Natürlich nervt mich Sandro sehr regelmässig. Oft weiss er alles am besten. Besser als Wissenschaftler:innen, Ärzt:innen, Fachpersonen aus allen Bereichen halt. Sandro ist Mansplaining-King.
Ausserdem lässt er wirklich alles liegen. Bei ihm daheim ist mir das egal. Bei mir nicht.
All das ist im Alltag aber gut handlebar. Wir pöbeln uns rasch an, sind kurz genervt und beruhigen uns wieder. Dass es so gut wie nie zum grossen Streit kommt, liegt dabei primär an mir. Ich bin wahnsinnig harmoniesüchtig.
Schon mehrmals waren unsere Diskrepanzen kurz davor, zum Tsunami zu werden. Explodiert ist es aber nie. Bis letzte Woche. Da hat mich der Gute so hässig gemacht, dass sich meine Harmoniesucht mal schnell ins Nirwana verabschiedete.
Sandro hat einen mir wichtigen Termin verpennt. Nicht im übertragenen Sinn. Er hat wirklich verschlafen. Meine zig Anrufe hat er nicht gehört. Der Grund ist simpel: Er hat am Vorabend schlichtweg zu viel gesoffen. Er war so blau, dass er den Wecker statt auf 8 einfach auf irgendwann gestellt hat. Wenn er ihn denn wirklich gestellt hat.
Das ist auch gar nicht wichtig. Auch dass er am Vorabend versackte, wäre mir eigentlich egal. Wäre er am nächsten Tag da gewesen. Ich hätte vielleicht gefunden, dass er etwas stinkt und sein Kater etwas nervig ist, ich hätte aber kein Drama gemacht. Wirklich nicht.
So aber habe ich eines gemacht.
Ein grosses.
Sandro und ich hatten abgemacht, dass wir uns um 9 Uhr bei seinem Auto treffen. Um 9.10 Uhr rief ich zum ersten Mal an. Um 9.40 Uhr stand ich vor seiner Türe und klingelte Sturm. Um 10.30 Uhr rief ich zum letzten Mal an. Meine Gefühle waren ambivalent. Einerseits hatte ich Schiss, dass er irgendwo tot im Strassengraben liegt. Anderseits wusste ich, dass er einfach so tief pennt, dass er nichts hört.
Der wichtige Termin war um 13 Uhr fertig.
Um 11.50 Uhr rief mich Sandro zum ersten Mal an.
Um 12 Uhr hatte ich 9 Anrufe in Abwesenheit.
Um 12.30 Uhr weiss Gott wie viele «Scheisse, Ems, es tut mir soooo leid!»-Nachrichten.
Ich hab keine Nachricht und keinen Anruf beantwortet.
Auf dem Heimweg hoffe ich ein bisschen, dass er als heulendes Elend vor meinem Haus steht, sich 986 Millionen Mal entschuldigt, während er mir alle Blumen dieser Stadt vors Gesicht hält.
Sandro ist aber nicht da.
Und Sandro kommt auch nicht.
Um 16 Uhr ruft er nochmals an.
Dann wieder WhatsApp: «Der Kater fesselt mich ans Bett. Magst du später zu mir ins Bett kriechen?»
WTF!
WTF?
Jetzt rufe ich an. Er geht mit zuckersüsser Stimme ran. «Wie hässig bist du?», fragt er.
«Hardcore», sage ich.
Dann hole ich zur sehr grossen Hasstirade aus. Er lässt's über sich ergehen. Eine Weile. Dann stimmt er mit ein. Und erklärt mir, dass ich «masslos übertreibe». Was mich noch viel wütender macht.
Irgendwann lege ich auf. Ohne Tschüss zu sagen.
Dann passiert …. nichts.
Auch am nächsten Tag nicht.
Am übernächsten schreibt er: «Ich habe eine Friedenstüte für uns geraucht.»
Ich muss kurz lachen, bevor ich mich wieder auf meine Wut konzentriere.
Das ist jetzt zwei Tage her. Ich habe nicht geantwortet. Ich weiss ehrlich gesagt auch heute nicht, wie wir aus dieser Nummer rauskommen.
(@Sandro: Hier hörst du auf zu lesen. Du Trottel.)
Ob ich ihn vermisse? Sehr!
Ob ich wenigstens ein wenig weniger hässig bin? Ja!
Wie ich zu Versöhnungssex stehe? Keine Ahnung. Hatten bis jetzt ja noch keinen richtigen!
Ach, Sex.
Wir hatten schon lange keinen Sex mehr.
Ich vermisse Sex.
Und jetzt gehe ich mal googeln, wie man in Beziehungen Streite beendet. Wobei, das muss ich gar nicht. Ich habe ja euch. Haha.
Also, was tun, Leute?
Danke.
Wirkt immer 👍🏻