Seinen schärfsten Konkurrenten hatte Donald Trump schon vor Monaten gewarnt. Sollte Floridas Gouverneur Ron DeSantis gegen ihn im parteiinternen Wettkampf um die Nominierung für die US-Präsidentschaftswahlen antreten, werde er «Dinge über ihn preisgeben, die nicht sehr schmeichelhaft sein werden», sagte Trump dem US-Fernsehsender Fox News im vergangenen November. Und er fügte hinzu: «Ich weiss mehr über ihn als jeder andere – abgesehen vielleicht von seiner Frau.»
Es war eine Drohung, die sich nicht nur an Ron DeSantis richtete. Jeder, der es wagen sollte, in der immer noch auf Trump eingeschworenen Partei gegen ihn anzutreten, sollte Bescheid wissen: Wer sich gegen ihn stellt, muss mit allem rechnen, auch mit der Zerstörung des eigenen Privatlebens.
Trotzdem trauen sich inzwischen immer mehr Konkurrenten aus der Deckung und kündigen an, für die Republikaner kandidieren zu wollen. Und Trump macht seine Drohungen wahr. Schon im jetzigen Stadium der Bewerbungsphase zielen seine Methoden auf die politische und persönliche Vernichtung seiner Gegner. Trumps Gemetzel hat begonnen.
Wie dünn das Eis ist, auf dem sich etwa Nikki Haley bewegt, zeigte ihr erster offizieller Wahlkampfauftritt in ihrem Heimatbundesstaat South Carolina. Trumps ehemalige Botschafterin bei den Vereinten Nationen wagt es und tritt gegen ihren einstigen Förderer an. Trumps Namen erwähnte Haley in ihrer ersten Rede in Charleston nur einmal, als sie darüber sprach, dass sie seine UN-Botschafterin war.
Haley versuchte sich, mit verschlüsselten Botschaften von Trump zu distanzieren. «Wir sind bereit, diese veralteten Ideen und verblassenden Namen der Vergangenheit hinter uns zu lassen und weiterzugehen», rief sie und jeder wusste, wer gemeint sein sollte. «Wir sind mehr als bereit für eine neue Generation.» Auftreten liess Haley ausserdem die Mutter des in Nordkorea ermordeten Otto Warmbier. Auch das wirkte wie indirekte Kritik an Trump, der Nordkoreas Diktator Kim Jong Un einst mit den Worten in Schutz nahm: «Er sagte mir, er habe nichts davon gewusst, und ich werde ihn beim Wort nehmen.»
Solche verdeckten Scharmützel sind eine Herausforderung. Haley muss sich einerseits klar genug gegen Trump positionieren und zugleich um den Applaus seiner Anhänger werben. Ob das ausreicht, ist fraglich. Laut einer aktuellen Umfrage von Morning Consult innerhalb der republikanischen Wählerschaft liegt die ehemalige Gouverneurin von South Carolina bei gerade mal drei Prozent. Die Umfrage führt an, mit 47 Prozent: Donald Trump.
Aber schon dieser zaghafte Versuch von Haley, sich abzusetzen, wird von Trump bestraft. Zwar gab sich der Ex-Präsident in einer ersten Reaktion milde. «Ich habe Nikki geraten, sie solle ihrem Herzen folgen», schrieb er in seinem sozialen Netzwerk «Truth». Dann fügte Trump spöttisch hinzu: «In Umfragen liegt sie bei einem Prozent. Kein schlechter Start!!!» Dann aber legte er nach und sagte, ein wichtiger Grund für Haleys einstige Nominierung zur UN-Botschafterin sei für ihn gewesen, sie als Gouverneurin von South Carolina abzuziehen. Er habe den Menschen dort einen Gefallen tun wollen.
Trumps Team fuhr zugleich ganz andere Geschütze auf. Kaum hatte Haley ihre Rede in Charleston beendet, versendete Trumps Wahlkampfteam eine Art Infopapier an die Presse und seine Unterstützer. Überschrieben ist es mit den Worten: «Die wahre Nikki Haley».
Darin wird Haley auf allen relevanten Politikfeldern angegriffen. Unter anderem lautet ein Vorwurf, sie würde ausgerechnet Trumps grösste Feindin Hillary Clinton zum Vorbild haben. Haley wolle ausserdem die Gesundheitsversorgung zusammenstreichen. Sie heize überdies den Krieg in der Ukraine an, weil sie Kampfjets fordere, statt sich für eine friedliche Lösung einzusetzen. Haley sei gegen den Bau von Trumps Mauer an der mexikanischen Grenze gewesen. Was ihre Kandidatur angehe, sei sie obendrein wankelmütig. Tatsächlich hatte Haley einst ausgeschlossen, anzutreten, sollte Trump sich für 2024 erneut bewerben.
Trumps Team scheint Haley als Konkurrentin zwar nicht allzu ernst zu nehmen, aber in der Ein-Mann-Partei geht es auch ums Prinzip. Diese Gegnerin so früh wie möglich und so hart wie möglich zu diskreditieren, ist gewissermassen alternativlos. Weiter muss man womöglich aber nicht gehen – wer weiss, vielleicht kann Trump sie ja noch als Vizepräsidentschaftskandidatin gebrauchen.
Viel weniger zimperlich geht Trump, wie angekündigt, mit seinem grössten Rivalen Ron DeSantis um. Dabei hat dieser seine Kandidatur noch gar nicht bekannt gegeben. Das könnte aber auch ein Zeichen dafür sein, wie sorgfältig Floridas Gouverneur die eigene Kampagne vorbereitet. Grund genug für Trump, bereits jetzt alle Register zu ziehen. Immerhin ist DeSantis ihm in Umfragen am dichtesten auf den Fersen.
Mit zynischen Kommentaren nährte Trump zuletzt Gerüchte, Ron DeSantis habe sich zu seiner Zeit als Geschichtslehrer an seine minderjährigen Schülerinnen herangemacht. Es gibt kaum einen Vorwurf, der schlimmer sein könnte. Trump verbreitete ein Foto, das den 23-jährigen DeSantis mit Schülerinnen zeigt, und versah es mit dem sarkastischen Kommentar: «Das ist nicht Ron, oder? So etwas würde er niemals tun!»
Trumps Warnschüsse werden aggressiver: Als «einen grossen Akt von Illoyalität», sehe er den Versuch von DeSantis' Kandidatur an, schob er hinterher. Immer wieder drischt er auf seinen potenziellen Rivalen ein, sogar einen neuen Spitznamen hat Trump für ihn parat. In Anspielung auf DeSantis' eher kompakte Figur spricht er von ihm als «Meatball-Ron», dem Fleischklops aus Florida.
Was Trump derweil von seinem ehemaligen Vizepräsidenten Mike Pence hält, versucht er schon lange nicht mehr zu verbergen. Er sieht ihn als Verräter und Schwächling an, seit Pence am 6. Januar 2021 bei der Auszählung der Stimmen für Joe Biden im Kongress kein Veto eingelegt hat.
Die Präsidentschaftskandidatur von Pence gilt als sicher. Sollte Trump wieder der Präsidentschaftskandidat für die Republikaner werden, dürfte darum eines aber ebenfalls als sicher gelten: Mike Pence wird auf keinen Fall mehr sein Stellvertreter.
Ein Kandidat, der nun ebenfalls gegen Trump antreten will, könnte statt Mike Pence und auch statt Nikki Haley infrage kommen. Wie sie stammt dieser aus South Carolina und bislang hat er einen entscheidenden Vorteil: Den Zorn von Trump hat er noch nicht auf sich gezogen. Sein Name ist Tim Scott. Er ist derzeit der einzige schwarze Senator in Washington, ein grosser Trump-Unterstützer und gilt bei den Republikanern schon lange als politisches Ausnahmetalent.
Über Scotts Kandidatur schweigt sich Trump derzeit noch aus. Angriffe gegen ihn sind nicht bekannt. Gut möglich, dass er ihn am Ende auswählen wird, sollte er sich erneut gegen eine Frau als Vizepräsidentschaftskandidatin entscheiden. Es würde ins Kalkül passen, mehr Stimmen bei schwarzen Wählern zu holen. Mit einem schwarzen Vizepräsidentschaftskandidaten könnte Trump zumindest die Rassismusvorwürfe abschwächen, die ihn stets begleiten.
Sperrt ihn endlich ein.