Am Freitag griff Sulaiman A. in Mannheim den Islam-Gegner Michael Stürzenberger mit einem Messer an. Stürzenberger, Vorstandsmitglied der islamkritischen Bewegung Pax Europa, wurde dabei schwer verletzt, ebenso wie weitere Unterstützer. Kurz darauf tötete der Angreifer einen herbeigeeilten Polizisten.
Der Angriff sorgte deutschlandweit für Bestürzung. Und löst heftige Diskussionen über den Umgang mit islamistischem Terror aus. Der Deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz hatte nach dem tödlichen Messerangriff ein striktes Vorgehen gegen Extremisten angekündigt.
Aber die Diskussionen gehen weit über den Umgang mit dem Terror hinaus – auch die deutsche Asylpolitik soll überdacht werden.
Grund: Die Sicherheitsbehörden hatten den Attentäter von Mannheim zwar nicht auf dem Radar, theoretisch hätte dieser aber bereits abgeschoben werden sollen. Er stammt offenbar aus Afghanistan, sein Asylantrag wurde abgelehnt.
Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur kam er 2013 als Jugendlicher nach Deutschland und stellte dort einen Asylantrag, der 2014 abgelehnt wurde. Dennoch verhängten die Behörden ein Abschiebeverbot, möglicherweise wegen der unsicheren Lage in Afghanistan und seines jungen Alters.
Bundeskanzler Scholz, der der SPD angehört, will die Abschiebung von Schwerstkriminellen nach Afghanistan und Syrien wieder ermöglichen. Er hielt im Bundestag fest, dass das Innenministerium an der Umsetzung arbeite. Brisant: Solche Forderungen kannte man lange nur von rechten Politikern.
watson hat mit dem Extremismusexperten Dirk Baier über das Attentat in Mannheim und die Reaktionen darauf gesprochen. Er schätzt ein:
Das Beispiel des Mannheimer Extremisten zeigt das laut Baier gut: Der Attentäter sei bislang unauffällig gewesen. Er habe sich möglicherweise in den sozialen Medien problematische, radikalisierende Inhalte angesehen. Das alles hätte aber nicht gereicht, um eine Abschiebung zu legitimieren. «Menschen, die als Flüchtlinge hier leben, haben Schutzrechte, die nicht einfach aufgehoben werden können wegen kleinerer Verfehlungen», so Baier.
Nach dem Begehen schwerer Straftaten und einer Verurteilung könne eine Abschiebung legitim sein, so wie das die Schweiz auch praktiziert. Aber das passiere erst nach der Tat – und ob der Täter nach Verbüssung seiner Haftstrafe überhaupt rückfällig wird, wisse man nicht, so Baier.
Die Hoffnung, dass rigorose Abschiebungen abschrecken sollen, funktioniere bekanntermassen nicht: «Harte Strafen haben entsprechend der kriminologischen Forschung keine abschreckende Wirkung.»
Baier erklärt: Wirklich hilfreiche Massnahmen zur Verhinderung von Gewalt seien andere, teurere Massnahmen. So brauche es eine mit ausreichend Ressourcen ausgestattete Polizei, die Radikalisierungsphänomene in den sozialen Medien besser verfolgen könne. Flächendeckende Gewaltprävention in den Schulen, was unter anderem heisst, die Schulsozialarbeit und Schulpsychologie zu stärken, sei ebenfalls nötig. Und zuletzt würden auch gute Bildungs- und Ausbildungsangebote für alle Bevölkerungsgruppen der Radikalisierung entgegenwirken.
Baier ergänzt: «Auch dies scheint mir wichtig, zu betonen: Diese teureren, längerfristigen Massnahmen können nie ganz verhindern, dass einzelne Menschen derart radikalisiert werden, dass sie eine Gewalttat begehen. Absolute Sicherheit gibt es nicht.»
In der Schweiz ist nach dem Attentat in Mannheim ebenfalls die Debatte über den korrekten Umgang mit terroristischen Akten und islamistischer Radikalisierung erneut entflammt. Auch hierzulande ist das Thema emotional aufgeladen: Nicht lange ist es her, als ein 15-jähriger Schweizer einen 50-jährigen orthodoxen jüdischen Mann im Zürcher Kreis 2 mit einem Messer attackiert hatte. Der Angriff in Zürich im März war ebenfalls mutmasslich islamistisch motiviert.
Der SP-Co-Präsident Cédric Wermuth kritisiert das Attentat in Mannheim auf der Plattform X scharf. Er schreibt, dass man die rechtsextreme Gewalt bekämpfen müsse – egal ob sie islamistisch motiviert sei oder faschistisch.
Der Mord an einem 29jährigen Polizisten in D. zeigt, dass wir rechtsextreme Gewalt entschieden bekämpfen müssen. Ganz gleich ob sie im Gewand des Islamismus oder des abendländischen Faschismus daher kommt. Es ist dieselbe Ideologie: Verachtung für Demokratie und Menschenrechte.
— Cédric Wermuth (er/ihm) (@cedricwermuth) June 4, 2024
Unter Wermuths Post entbrannte eine heftige Diskussion. Allen voran kommentierte der SVP-Nationalrat und Hardliner Andreas Glarner: «Ach so, der Täter ist wohl ein rechtsextremer Islamist … Die ungehinderte, unkontrollierte Zuwanderungspolitik der Linken und Netten ist doch der Grund für solch abscheuliche Taten!»
Wer sich hier widerrechtlich aufhält und nebenbei noch strafrechtlich auffällt, sollte einfach abgeschoben werden. Ich sehe keinen Grund, warum auf Steuerzahlers Kosten die Person dann durchgefüttert werden soll und absolut gar nichts dem Gastland zurückgibt.
Was soll man sonst machen?
Was sicher ist, dass wir eine andere Schiene fahren müssen.
Der Kurs der jetzt gefahren wird ist den Extremisten gegenüber schon fast selbstmörderisch.
Wir müssen abschreckende Instrumente haben!