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«SRM» – die gefährliche Hoffnungsträgerin im Kampf gegen die Klimakrise

«SRM» – die gefährliche Hoffnungsträgerin im Kampf gegen die Klimakrise

Das Weltklima kann durch bestimmte technische Massnahmen verändert werden. Gleich zwei unabhängige Gruppen forderten am Montag eine verstärkte Forschung in diesem Bereich – warnten aber gleichzeitig vor gefährlichen Tücken.
01.03.2023, 05:0802.03.2023, 07:27
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«Täuschen Sie sich nicht: Es gibt keine schnellen Lösungen für die Klimakrise.»
Inge Anders, Geschäftsführerin von UNEP, warnt vor den Methoden der SRM.
Inge Anders warnt vor Abkürzungen im Kampf gegen die Klimakrise.Bild: pd

Diese Worte stammen von der Geschäftsführerin des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (UNEP), Inge Anders. Stehen tun sie in der Einleitung eines Berichts zu einer spekulativen, potenziell klimarettenden Technologie: der Solar Radiation Modification (SRM). Die Methode, bei der die Sonneneinstrahlung modifiziert wird, gilt schon seit Jahren als Hoffnungsträgerin im Kampf gegen die Klimaerwärmung.

Aber so einfach ist es eben nicht, wie Anders gleich in ihrem Vorwort des Berichtes, der am Montag erschienen ist, klarstellt. Noch ist die Forschung zu unausgereift, um zum Einsatz zu kommen. Gleichzeitig drängt die Zeit: Der Klimawandel hat in den vergangenen Jahren bereits mehrfach seine zerstörerische Macht unter Beweis gestellt.

Um diesem Einhalt zu gebieten, wurde 2015 in Paris ein wegweisendes Klimaabkommen unterzeichnet. Dieses sah vor, die globale Erwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Niveau «deutlich unter» 2 Grad Celsius und idealerweise unter 1,5 Grad zu halten.

Auch wenn das Abkommen als bahnbrechend galt, hapert es bei der Umsetzung gewaltig. Die Welt scheint nach wie vor ungehindert in die Klimaerwärmung zu schlittern. Einige Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zweifeln bereits an der Erreichbarkeit des Ziels. In einem offenen Brief, der am Montag veröffentlicht wurde, schreiben sie:

«Selbst bei aggressiven Massnahmen zur Verringerung der Treibhausgasemissionen wird es immer unwahrscheinlicher, dass die Erwärmung des Klimas in naher Zukunft unter 1,5–2 °C bleibt.»

Die 70 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die den Brief unterzeichnet haben, schlagen deshalb wie das UNEP vor, die Forschung rund um die Solar Radiation Modification (SRM) voranzutreiben.

Geoengineering als Notlösung

Bei der SRM handelt es sich um sogenanntes Geoengineering. So werden diejenigen Massnahmen bezeichnet, die zum Ziel haben, die globale Erwärmung abzubremsen. Dafür greifen sie gezielt in bestimmte Kreisläufe ein, die das Weltklima beeinflussen. Bei der SRM ist das die Sonnenstrahlung.

Vorteile und Gefahren eines Sonnenschilds:

Das globale Klima wird dadurch bestimmt, wie viel Sonnenstrahlung von der Erde absorbiert und wie viel in den Weltraum zurückreflektiert wird. Eine Reduktion der Sonnenstrahlung – und damit der globalen Temperaturen – kann auf verschiedene Weise erreicht werden. So etwa durch die Aufhellung von Wolken, durch die Anbringung von Spiegeln oder Sonnenschirmen im Weltall oder durch die Einbringung von Aerosolen in die Stratosphäre. Bei all diesen Methoden soll die Sonnenstrahlung mehr ins All reflektiert und damit von der Erde abgelenkt werden.

Der Erfolg scheint insbesondere bei der Einbringung von Aerosolen in die Stratosphäre garantiert. Bewiesen hat das der Ausbruch des Vulkans Pinatubo auf den Philippinen 1991. Die durch den Ausbruch in die Stratosphäre geschleuderten Schwefelpartikel reflektierten das Sonnenlicht so stark, dass die weltweite Durchschnittstemperatur um 0,5 Grad sank. Es dauerte drei Jahre, bis die Durchschnittstemperatur wieder auf das vorige Niveau zurückgeklettert war.

Illustration des am meisten untersuchten und vielleicht auch durchführbarsten SRM-Ansatzes, der stratosphärischen Aerosolinjektion
Illustration des am meisten untersuchten und vielleicht auch am besten durchführbaren SRM-Ansatzes, der stratosphärischen Aerosolinjektion.Bild: UNEP

Als weiteres Beispiel für reflektierende Partikel führen die Forschenden hinter dem offenen Brief die Luftverschmutzung an. Sie erklären:

«Aerosole [durch Luftverschmutzung] kühlen das Klima ab, indem sie das Sonnenlicht streuen und, wenn sie sich in Wolken mischen, das Reflexionsvermögen und die Lebensdauer der Wolken erhöhen. Durch diese Mechanismen gleichen Aerosole aus menschlichen Aktivitäten derzeit schätzungsweise etwa ein Drittel der Klimaerwärmung durch Treibhausgase aus.»

Dass die Luftverschmutzung zu einer Abkühlung des Klimas beiträgt, ist doppelt schlecht. Während sie für unsere Gesundheit schädlich ist, verzögert sie die Klimaerwärmung bloss. Denn mit den stetig strenger werdenden Vorschriften zur Reduktion von Abgasen und Emissionen wird die Luft in Zukunft reiner werden. Damit werde in den kommenden Jahrzehnten rasch ein erheblicher, aber sehr ungewisser Anteil der Klimaerwärmung entlarvt werden, heisst es im Brief weiter.

Sollte die Klimaerwärmung in Zukunft aus dem Ruder laufen, müssten Notfallmassnahmen bereitstehen, sind sich die Expertinnen und Experten der UNEP und hinter dem offenen Brief einig.

Lauernde Gefahren

An diesem Punkt kommt nun wieder die SRM wieder ins Spiel. Beide Gruppen wissen, dass bereits intensiv an SRM-Methoden geforscht wird. Sie wissen auch, dass ein SRM-Einsatz innerhalb eines Jahres Wirkung zeigen könnte. Ergebnisse aus Klimamodellen deuteten laut der UNEP darauf hin, dass SRM diverse Gefahren des Klimawandels in den meisten Regionen verringern könnte. Dies – im Vergleich zu Klimaschäden – zu tiefen Kosten: Für 20 Milliarden im Jahr könnte die globale Temperatur um 1 Grad Celsius reduziert werden.

Darin sieht die UNEP eine Gefahr: Für viele Länder und Organisationen lägen diese Kosten im Bereich des Möglichen, was zu unkontrollierten Experimenten und Einsätzen führen könnte. Die UNEP fordert deshalb eine geregelte internationale Zusammenarbeit.

An diesem Punkt ergibt sich aber bereits das nächste Problem, wie die UNEP schreibt:

«Man kann davon ausgehen, dass es in der breiteren Gemeinschaft niemals einen universellen Konsens über den Einsatz von SRM geben wird, was bedeutet, dass Gemeinschaften, Nationen und Gesellschaften, die gegen den Einsatz von SRM sind, dessen Auswirkungen gegen ihren Willen ausgesetzt wären, was ethische und rechtliche Bedenken aufwirft.»

Die positiven Auswirkungen von SRM sind bis zu einem gewissen Grad zwar kalkulierbar, die Unsicherheiten sind es hingegen noch nicht. SRM dürfte bloss als eine temporäre, unterstützende Massnahme eingesetzt werden. Eine Lösung gegen den Klimawandel ist sie nämlich nicht. Denn: Auf schädliche Emissionen hat sie keinen Einfluss. Werden diese Ausstösse nicht reduziert, kann das gefährlich werden. Die UNEP erklärt:

«Wenn die atmosphärischen CO₂-Konzentrationen weiter ansteigen und eine SRM-Massnahme zum Ausgleich der Erwärmung eingesetzt wird, könnten die Unsicherheiten und das damit verbundene Risiko mit dem Umfang und der Dauer des SRM-Einsatzes zunehmen.»

So könnten Auswirkungen, die nicht durch SRM kompensiert werden können, verstärkt werden. Ein plötzlicher Stopp eines grossen SRM-Einsatzes – etwa durch einen technischen Fehler – könnte dadurch verheerende Folgen haben. Die Erde wäre mit einem Schlag wieder allen schädlichen Faktoren ausgesetzt, die die SRM zuvor zu vermindern versuchte. So würde etwa die Temperatur innert kürzester Zeit wieder ansteigen, was für die gesamte Umwelt einem Schock gleichkäme.

Auch wenn die Möglichkeiten von SRM vielversprechend klingen, bleibt Inger Anders von der UNEP daher vorsichtig:

«Wir haben nur eine Atmosphäre. Wir können nicht riskieren, sie durch eine schlecht verstandene Abkürzung weiter zu beschädigen, um den Schaden zu beheben, den wir bereits verursacht haben.»

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hinter dem offenen Brief schlagen in dieselbe Kerbe. Sie fordern die Erforschung von SRM. Allerdings nur unter klaren Bedingungen:

«Auch wenn wir die Erforschung von SRM-Ansätzen uneingeschränkt unterstützen, bedeutet dies nicht, dass wir den Einsatz von SRM befürworten.»

Für die Forschenden steht fest: Die nachhaltigste Lösung im Kampf gegen die Klimaerwärmung bleibt noch immer die Reduktion von schädlichen Emissionen.

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102 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Meister Lampe
01.03.2023 05:39registriert Juli 2021
Mein Vorschlag: Abschied von Konsum/Wohlstand und permanenten Wirtschaftswachstum. Kreislaufwirtschaft und faire Verteilung von Ressourcen und zwar nur von dessen was unsere Grundbedürfnisse deckt. Wir wären wahrscheinlich nicht unglücklicher und hätten auch andere Probleme welche der Wachstumskapitalismus generiert, gelöst. Aber vermutlich ist das so unrealistisch wie ein Sonnenschirm im All.
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Medical Device
01.03.2023 05:55registriert Januar 2021
Global dimming durch die Luftverschmutzung über asiatischen Mega Städten ist bekannt. Die Reduktion von CO2 hat oberste Prio. Zumindest forschen sollte man an anderen Konzepten auch dürfen. Ich glaube nicht dass wir als Gesellschaft die Ziele der Reduktion erreichen. Bspw. Indien will 2070 CO2 neutral sein. Haben wir die Zeit? Geoengineering heisst nicht nur SRM. Auch CO2 speichern, oder Aufforsten mit Bambus fällt darunter. Und Geoengineering gab es schon mehrmals. Die Erwärmung ist auch geoeng.. Wir müssen an allem forschen was uns derein helfen könnte. Das eine tun, das andere nicht lassen.
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maylander
01.03.2023 06:46registriert September 2018
In einigen Jahren wird man keine Wahl mehr haben. Besser jetzt erforschen und es dann wenigstens richtig machen.
Zudem gibt es ja auch noch grünes Geoenginerring so die grüne Mauer in China und wiederaufforstung in Afrika. Solche Massnahmen sollten international unterstützt werden damit Entwicklungsländern sich daran beteiligen können. Und grosse Agrar Staaten wie USA, Canada und Brasilien müssten auch dringend über die Bücher und renaturieren respektive aufforsten.
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