Koalition der Willigen entwickeln, um ein Abkommen in der Ukraine zu verteidigen und den Frieden zu garantieren», sagte Starmer. «Nicht jede Nation wird sich in der Lage fühlen, dazu beizutragen, aber das darf nicht bedeuten, dass wir uns zurücklehnen.»

USA wollen keine Absicherung zusagen

Zu einer Zusage für Sicherheitsgarantien hatte sich Trump bislang trotz aller Charmeoffensiven Starmers und des französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei Besuchen in Washington nicht bewegen lassen. Stattdessen erklärte Trump mehrfach, ein geplanter Rohstoffdeal mit der Ukraine würde dazu führen, dass die USA in der Ukraine vor Ort sein würden, aber nicht militärisch. Das sei genug an Sicherheitsgarantie. Durch den Eklat kam der Deal nicht zustande.

«Wir stimmen mit dem Präsidenten überein, dass es einen dringenden Bedarf für einen dauerhaften Frieden gibt. Jetzt müssen wir gemeinsam handeln», sagte Starmer. Trump meldete sich am Wochenende nicht mehr zur Ukraine-Frage zu Wort, er war nach dem Schlagabtausch mit Selenskyj noch am Freitag nach Florida geflogen.

London will ukrainische Flugabwehr weiter stärken

Die Ukraine wehrt sich inzwischen seit drei Jahren mit westlicher Unterstützung gegen einen vom russischen Präsidenten Wladimir Putin befohlenen Angriffskrieg.

Grossbritannien stellt der Ukraine weitere Militärhilfe zur Verfügung: Die Ukraine erhalte 1,6 Milliarden Pfund (rund 1,9 Milliarden Euro) aus der Exportfinanzierung des Vereinigten Königreichs, um damit mehr als 5.000 Flugabwehrraketen vom Typ LMM zu kaufen, die in der nordirischen Stadt Belfast hergestellt werden, wie Starmer ankündigte.

Selenskyj zufrieden mit Gipfel

Wenige Stunden nach dem Ukraine-Gipfeltreffen in London hat der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj allen Teilnehmern für deren Bemühungen um eine Friedensregelung gedankt. «Gemeinsame Stärke kann unsere Zukunft schützen», schrieb Selenskyj am Abend auf der Plattform X.

«Wir fühlen die starke Unterstützung für die Ukraine, für unsere Menschen - sowohl Soldaten als auch Zivilisten, und unsere Unabhängigkeit», schrieb Selenskyj weiter. Gemeinsam werde an einer soliden Basis für eine Zusammenarbeit mit den USA auf der Suche nach wahrem Frieden und garantierter Sicherheit gearbeitet. Er lobte zugleich die Einheit Europas, die auf einem «ausserordentlich hohen Niveau sei, einem Niveau das schon lange nicht gesehen wurde».

Medwedew: Russophober Zirkel in London

Der frühere russische Präsident Dmitri Medwedew hat harsche Worte zu dem Ukraine-Gipfel in London gefunden. «Der russophobe Anti-Trump-Zirkel hat sich in London versammelt, um den Nazi-Nobodys in Kiew die Treue zu schwören», schrieb Medwedew, der heute Vize-Vorsitzender des Nationalen Sicherheitsrats Russlands ist, auf der Plattform X. «Es ist ein beschämender Anblick, schlimmer als der verbale Durchfall eines Clowns im Oval Office.» Abschliessend behauptete Medwedew, die Teilnehmer des London-Treffens wollten «den Krieg bis zum letzten Ukrainer fortsetzen».

Medwedew, der in seiner Zeit als Präsident Russlands (2008-2012) als liberaler Politiker galt, ist seit Kriegsbeginn gegen die Ukraine vor drei Jahren immer wieder mit scharfen Drohungen wie etwa dem Einsatz von Atomwaffen gegen den Westen aufgefallen. (sda/dpa)

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243 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Celtic Swiss
02.03.2025 10:57registriert Juni 2024
Thank you UK und merci France!


Könnte die Schweiz hier auch mitmachen?
Mit Munition, Waffen, humanitäre Hilfe und Geld geben?
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glücklich77
02.03.2025 11:59registriert April 2024
Ich liebe die Briten. Fand auch die Einladung von König Charles an Trump sehr geschickt. Trump fand sie auch wonderful. Offenbar geht's nur so. Die Briten und Franzosen übernehmen Verantwortung und bleiben emotional ruhig. Danke!
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FrancoL
02.03.2025 10:58registriert November 2015
Das Problem ist der grosse UNterschied beim
ZENTRALEN FOKUS
Eine Mehrheit ind Europa und die Ukraine haben einen FOKUS
Die AMIs haben einen ganz anderen und Putin macht eh das was er will, heute mehr den je denn er hat die AMIs auf seiner Seite.

Also vergessen wir den ZENTRALEN FOKUS von Europa und den USA, den gibt es nicht.

Und ich möchte auch nach anfügen, dass die Administration Trump bewusst diesen Eklat herbeigeführt hat, herbeigeführt hat um sich aus der Hilfe an die Ukratine zu verabschieden.
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