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Zum Weltfrauentag: Mit diesen Vorurteilen kämpfen Frauen auch heute noch

Zum Weltfrauentag: Mit diesen Vorurteilen kämpfen Frauen auch heute noch

08.03.2024, 08:1008.03.2024, 11:03
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Anlässlich des Weltfrauentags zeigt das SRF eine Mini-Serie mit dem Titel «Freie Liebe!». Die französischen Autorinnen Eloïse Delsart und Sophie-Marie Larrouy stellen darin klar, wie Weiblichkeit und die Lust der Frau fernab der Normvorstellung eben auch aussehen kann. Und thematisieren weitverbreitete Vorurteile und Themen, die Frauen heute beschäftigen. Wir haben für euch zusammengefasst, worum es geht.

Verstecktes Menstruationsblut

In Anbetracht der Lebenszeit, die Frauen blutend verbringen, könnte man meinen, dass der gesellschaftliche Umgang mit Menstruationsblut relativ locker ist. Denkste! In Werbungen für Periodenartikel wird das Blut blau eingefärbt, nach einem Tampon fragt man nur mit vorgehaltener Hand und wenn auf der Hose jemals ein Blutfleck zu sehen sein sollte, würde man vor Scham im Boden versinken wollen. Sowohl in der Pornografie als auch im Alltag wird so getan, als gäbe es keine Regelblutung – daher kommt das Gefühl, sie verstecken zu müssen.

Verlogene Sexstudien

Der Mensch vergleicht sich gerne. Besonders gerne, wenn es um sein Sexleben geht. Deshalb gibt es unzählige Statistiken zur Häufigkeit des Geschlechtsverkehrs, seiner Qualität, der Länge seines besten Stücks, und und und. Delsart und Larrouy stellen klar: auf diese Zahlen ist kein Verlass. Das hat der amerikanische Datenwissenschaftler Seth Stephens-Davidowitz herausgefunden. Frauen hätten demnach nur halb so viel Sex, wie sie bei Umfragen angeben, Männer sogar dreimal seltener. Während Frauen einige Sexualpraktiken nicht zugeben, tendieren Männer dazu, ihre Leistung im Bett übertrieben darzustellen.

SRF freie Liebe
Bild: srf

Negatives Körperbild

Eine Autorin erzählt von ihrer schlechten Beziehung zu ihrem eigenen Körper: Keinen Zucker mehr, seit sie 6 Jahre alt war, Nahrungsersatzmittel seit 12 und ein ständiges hin und her zwischen Magersucht und Selbsthass. Wer keine Fettreserven hat, hat auch keinen Eisprung – viele Models und Sportlerinnen können davon ein Liedchen singen. Sie stellen die Frage, wie man sich selber so lieben soll, wie man ist, wenn einem das gesamte Umfeld suggeriert, man müsse straffer, dünner und perfekter sein. Wenn sogar die Plus-Size-Models auf dem Laufsteg unrealistische Proportionen haben, ist es schwierig, sich nicht ständig zu vergleichen.

Ungefragte Penisbilder

Wer sich als Frau auf den sozialen Medien und vor allem auf Dating-Plattformen herumtreibt, bekam mit grosser Wahrscheinlichkeit auch schon Fotos vom Penis eines fremden Mannes zugeschickt, ohne auch nur im Geringsten danach gefragt zu haben. Auch in Umfragen geben Männer zu, Fotos ihres Geschlechtsteils zu verschicken. Von Vulven hingegen werden gar so wenige Fotos verschickt, dass das Thema für die Forschung – zumindest bisher – nicht von Interesse war. Die Omnipräsenz des männlichen primären Geschlechtsorgans lässt sich auch abseits der Wissenschaft nicht leugnen: Seien es Kritzeleien in der Clubtoilette oder davon inspirierte Architektur. Vulven hingegen sind viel seltener Sujet im gesellschaftlichen und kulturellen Kontext. Die Mini-Serie kommt zum einfachen Schluss, dass das unaufgeforderte Verschicken von Dickpics der Machtdemonstration des Mannes über die Frau und letztendlich der Welt dient.

Horrorszenario: Altern

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«Das Schlimmste, was einer Frau in der westlichen Welt passieren kann, ist das Älterwerden», stellen die zwei Autorinnen fest. Beim Alter wird geschummelt, was das Zeug hält. In Pornos, auf dem Laufsteg oder in der Werbung werden uns 30-jährige Frauen als 40-Jährige verkauft. Anti-Aging-Cremes, Cellulite-Behandlungen und Co. verhelfen dem schlechten Image des Alters auch nicht zu mehr Ansehen. Frauen sind davon stärker betroffen, da das «schöne Geschlecht» eher auf sein Äusseres reduziert wird. Männer hingegen definieren ihren Selbstwert viel eher über ihren Erfolg.

Die Sache mit dem Analsex

1992 gaben nur 24 Prozent der Frauen in Frankreich an, schon einmal Analsex gehabt zu haben – 2019 sind es bereits 53 Prozent. Der Umgang mit dem Hintertürchen ist speziell unter heterosexuellen Männern sehr ambivalent. Ganz nach dem Motto: «Mit Vergnügen nehm ich dich von hinten, aber deinen Strap-On kannst du gleich wieder einpacken.» Das hat laut der Mini-Serie damit zu tun, dass es zur Rolle der unterwürfigen Frau passt, «es sich besorgen zu lassen», zum starken Mann hingegen nicht so. Und diese Überzeugung scheint so tief zu gehen, dass sie auch vor verschlossener Schlafzimmertüre nicht Halt macht.

Das Wundermittel Sperma

Es soll bei Halsschmerzen und gegen Falten helfen, die Haare schöner machen und sogar gegen Depressionen wirken – Sperma. «Wieso gibt es in der Apotheke Milchpumpen, aber keine Spermapumpen?», fragen die Autorinnen berechtigterweise. A Man's World ist besessen von Sperma, je mehr, desto besser. Dabei steigert eine grössere Menge davon weder die Fruchtbarkeit, noch den Spass, noch sonst irgendetwas. Und den meisten Frauen schmeckt es ausserdem nicht gut genug, um es in rauen Mengen zu sich nehmen zu wollen.

Bisexualität: Aber nur die Frauen, bitte!

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Nicht nur zum Analsex, sondern auch zur Bisexualität pflegt unsere Gesellschaft ein etwas verwirrtes Verhältnis. Wenn Frauen rumknutschen, finden wir das super. Weibliche Bisexualität ist en vogue. Der Grund dafür ist so simpel, wie absurd: Es bedient die sexuelle Fantasie heterosexueller Männer. Bisexualität bei Männern ist nach wie vor negativ konnotiert. Auf Swinger-Webseiten geben Frauen an, auch für Frauen offen zu sein – ihre Partner jedoch betonen bei jeder Gelegenheit, strikt hetero zu sein.

Die Hysterie um glattrasierte Haut

Drei Viertel der jungen Menschen zwischen 18 und 25 rasiert sich den Intimbereich. Zurückzuführen ist dies laut den Autorinnen nicht etwa auf die Pornoindustrie, auf die so oft mit dem Finger gezeigt wird. Viel eher geht es auf eine «uralte Angst vor Behaarung» zurück. Körperbehaarung wird fälschlicherweise als etwas Männliches verstanden – und hat an einem Frauenkörper gemäss der sozialen Norm deshalb nichts zu suchen. Hinzu kommt, dass die Haarentfernung jährlich knapp zwei Milliarden Euro in die Kassen der Beauty-Industrie spült. Wer sich mit glatter Haut wohler fühlt, soll das machen. Aber dann doch bitte nicht unter dem wissenschaftlich widerlegten Vorwand, es sei hygienischer – denn das genaue Gegenteil ist der Fall, Haare erfüllen ihren biologischen Zweck.

(anb)

Schockierend gut: Auch die ARD bietet was zum Frauentag

Auch die ARD serviert etwas Umwerfendes und Überraschendes zum Frauentag, nämlich «Sexuell verfügbar» von Drehbuchautorin und Regisseurin Caroline Rosales. Ein Mehrteiler wie ein wilder, starker Drink. Da ist Miki (Laura Tonke), Anfang 40 und «Filmschaffende», also Regisseurin von billigen Werbeclips und noch billigeren Musikvideos, und Mikis Kinder führen einen Kalender, in dem Einträge stehen wie «22 Tage bis Mama ins Gefängnis muss». Mama hat nämlich einen Mann mit einem Umschnall-Dildo vergewaltigt.

Sagt jedenfalls der hyper-rechtschaffene August von Modersohn (Hanno Koffler), der sich jetzt endlich vorstellen kann, wie sich Frauen fühlen, denn «ich bin jetzt eine von euch». Was genau ist die Agenda dieses Mannes, der verlogener ist als eine gefälschte Gucci-Tasche? Und hat Miki, die als «Die Vergewaltigerin» in den Medien steht, überhaupt eine Chance? Alles ist verdreht in dieser komischen Miniserie, die schockierend gut und ungezähmt und geworden ist, und in der Geschlechterkampf-Kennerinnen wie Lady Bitch Ray und Lilo Wanders ziemlich lautstarke Cameos haben. (Simone Meier)

«Sexuell Verfügbar» gibt es in der ARD-Mediathek zu sehen.

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Sexismus in den Medien
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Sexismus in den Medien
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«Wie tausend Messerstiche» – die Redaktion testet einen Periodensimulator
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240 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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the_dude
08.03.2024 09:14registriert September 2015
Da ich keine Frau bin, will ich mir zu den meisten Punkten kein Urteil anmasse bzw. bin einig, dass sich hier noch was ändern muss.
Beim Thema Menstruationsblut in der TV Werbung muss man aber bemerken, dass in allen anderen Werbungen auch keine Körperflüssigkeiten gezeigt werden egal ob Blut, Speichel, Urin etc. (bspw. bei Werbung für Pflästerli oder alles andere)
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Laborant
08.03.2024 08:08registriert November 2019
Dickpics sollen eine Machtdemonstration sein? Ich empfand diese Sorte Mann immer eher als bemitleidenswert.
Naja. Soll jeder Mensch selbst entscheiden.
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Die Lauchin
08.03.2024 07:34registriert Oktober 2015
Ich kann nicht in allen Abschnitten ein „Problem“ erkennen. Beispiel Rasieren: na und? Soll, wer will. Soll nicht, wer nicht will. Ist das ein Problem?
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