Bei einer Gedenkfeier auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof in Colleville hat US-Präsident Joe Biden zur Verteidigung der Demokratie aufgerufen. «Wir kennen die dunklen Mächte, gegen die diese Helden vor 80 Jahren gekämpft haben. Sie vergehen nie», sagte Biden am Donnerstag bei einer Zeremonie auf einem amerikanischen Militärfriedhof in Colleville-sur-Mer in Nordfrankreich. Demokratie sei nie garantiert, mahnte er. «Jede Generation muss sie erhalten, sie verteidigen und für sie kämpfen.»
Der US-Präsident beklagte, Aggressivität und Gier, der Wunsch, zu dominieren und zu kontrollieren und Grenzen gewaltvoll zu verschieben - all das gebe es auch heute. «Der Kampf zwischen Diktatur und Freiheit endet nicht. Hier in Europa sehen wir ein krasses Beispiel», sagte Biden mit Blick auf die von Russland angegriffene Ukraine. Er versicherte, man werde weiter zu der Ukraine stehen.
Biden erinnerte an den Einsatz der D-Day-Kämpfer von damals und mahnte: «In Erinnerung an die, die hier gekämpft haben, hier gestorben sind, wortwörtlich hier die Welt gerettet haben: Lasst uns ihrem Opfer würdig sein.» Er sagte, die Demokratie sei weltweit stärker gefährdet, als sie nach der Landung der Alliierten in der Normandie vor 80 Jahren jemals gewesen sei. Die Menschen müssten sich auch heute fragen, ob sie sich gegen Tyrannei und das Böse zur Wehr setzten und gemeinsam Freiheit und Demokratie verteidigten. «Meine Antwort ist Ja - und sie kann nur Ja sein.»
Biden betonte auch die Bedeutung von Bündnissen. «Was die Alliierten hier vor 80 Jahren getan haben, ging weit über das hinaus, was wir alleine hätten tun können.» Biden sagte: «Das war eine eindrucksvolle Illustration davon, wie Bündnisse, echte Bündnisse, uns stärker machen.» Er hoffe, dass Amerika dies nie vergessen werde.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron verbrachte einen Teil des Gedenktags mit Biden auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof in Colleville. Dort dankte er den am D-Day eingesetzten Soldaten. «Sie haben alles verlassen und alle Risiken für unsere Unabhängigkeit, für unsere Freiheit auf sich genommen. Das werden wir nicht vergessen», sagte Macron in Anwesenheit von rund 170 Veteranen. «Die freie Welt brauchte jeden von Ihnen und Sie sind gekommen», sagte der Präsident. «An unserer Seite haben Sie diesen Krieg geführt und wir haben ihn gewonnen.»
Macron zeichnete elf hochbetagte US-Veteranen für ihren damaligen Einsatz als Ritter der Ehrenlegion aus. Wenn eben möglich, standen die in Rollstühlen sitzenden Männer auf, um die hohe Auszeichnung entgegenzunehmen. «Sie sind hierher gekommen, also sind Sie für immer zu Hause, auf dem Boden Frankreichs, und wir vergessen nicht», sagte Macron. Auch Präsident Biden schüttelte den Veteranen die Hand.
Zuvor hatte Macron bei einer Zeremonie auf dem britischen Soldatenfriedhof in Ver-sur-Mer die hohe Auszeichnung ebenfalls an die britische Veteranin Christian Lamb verliehen, die massgeblich an der Planung der Landungsoperation an der nordfranzösischen Küste im Zweiten Weltkrieg beteiligt war. «Sie haben uns ein Beispiel gegeben, das wir nicht vergessen werden.» Frankreich werde die britischen Truppen, die am D-Day gelandet seien, sowie ihre Waffenbrüder nie vergessen. «Dieser Glaube an die Freiheit, den sie nie verloren haben, diese ständige Selbstlosigkeit und Aufopferung leiten uns und sind uns eine Pflicht.»
Der britische König Charles III. hat den Einsatz der alliierten Soldaten am D-Day gewürdigt. «Sehr viele von ihnen kamen nie nach Hause. Sie verloren ihr Leben an den Landungsstränden des D-Days und in den vielen folgenden Schlachten», sagte der 75-jährige Monarch bei einer Gedenkveranstaltung zum 80. Jahrestag im französischen Ver-sur-Mer am Donnerstag. Dafür werde den Gefallenen und allen, die damals dienten, mit tiefster Dankbarkeit gedacht, so der König.
«Freie Nationen müssen zusammenstehen, um sich der Tyrannei zu widersetzen», sagte Charles. Das sei die Lehre aus der Landung der Alliierten in der Normandie am 6. Juni 1944, mit der die Befreiung Westeuropas von den Nazis begann.
Der britische König, seine Frau Königin Camilla (76) und Thronfolger Prinz William (41) waren für den Jahrestag am Donnerstag nach Frankreich gereist. An der Zeremonie mit dem britischen Königspaar in Ver-sur-Mer nahmen auch der französische Staatspräsident Emmanuel Macron und der britische Premierminister Rishi Sunak (Konservative) teil.
William sprach bei einer Gedenkzeremonie für die kanadischen Soldaten. US-Präsident Joe Biden war für das Gedenken an die amerikanischen Soldaten angereist. Für Charles war es die erste offizielle Auslandsreise seit Bekanntwerden seiner Krebserkrankung im Februar.
Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hat den 6. Juni 1944 als «Tag der Befreiung» für Frankreich, viele andere besetzte Länder Europas, aber auch für Deutschland gewürdigt.
Das Datum markiere «den Anfang vom Ende des menschenverachtenden Systems des Nationalsozialismus, von dessen Rassenwahn und Militarismus, von Vernichtungswillen und imperialistischen Fantasien», schrieb Scholz in einem am Donnerstag veröffentlichten Beitrag für die französische Zeitung «Ouest France» anlässlich des 80. Jahrestags. Der Mut der Befreier habe Deutschland den Weg zu Demokratie und Freiheit, zu Wohlstand und Rechtsstaatlichkeit geebnet. «Ihr Mut eröffnete uns Deutschen die Chance auf einen Neuanfang.»
Scholz wurde am Donnerstag zu der zentralen Gedenkfeier am Landungsstrand Omaha Beach in der Normandie erwartet. «Dass ich heute als deutscher Bundeskanzler an den Gedenkfeierlichkeiten teilnehmen darf, ist alles andere als selbstverständlich», schrieb der Kanzler. «Es ist Ausdruck des geeinten Europas und zeigt die Beständigkeit unserer transatlantischen Partnerschaft.» Seine Teilnahme zeuge auch von der tiefen deutsch-französischen Verbundenheit, die in den Jahrzehnten nach Kriegsende immer weiter gewachsen sei.
Scholz schlug in seinem Beitrag auch den Bogen zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine. «Für Deutschland und unsere Partner und Alliierten ist klar: Der brutale russische Imperialismus darf keinen Erfolg haben. Und er wird keinen Erfolg haben, weil wir die Ukraine weiter in ihrem heldenhaften Abwehrkampf unterstützen, solange es nötig ist.» Ein wirtschaftlich, militärisch und gesellschaftlich starkes Europa, fest verankert im transatlantischen Bündnis, bilde die Grundlage, um Frieden und Freiheit auch in Zukunft zu bewahren, betonte Scholz. «Für dieses Europa zu arbeiten, das ist das Vermächtnis des 6. Juni 1944.»
Vor 80 Jahren, am 6. Juni 1944, waren die Soldaten der Alliierten an den Stränden der Normandie gelandet. Der D-Day markierte den Auftakt der Befreiung Frankreichs und Westeuropas von der Nazi-Herrschaft («Operation Overlord»). Zur Streitmacht der Alliierten gehörten damals vor allem US-Amerikaner, Briten, Kanadier, Polen und Franzosen.