Leben
Spass

«Projet Roger», Folge 5: Rogers «sensationelle Technik»

Projet Roger
Bild: watson
Projet Roger

Rogers «sensationelle Technik»

Teil 5.
27.02.2025, 10:00
Mehr «Leben»

Das mit dem Blut war so eine Sache bei Roger. Schon bei seiner Geburt wurde er davon ohnmächtig. Und später, als es ans Impfen ging, wieder, sofortige Ohnmacht. Beim Augenbrauenpiercing, zack, und Roger hatte die Besinnung verloren.

Sei willkommen zu unserer neuen, völlig fiktiven Serie! In «Projet Roger» geht es um Roger Fässler, einen durchschnittlichen Typ, der in einem durchschnittlichen Büro arbeitet, sich dann aber in eine undurchschnittliche Frau verliebt und, um sie zu beeindrucken, haarsträubende Dinge tut. So stolpert er von einer Extremsituation zur nächsten.
Darum wär's vielleicht gut, wenn du ihn begleitest, fang ihn auf, wenn er fällt, hass ihn, wenn er sich danebenbenimmt, und liebe ihn, wenn er es am meisten braucht.
Denn kämpfen wir nicht alle um Anerkennung der eigenen Leistungen, suchen Erfüllung im Job und ein Zuhause, in dem man abends alle Masken fallen lassen kann, die man sich tagsüber aufs Gesicht geklatscht hat?

>>Hier geht's zur ersten Folge.
>>Hier geht's zur zweiten Folge.
>>Hier geht's zur dritten Folge.
>>Hier geht's zur vierten Folge.

Was er gestern aber auf seinem Schlafzimmerboden gefunden hatte, war etwas anderes. Es war fremdes Blut – das von seiner Mutter bei ihrer Niederkunft vergossene gehörte ja immerhin zur Familie und zählte darum nicht. Das hier war artfremd. Und nicht nur das. Es war einsames Blut; der Körper, der es verloren hatte, unauffindbar und namenlos.

«Da bist du ja!», rief Nicole freudig, als sich Roger neben sie ans Pult setzte. «Ich hab dich an der Party vermisst, wo warst du?» «Ich bin früh nach Hause», erwiderte Roger knapp. Offensichtlich hatte Nicole seine Palmen-Show verpasst. Ihr «Ahaaa?» dehnte sie so sehr, dass selbst Roger merkte, dass ihr das als Erklärung nicht reichte. «Die scheiss Crevetten», präzisierte er.

«Dann iss besser mal ein Nippon, du bist ganz schön bleich», gab sie ihm zur Antwort, und Roger gehorchte schweigend, während sie ihn dabei gespannt beobachtete. Sie hoffte offenbar darauf, dass sich der Farbwechsel unmittelbar nach dem ersten Bissen vollzöge. Schliesslich war sie keine Expertin in Sachen Ernährungsdiagnostik und über die umwandlungsträgen Verdauungsorgane ihres Kollegen wurde sie ebenso wenig in Kenntnis gesetzt. Und so wartete Nicole halt noch ein bisschen und wusste nicht, dass sie auf ein Wunder wartete. Roger würde leider nicht jesusgleich jenes mit Schoggi überzogene Puffreis-Biscuit in gesunde, rote Apfelbäcklein zu verwandeln wissen.

«Es ist das Alter», schlussfolgerte sie jetzt aus der ausgebliebenen Transsubstantiation. «Ab 35 dauert ein Kater mindestens zwei Tage. Danach schnellt die Kurve in schwindelnde Höhen. In meinem Alter findet man quasi überhaupt nicht mehr aus dem Kater heraus.» Nicole lachte.

Nicole und ihre Formeln. Darin brachte sie die ganze Welt unter. Roger hätte ihr so gern von dem Blut erzählt, seinem leergefegten Gedächtnis und der Angst, was sich darin einmal befunden haben mochte. Sie hätte die Zutaten genommen, sie zusammengemischt und ein schmackhaftes Rezept daraus gemacht, der alptraumhafte Schrecken wäre einer bestechend schlüssigen Logik gewichen. Sie war Jesus so viel näher als Roger. Nicole konnte wirklich zaubern.

Plötzlich stand Marco vom Sales vor ihrem Tisch. Arbeitstechnisch hatte Roger mit diesem gelfrisierten Typen keinerlei Berührungspunkte. Und auf menschlicher Ebene noch viel weniger. Marco sah gut aus, fast zu gut sogar, er wirkte so, als wäre seine Visage im Perfektionswahn gezeichnet worden, mit zu viel Druck auf dem klassischen Stabilo point 88 Fineliner, dessen Spitze sich darob ächzend spaltete und wie ein ausgefranster Reisigbesen weiter kratzend übers Blatt gezogen wurde.

Seine Lippen waren dabei etwas zu dünn geraten. Da hätte man vielleicht mit einem intakten Stabilo noch einmal drüber müssen.

Für Nicole jedenfalls war der Fall Marco klar. Zu dünne Lippen, das bedeutete nichts als Falschheit. Aus einem solch schmalspurigen Mündlein konnte bloss Lug und Trug kommen. Das hatte sie bei Lavater in leicht anderer Form gelesen, dem Zürcher Pfarrer, der 1778 die vierbändigen «Physiognomischen Fragmente, zur Beförderung der Menschenkenntniß und Menschenliebe» auf die feine europäische Gesellschaft losliess.

Als Geistlicher war ihm das menschliche Antlitz der Spiegel Gottes und der würdigste Gegenstand der Beobachtung überhaupt. Also machte er sich daran, die Buchstaben des göttlichen Alphabets zu entziffern, indem er abenteuerliche Parallelverschiebungen der Äusserlichkeiten seiner Versuchspersonen in deren Innerlichkeit vornahm. Und wer dem Pfarrer Oberflächlichkeit vorwarf, der bekam zu hören: «Wird der Himmel nicht täglich nach seiner Physiognomie beurtheilt?»

Was für ein Mann.

So vertrauenswürdig wie der Wetterbericht.

Dennoch hatte Nicole nicht ganz unrecht. Marco war ein Arschloch. Und er arbeitete im Sales. Die lügen den ganzen Tag und werden dafür auch noch bezahlt. Marco wahrscheinlich besser als Roger und Nicole zusammen.

«Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass du eine sensationelle Technik hast», sagten die dünnen Marco-Lippen zu Roger.

«Hä? Was für ein Vögelchen? Und was für eine Technik?», fragte sich Roger nervös. «Wovon spricht dieser Mann? Das brauch ich jetzt gar nicht. Weiss er was? Ist das eine Falle? Eine Rätselfrage? Ist er die verdammte Sphinx? Er war auch an der Rimini-Party. Hat's bei Géra versucht, gegraben hat er wie ein tobsüchtiger Rüde, glaubte wohl, dass seine Schönheit allein genug ist, um bei ihr zu landen. Pah. Was weiss der Kerl? WAAAS?»

Das letzte ‹Was› musste Roger aus Versehen laut herausgeschrien haben, denn Marco schaute ihn erschrocken an.

«Was?» wiederholte Roger, dieses Mal betont leise. «Marco, alter Schwede!» An dieser Stelle schwoll seine Stimme wieder zum vollen Volumen an. Das Zittern darin hörte nur Nicole heraus. Roger stand von seinem Pult auf und haute Marco auf die Schulter. «Was führt dich denn hierher?»

Bei Unsicherheiten soll man Fragen einfach mit Gegenfragen begegnen, das wusste Roger aus dem Grundkurs «Plötzlich Chef Teil II».

Marco rieb sich die Schulter. Der Schlag war wohl ein wenig zu alpha. «Ähm, eben», erklärte er ein wenig verwundert über Rogers Verhalten, «ich will mehr über deine Technik wissen.» Beim Wort «Technik» zwinkerte er Roger zu – und Roger glaubte, zu verstehen.

«Erstmal brauchst du einen richtig guten Schläger», führte dieser aus. Die Stabilo-Linien in Marcos Gesicht begannen vor freudigem Erstaunen zu vibrieren.

«Einen Schläger?!», wiederholte Marco ganz aufgeregt. Dann beugte er sich zu Rogers Ohr herunter und flüsterte: «Sie mag es also hart?»

Offenbar ging es nicht um Squash, so viel hatte nun auch Roger begriffen. Der Rest lag mal wieder im Dunkeln.

«Hier wird nicht geflüstert!», empörte sich Nicole. «Sowas machen nur kleine Mädchen. Seid ihr kleine Mädchen?»

Marco ignorierte Nicole, während Roger wie vom Blitz getroffen in seinen Sessel zurückfiel. Sein Gesicht hatte inzwischen von blass ins Farblose gewechselt.

«Das wird mir hier zu blöd», sagte Marco und ging. «Loserpack», fügt er noch hinzu, flüsternd, für Nicole.

Roger reinigte indes seine Mauskugel.

«Roger», rief Nicole, aber er antwortete nicht. Er reinigte bloss ein wenig intensiver.

In seinem Kopf stiessen diverse Bilder zusammen, die, so fühlte es sich für Roger an, in schwere Eisenplaketten graviert worden waren, da war eine mit Kovics Vorhand drauf, die in Géras Kokosnussgesicht krachte, eine andere mit Marcos Stabilo-Lippen kollidierte gleich daraufhin mit der Gravur der blutverschmierten Herzlibrillen-Scherbe. Und sie alle schnitten mit ihren scharfen Kanten in Rogers Gehirn.

«Roger?», versuchte sie es noch einmal.

«Computer says no», erwiderte er und Nicole lachte. «Was war das grad mit Marco?», wollte sie wissen.

«Er ist ein Arschloch», sagte Roger.
«Ja, das weisst du von mir. Aber was wollte er?»
«Ich habe keine Ahnung.»
«Was hat er dir zugeflüstert?»
«Nicole, das geht dich nichts an.»
«Ach komm schon.»
«Es ist eine Sache zwischen Männern.»
«Ah so. Und darum hat er dir die Sache so mannhaft ins Ohr gesäuselt?»
«Es ist privat.»
«Privat? Ist das jetzt dein Ernst? Roger, ich kenne dich seit fünf Jahren. Ich weiss alles über dich. Auch, dass du beim Arzt gemeint hast, du müsstest jetzt in drei Strahlen pinkeln, weil er nach dem Mittelstrahl-Urin verlangt hat.»
«Wehe, du sagst das ...», begann Roger, aber Nicole war in Fahrt.
«Ich weiss auch, dass du in Géraldine Fuchs verknallt bist. Apropos. Wo ist sie eigentlich? Ich hab sie heute den ganzen Tag noch nicht gesehen.»
«Warum fragst du eigentlich immer nach Géraldine? Géra hier, Géra da, das ist ja kaum auszuhalten! Bist du etwa auch verknallt in sie? Und wo soll sie schon sein? Etwa tot in der Gosse liegen? Sie ist jetzt Chefin. Und Chefinnen haben Meetings. Rund um die Uhr. Und dann folgen die Calls. Also bitte, frag nicht so saublöd.»

Nicole schaute ihren Kollegen entgeistert an. So wütend hatte sie ihn noch nie erlebt. «Seit der Rimini-Party hast du einen Dachschaden.»

Du willst mehr?
Du kriegst mehr! Abonniere unseren «Projet Roger»-Tag, so kriegst du sofort eine Meldung, wenn Roger wieder dabei ist, einer seiner Roger-Moves zu machen. Und sonst warte einfach bis Donnerstagmorgen, pünktlich um 10 Uhr erwartet dich eine neue Folge. Bis dahin, halte Roger in Ehren. 💓

Du hast was verpasst?

>> Hier geht's zur ersten Folge!
>> Hier geht's zur zweiten Folge!
>> Hier geht's zur dritten Folge!
>> Hier geht's zur vierten Folge!
DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
20 lustige, definitiv zu ehrliche Stellen-Inserate
1 / 24
20 lustige, definitiv zu ehrliche Stellen-Inserate
bild: twitter
Auf Facebook teilenAuf X teilen
Für den Chef gibt's nichts Schlimmeres als Morgenmuffel
Video: watson
Das könnte dich auch noch interessieren:
47 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
47
    Fails!!!!!!!1!¨!!
    Sorry fürs Schreien. Aber jetzt seid ihr wenigstens alle wach.

    Hach, war der gestrige Montag schon wieder anstrengend. Wieso kann die Woche nicht mit einem Dienstag beginnen?

    Zur Story