In zwölf Tagen werden die USA ihren 47. Präsidenten wählen. Das Rennen um das Weisse Haus ist so knapp, dass einige Experten schon von einem möglichen Unentschieden sprechen. Dieses Szenario ist zwar unwahrscheinlich, aber nicht unmöglich. Die Stimmen der 538 Wahlleute können theoretisch genau in einem Unentschieden von 269:269 enden.
Ein solcher Fall ist seit dem 19. Jahrhundert nicht mehr vorgekommen, aber die amerikanische Verfassung hätte auch hierfür eine Lösung bereit. Sollten Trump und Harris genau gleich viele Wahlleute auf sich vereinen, würde der Präsident vom Repräsentantenhaus gewählt werden, während der Senat den Vizepräsidenten ermittelt.
Dass eine perfekte Gleichheit so unwahrscheinlich ist, liegt in erster Linie am Bundesstaat Nebraska. Der Cornhusker Staat («Maisschäler-Staat») liegt ziemlich genau im Zentrum des Landes und ist neben Maine der einzige, der die Stimmen seiner Wahlleute aufteilt. Einfach ausgedrückt: Hier werden drei der fünf Wahlmänner in Distrikten bestimmt. Das ist wichtig, weil in Nebraska eine grosse Mehrheit jeweils für den republikanischen Kandidaten stimmt – und dennoch auch die Demokraten auf Wahlleute aus dem konservativen Bundesstaat hoffen dürfen.
Dabei verwandelt sich Omaha, die bevölkerungsreichste Stadt des Staates, manchmal in einen blauen Punkt in einem Meer aus Rot. So etwa 2008 bei der Wahl von Barack Obama oder 2020 bei der Wahl von Joe Biden, als sich die beiden demokratischen Kandidaten über einen «Blue Dot» und damit Wahlleute in Nebraska freuen konnten. Die Stadt gilt deshalb als derart wichtig, dass innerhalb einer knappen Woche Robert Kennedy Jr. und der demokratische Vizekandidat Tim Walz in Omaha landeten, um zu versuchen, die Unentschlossenen zu überzeugen.
In diesem Jahr hoffen die Demokraten besonders stark auf den blauen Punkt. Und das Engagement in Omaha ist gross: Ein Ehepaar etwa verbringt den ganzen Tag damit, Plakate zu sprayen und sie dann an ihre Nachbarn in einem Bezirk mit fast einer Million Einwohnern zu verteilen. Jason Brown und Ruth Huebner-Brown sind ziemlich stolz auf ihre Aktion.
Der Hype um den blauen Punkt ist so gross, dass dieser mittlerweile landesweit für Schlagzeilen sorgt. Diese Woche gingen die demokratischen Wähler von Omaha sogar so weit, dass sie in einem Park der Stadt in einem aufwändigen Video sich ganz in Blau als Punkt inszenierten.
We thank everyone who helped organize the human blue dot! Much love to the @NebDouglasDems for this cool video.
— Nebraska Democratic Party (@NebraskaDems) October 22, 2024
Help protect the blue dot by mailing back your early ballot, voting in person, or making a plan to vote on Nov 5th.
Visit our Voting Center! https://t.co/whKsU12zsI pic.twitter.com/cfgCVSBtGX
Es überrascht deshalb nicht, dass die Konservativen die spezielle Regelung in Nebraska kritisch sehen und regelmässig versuchen, diese Stimmenteilung, die den republikanischen Kandidaten schwächt, zu stoppen. Im April dieses Jahres versuchten Donald Trump und der konservative Aktivist Charlie Kirk mit allen Mitteln, die Gesetzgeber des Staates davon zu überzeugen, das System zu überdenken.
Der Gesetzesentwurf wurde von der Legislative von Nebraska, die nur aus einer Kammer besteht (ja, dieser Staat macht nichts wie die anderen), nicht angenommen. Die Trumpisten im Distrikt revanchierten sich, indem sie die blauen Punkte mit einem roten mit Trump-Frisur kopierten.
Things getting very Yellow Switch Palace in Omaha. 👀https://t.co/TafUh9XQvJ @ExpatLitJ @Darth__mall pic.twitter.com/sDUGCuNl3e
— A Good Man, and Thorough (@DFitzgerraldo) October 22, 2024
In den nächsten zwei Wochen wird Omaha somit viele Augen auf sich ziehen. Die Stadt, die 2008 «Obamaha» genannt wurde, ist in dieser Woche zwangsläufig zu «Kamaha» geworden. Doch reicht das auch wirklich aus, um den blauen Punkt Tatsache werden zu lassen?
Das machen sie immer wieder. Insbesondere das Abbauen von Wahllokalen in demokratischen Bezirken ist ein beliebtes Mittel.