Die Ukraine hat die russische Schwarzmeerflotte zwar nicht militärisch geschlagen, aber offenbar aus ihrem Hauptsitz vertrieben. Satellitenbilder sollen zeigen, dass viele Kriegsschiffe aus Sewastopol auf der Krim Richtung Osten nach Noworossijsk verlagert wurden. Das berichtet das «Wall Street Journal». Zuvor hatte bereits der britische Verteidigungs-Staatssekretär James Heappey auf einer Sicherheitskonferenz in Warschau davon gesprochen, dass die russische Flotte «funktional geschlagen» sei.
Das «Wall Street Journal» beruft sich auf Mikhail Barabanow, einen Analysten eines in Moskau ansässigen Think-Tanks, der die Satellitenbilder untersucht hat. Demnach seien alle drei im Krimhafen stationierten U-Boote, zwei Fregatten und ein Patrouillenboot nach Noworossijsk gebracht worden. Dort befindet sich ein weiterer Stützpunkt der Schwarzmeerflotte. Die Stadt liegt in der Region Krasnodar und ausserhalb der Reichweite ukrainischer Raketen.
Ausserdem seien Landungsboote und kleinere Raketenboote sowie Minenräumboote nach Feodossija gebracht worden, dessen Hafen sich weiter im Osten der Halbinsel Krim befindet.
Die Verlegung kommt nach mehreren Angriffen auf die Krim, unter anderem auf das Gebäude des Hauptquartiers der Flotte sowie auf mehrere Schiffe. Dabei wurden auch ein U-Boot und ein Landungsboot getroffen, die sich in einem Dock befanden. Es wird vermutet, dass dabei englische und französische Mittelstreckenraketen zum Einsatz kamen. Diese reichen aber nicht bis nach Noworossijsk. Allerdings hatte es dort bereits einen Angriff ukrainischer Seedrohnen gegeben.
Yoruk Isik, ein Marineexperte und Leiter des Beratungsunternehmens Bosphorus Observer, sagte der US-Zeitung, dass die Satellitenbilder Netze und Lastkähne am Eingang der Werft in Feodossija zeigten – offenbar Sicherheitsmassnahmen der russischen Marine. «Sie haben einige Sicherheitsbedenken, dass die Ukraine hier eine erfolgreiche Marineoperation durchführen kann», sagte Isik, der auch bestätigte, dass die Bilder zeigten, dass die russischen Kriegsschiffe von Sewastopol zu den anderen Häfen verlegt worden seien.
Nach mehreren Attacken aus der Luft und mit Seedrohnen hatte die Ukraine nach eigenen Angaben vor einer Woche auch Truppen auf der Halbinsel landen lassen. Diese seien aber nach einem Feuergefecht mit russischen Soldaten wieder abgezogen, es habe Verluste gegeben, sagte Andrij Yusow, ein Sprecher des ukrainischen Geheimdienstes.
Der Druck auf die Schwarzmeerflotte hat mehrere Gründe. Zum einen hatte Russland gedroht, Getreideschiffe aus Odessa zu blockieren. Es folgten Angriffe auf Hafenanlagen. Durch die ukrainischen Aktivitäten sind die Möglichkeiten Russlands, seine Schiffe frei zwischen der Krim und der ukrainischen Küste zu navigieren, eingeschränkt.
Eine Sprecherin des ukrainischen Militärs sagte am Mittwoch, die Ukraine habe die Frontlinie im Schwarzen Meer um mindestens 100 Seemeilen von der ukrainischen Küste zurückgedrängt. Russische Schiffe fahren nicht mehr über Kap Tarchankut am westlichen Ende der Halbinsel Krim hinaus, sagte Natalia Humeniuk, eine Sprecherin der südlichen Verteidigungskräfte der Ukraine. Damit kann die Ukraine auch wirtschaftlich aufholen.
Zwölf weitere Frachter sind nach Angaben der ukrainischen Marine bereit, den Schiffskorridor im Schwarzen Meer zu nutzten und in ukrainische Häfen einzulaufen. Zudem könnten zehn Frachter die Ukraine wieder verlassen, teilt Marinesprecher Dmytro Pientschuk mit.
Im August hatte die Ukraine einen sogenannten humanitären Korridor im Schwarzen Meer angekündigt, über den die seit Kriegsbeginn im Februar 2022 festsitzenden Frachtschiffe ukrainische Häfen verlassen sollen. Inzwischen sind auch mehrere Schiffe in die Häfen eingelaufen und haben sie mit Getreide, anderen landwirtschaftlichen Gütern oder Eisenerz wieder verlassen.
Zum anderen sind Schläge gegen die russischen Besatzer auf der 2014 von Moskau annektierten Halbinsel auch ein Instrument der psychologischen Kriegsführung. Kiew hat immer wieder betont, dass die Krim Teil der Ukraine ist und zurückerobert werden soll. Der russische Präsident Wladimir Putin hatte sich für die Besetzung einst gross feiern lassen. Dass seine Flotte sich jetzt zurückziehen muss, dürfte ein Rückschlag für ihn sein.
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