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Ski: Marco Odermatt ist nicht das Problem – Kommentar zur Klima-Debatte

Marco Odermatt of Switzerland reacts in the finish area during the first run of the men's giant slalom race at the 2023 FIS Alpine Skiing World Championships in Courchevel/Meribel, France, Friday ...
Steht wegen seiner Aussagen zum Klimaschutz in der Kritik: Marco Odermatt.Bild: keystone
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Odermatt ist nicht das Problem – er hat keine andere Wahl, als ein Klimasünder zu sein

Nach seinen Aussagen zur Klimadebatte im Ski-Weltcup sieht sich Marco Odermatt Kritik von unterschiedlichen Seiten ausgesetzt. Dabei ist er nicht das Problem, dieses liegt im Grössenwahn und der Geldgier der Sport-Verantwortlichen.
21.02.2023, 13:2122.02.2023, 06:49

Plötzlich hagelt es Kritik. An Marco Odermatt, dem neuen Superstar der Ski-Welt. Dem Schweizer Seriensieger, der nach seinem Triumph in der WM-Abfahrt in einer Après-Ski-Hütte Party machte, angesäuselt im SRF-Studio erschien und dafür gefeiert wurde. Der Doppelweltmeister und Liebling der Massen, der in der «SonntagsZeitung» als «Federer zum Anfassen» bezeichnet wurde, sieht sich erstmals öffentlichen Vorwürfen ausgesetzt.

Es sei unausweichlich, dass er manchmal mit dem Privatjet oder einem Helikopter zu Rennen oder Trainings reise, sagte der 25-Jährige in einem Interview mit CH Media. Aus diesem Grund wollte er seinen Namen nicht unter den offenen Brief an die FIS mit Forderungen nach mehr Klimaschutz setzen, den rund 140 Athletinnen und Athleten unterschrieben haben. «Ich kann den Forderungen nicht zu 100 Prozent gerecht werden», begründete Odermatt seinen Entscheid. Dann fügte er an, dass der Kalender so gut wie möglich geplant werden solle, aber dass nun ein zweites Mal in dieser Saison Rennen in den USA stattfänden, «sehe ich nicht als überaus tragisch».

Lange liess die Kritik nicht auf sich warten. Einige zeigten sich enttäuscht vom WM-Helden und fanden, dass Odermatt damit einiges an Sympathie eingebüsst hat. Nathan Solothurnmann von Greenpeace sagt: «Marco Odermatt scheint den Ernst der Lage noch nicht ganz begriffen zu haben.»

Aber ist Odermatt nun tatsächlich der Übeltäter? Ist es so falsch, was er sagt? Ohne Zweifel wirken seine Kommentare zur Klimadebatte unglücklich und unüberlegt. Besonders für seine Kritik an Mikaela Shiffrin, welcher er indirekt Heuchelei vorwarf, hätte er lieber vorsichtigere Worte gewählt. «Ich verstehe nur bedingt, dass Shiffrin den offenen Brief unterschrieben hat», sagte Odermatt. Die 27-Jährige sei durch ihre Heimat in den USA schliesslich dazu gezwungen, etwas mehr zu fliegen. Aber wie so häufig lohnt es sich, vor dem Losschimpfen kurz durchzuatmen und den ganzen Kontext zu betrachten.

epa10475734 Silver medalist Mikaela Shiffrin of the United States celebrates with all the medals during the medals ceremony of the women's slalom race at the 2023 FIS Alpine Skiing World Champion ...
Mikaela Shiffrin gewann an der WM einmal Gold und zweimal Silber.Bild: keystone

Odermatt hat nämlich recht, wenn er sagt: «Wenn ich am Sonntag in Kranjska Gora einen Riesenslalom fahre und dann am Montag in Andorra ein Abfahrtstraining ansteht, muss man mit einem Privatjet reisen, das geht einfach nicht anders.» Dies wird im März der Fall sein, wenn Odermatt am Wochenende in seiner Paradedisziplin in Slowenien zweimal im Einsatz steht, bevor es nach Soldeu zum Weltcup-Finale geht. Die Abfahrtstrainings sind obligatorisch, um am Rennen teilnehmen zu können. Eine Fahrt mit dem Auto würde fast 16 Stunden dauern. Natürlich könnte er auch einfach im 2. Training vom Dienstag eine Probefahrt absolvieren, aber was, wenn das Wetter nicht mitspielt und das Dienstagstraining abgesagt wird? Dann dürfte er in einem womöglich entscheidenden Rennen nicht starten.

Athleten wie Odermatt und Shiffrin haben keine andere Wahl, als Klimasünderinnen zu sein.

Athleten wie Odermatt oder auch Shiffrin, welche in mehreren Disziplinen am Start sind, haben deshalb keine andere Wahl, als zu Klimasünderinnen zu werden. So muss festgehalten werden, dass das Problem nicht bei Odermatt und Co. liegt. Es macht also keinen Sinn, die Ski-Stars zu verteufeln. Vielmehr muss eine Ebene über ihnen angesetzt werden.

Der Weltcup-Kalender wird immer dichter. FIS-Präsident Johan Eliasch kündigte an, künftig mehr Rennen in den USA, Asien und Südamerika fahren zu wollen. Wie das damit zusammengeht, dass der Ski-Weltverband den CO₂-Fussabdruck reduzieren will, wurde der britisch-schwedische Unternehmer gefragt. Eliasch sieht den Gegensatz, wie er sagte, jedoch ist die Lösung für ihn, dass der Mensch durch Sport trainierter und gesünder werde und sich dadurch auch gesünder ernähre. «Gerade die gesunde Ernährung hat eine immense Auswirkung auf unseren globalen CO₂-Fussabdruck.»

ARCHIV - Johan Eliasch, President of the International Ski Federation (FIS), looks on in the finish area, as the race start is lowered due to strong wind conditions, before the women's Super-G ra ...
FIS-Präsident Johan Eliasch.Bild: keystone

So klingt ein Mann, der den Ernst der Lage nicht verstanden hat, was Greenpeace-Vertreter Solothurnmann eben Odermatt vorwirft. Eliaschs Vorbild scheint dabei die Formel 1 zu sein. Die Königsdisziplin des Motorsports hat in diesem Jahr so viele Rennen im Kalender wie noch nie, der Reiseplan ist an Absurdität kaum zu überbieten. Mehrmals wird während der Saison von Kontinent zu Kontinent gereist, nur um wenig später wieder auf den vorherigen Kontinent zurückzufliegen. Effizienz in der Reiseplanung? Fehlanzeige.

Odermatt hätte sich dem Schreiben einfach anschliessen können. Doch er wusste, dass er in dieser Hinsicht selbst kein Vorbild ist.

Es geht nicht mehr (nur) um höher, schneller, weiter, sondern vor allem darum, den Sport grösser zu machen, mehr Events durchzuführen und letzten Endes mehr Geld einzunehmen.

Im Ski-Zirkus wird nun aber gefordert, dass die Emissionen deutlich reduziert werden und bis 2035 alle FIS-Anlässe klimaneutral sein sollen. Der entsprechende Brief vom österreichischen Skifahrer Julian Schütter wurde unter anderem von eben Shiffrin, Aleksander Kilde oder auch Daniel Yule unterzeichnet.

Odermatt hätte sich diesem Schreiben einfach anschliessen und die aktuelle Debatte damit verhindern können. Er entschied sich dagegen, weil er weiss, dass er in dieser Hinsicht kein Vorbild ist. Es ist eigentlich nur ehrlich, wenn er sich in dieser Debatte deshalb zurücknimmt. Selbstverständlich ist es wünschenswert, dass sich Sportlerinnen und Sportler für gesellschaftsrelevante Themen einsetzen, aber niemand soll dazu gezwungen werden, wenn er oder sie nicht mit gutem Gewissen dahinterstehen kann.

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158 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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oettli
21.02.2023 13:38registriert Februar 2020
Ich widerspreche. Wenn man jemandem das Recht oder die Notwendigkeit abspricht, auf Misstände aufmerksam zu machen, nur weil diese selbst Teil des Problems ist, dann darf niemand mehr irgendwas sagen.
Das ist genau das grundlegende Problem der Klimadebatte. Jeder, der sich Sorgen um das Klima macht und dies kund tut wird sogleich von überall her als Heuchler abgetan, weil er ja "selbst ein Handy hat" oder "auch schon mal in die Ferien geflogen ist".
Das ist ein Totschlagargument, welches ständig und von jedermann genutzt wird, damit man eine bequeme Ausrede hat, selbst nichts tun zu müssen.
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wasps
21.02.2023 13:46registriert Januar 2022
Das behauptet ja auch niemand, dass er eine Wahl hätte. Die Athleten, die den Brief unterzeichnet haben, haben auch keine Wahl. Daher üben sie mit dem Brief Druck auf die FIS aus, schlauer zu planen. Und das er hier nicht mitmacht bzw. kritisiert, spricht Bände. Problem wirklich nicht erkannt.
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Resche G
21.02.2023 13:57registriert Februar 2016
Nur wenige haben den Ernst der Lage erkannt. Jede Branche und jeder Verband hat immer einen Grund wieso Ihre Emissionen und Flüge notwendiger sind als andere💁

CO2 neutraler Skiweltcup 2030 ist eine weitere Illusion auf dem
Weg zum Klimakollaps.
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