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«Projet Roger», Folge 2: Roger beim Networking

Projet Roger Networking Teaser
Bild: watson
Projet Roger

Roger beim Networking

Teil 2.
06.02.2025, 10:1013.02.2025, 08:54
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Um drei Uhr morgens gab Roger auf. Am Morgen danach hatte sein neues LinkedIn-Profilbild vier Likes erhalten.

Sei willkommen zu unserer neuen, völlig fiktiven Serie! In «Projet Roger» geht es um Roger Fässler, einen durchschnittlichen Typ, der in einem durchschnittlichen Büro arbeitet, sich dann aber in eine undurchschnittliche Frau verliebt und, um sie zu beeindrucken, haarsträubende Dinge tut. So stolpert er von einer Extremsituation zur nächsten.
Darum wär's vielleicht gut, wenn du ihn begleitest, fang ihn auf, wenn er fällt, hass ihn, wenn er sich danebenbenimmt, und liebe ihn, wenn er es am meisten braucht.
Denn kämpfen wir nicht alle um Anerkennung der eigenen Leistungen, suchen Erfüllung im Job und ein Zuhause, in dem man abends alle Masken fallen lassen kann, die man sich tagsüber aufs Gesicht geklatscht hat?

>>Hier geht's zur ersten Folge.

Es war nicht viel, aber es war ein Anfang, sagte sich Roger und zog sich seine On-Schuhe an. Er gehörte vor ein paar Jahren zu den tausend glücklichen Siegern, die Roger Federers zweiten, limitierten Schuh kaufen durften. The Roger Clubhouse – für 240 Franken. Das schmälerte zwar Rogers Budget, nicht aber sein Gewinnergefühl. Das lag einmal daran, dass er neben der Edelstahl-Kräuterschere bei einer Tombola überhaupt noch nie etwas gewonnen hatte. Und eigentlich wollte er viel lieber die Speckpresse haben, aber die ging an Severin Fischli. An den dummen Severin Fischli mit seinen dummen X-Beinen, mit denen er Roger beim Grümpeli jedes Mal ausdribbelte.

Zum anderen war der Kapitalismus Rogers Zuhause, so ein bisschen Profitsteigerung eines Schweizer Unternehmens war für ihn nichts anderes als die im Schlafzimmer herumliegende Unterhose. Er war es sich gewohnt. Er sah auch die Bremsspur darin nicht, die sich, wie die Gewinnspanne für seine Treter, unanständig in die Länge zog, quasi über den Unterhosenrand hinaus, quer über den Gummizug. Aber Roger guckte nicht so genau hin. Und schon gar nicht bis rüber nach Vietnam.

«Nicole», sagte er schon am nächsten Tag im Büro, «wir müssen zu einem Match gegen den Kovac. Im Doppel gegen den Mann mit den vielen Kontakten und seiner Sekretärin! It's networking time, Baby!»

Nicole, die Frau, die Roger täglich nach 15 Uhr ein paar Nippons neben seine fleckige Tastatur legte und so dafür sorgte, dass er nicht zusammenklappte. Eine mütterliche Geste, die Roger auch nach fünf Jahren Tischnachbarschaft missverstand und glaubte, sie wolle ihn mästen. Damit er so dick werde wie sie und sie dann nicht mehr so allein wäre mit ihrem Dicksein.

Das war natürlich reinste Projektion. Und auch über die sah Nicole hinweg. Wie über alles menschliche Versagen, das von Roger kam. Sie mochte ihn. Niemand wusste so genau, warum. Es war einfach so. Seit Tag 1, als seine schwitzige Hand von der ihren abrutschte und im letzten Moment noch an ihren Fingern Halt fand. Dort hängend, machte sie wett, was sie vorhin verpasst hatte, und drückte dermassen fest zu, dass es knackste. Nicole lachte – und hiess Roger willkommen.

Zu den On-Schuhen kaufte er damals nach Wimbledon gleich noch ein ganzes Tennistenü. Um zu sein wie sein Held und Namensvetter. Ein Gott in Weiss. Und als solcher trat er nun aus der Umkleidekabine, wo ihn Nicole bereits erwartete.

Und sah, wie Rogers imposante Beckenschaufeln die weissen Shorts so sehr strapazierten, dass das Bindeband unwiederbringlich in den Löchern verschwand, während das Elastikbündchen, den gesamten Vorrat an Dehnbarkeit hingegeben, zur messerscharfen Schlingfalle wurde und sich unerbittlich in Rogers Hüftfleisch schnitt.

Oben hingegen war genug Luft, im Grunde schon wieder zu viel. Das Poloshirt drohte vor lauter Atmungsaktivität zu zerfallen, so dünn war das Stöfflein, das sich über Rogers Oberkörper legte. Und hinter jenem leichten Vorhang standen seine Brustwarzen – und warteten. Warteten wie eine Braut unter ihrem Schleier darauf, von der Zukunft gelüftet zu werden.

Doch die Zukunft kam nicht.

Vielleicht, weil die Nippel ein wenig zu forsch hervorstachen. Sie waren, wie der ganze Roger, stets angespannt, in fiebriger Erwartung auf das lauernd, was in der Ferne lag – Chancen, Optionen, Opportunities, die er dann, kaum erspäht, mit seinen zwei spitzen Nippellanzen augenblicklich durchstiess.

Da hingen sie dann, schlaff und kraftlos, und bluteten aus.

Roger wollte einfach alles immer ein wenig zu fest. «Roger, du bist halt ein Intensiver», sagte Nicole dann zu ihm.

Schliesslich braucht jeder Mensch seine leicht justierte Lebensgeschichte und mindestens eine treue Zeugin, die sie ihm bestätigt. Deshalb warf Nicole ihm hin und wieder eine kleine Lüge hin, so wie einem Hund einen Knochen.

Jetzt aber war nicht die Zeit für einen Knochen. Jetzt musste die Wahrheit her.

«Wenn ich ehrlich bin, Roger, die Hosen sind glaubs nicht so gut», sagte Nicole. Roger schaute auf den dritten Court, wo Kovac sich bereits einwärmte.

«Nicole, ich muss Kovacs Aufschlag analysieren!»

«Ok, gut. Aber mit diesen Shorts wirst du ihn nicht schlagen.» Roger antwortete nicht. «Die Bewegungsfreiheit darin ist gleich null.»
«Nicole.»
«Ich sag nur, wie's ist, Roger.»

Roger schaute Kovac zu, seinen leichten, geschmeidigen Bewegungen, dem eleganten Schwung seiner Vorhand.

Er wusste, dass es falsch war, sich in diese Shorts zu zwängen. So falsch wie nur irgendetwas. Diese Gewissheit kam über ihn, überdeutlich und grausam, und liess seinen Körper weinen. Er schwitzte, als könnte er die Hosen wegschwitzen, und mit ihnen gleich auch sein Shirt, aus jenem ganzen lächerlichen Tenü heraustranspirieren wollte er sich, und dabei selbst zur Pfütze werdend, in der nächsten Abflussrinne verschwinden. Stattdessen stand er da, ein Trottel in Weiss, mit dem Squash-Schläger in der Hand.

Er spielte auf keinem weitläufigen Tenniscourt, sein Platz war diese winzige Betonzelle mit der einen Glaswand, durch die man sich an seinem Possenspiel ergötzen konnte.

Hier würde er von Kovac vernichtet werden. Auf diesem würdelosen Platz, in seiner würdelosen Aufmachung, würde der Mann mit den vielen Kontakten sein Ende besiegeln.

Aber Roger wäre nicht Roger, würde er nicht alles versuchen, seinen bevorstehenden Untergang abzuwenden. Er musste aus diesen Shorts raus und rein in die schwarzen, die er als Reserve eingepackt hatte. Jenen konnte sein Becken nämlich rein gar nichts anhaben!

«Ich komm gleich wieder», sagte er zu Nicole, und steuerte die Umkleide ein weiteres Mal an.

«Hallo, Roger?», sagte die Frau, die just in diesem Moment mit sehr passenden Shorts aus der Damengarderobe kam.
«Ähm, ja. Ich wollte grad ... Ja. Roger, genau, und du?»
«Marie, ich bin Kovacs Sekretärin. Und heute eure Gegnerin!»
«Freut mich», sagte Nicole und schüttelte Maries Hand. «Auf ein faires Spiel!»

«Auf ein faires Spiel», bekräftigte Marie mit ernstem Blick. «Wollen wir?»
«Und wie wir wollen!», hörte sich Roger sagen und öffnete den Damen die Glastür zur dritten Box.

Und als hätte sich mit dieser Tür gleich auch ein Spalt in Roger selbst geöffnet, drangen die Selbstzweifel in sein Innerstes und begannen damit, an dem Seelengerüst zu nagen, das er all die Jahre lang so mühevoll aufgebaut hatte. Mit jedem Ball, den er ins Out schoss, lotterte es bedrohlicher, mit jedem Schritt ins Leere wackelte es bedenklicher. Wenn es zusammenfiele, ja dann gute Nacht. Oder hallo Therapie. Aber dafür war Roger nicht gemacht. Vielleicht hatte das Schicksal ihm darum eine Nicole geschenkt.

Sie war es, die das Gerüst jetzt mit ihren starken Oberarmen festhielt. Und bald auch Rogers Hosen. Im letzten Satz war es dann doch noch passiert. Während eines besonders gewagten Ausfallschritts waren sie gerissen. Nicoles Sorge galt daher nicht mehr ihrem niedrigen Spielstand, sondern allein Rogers Malheur. Dieses musste mit allen Mitteln vor Kovac verheimlicht werden. Und so war sie vollauf damit beschäftigt, Rogers Hinterseite zu decken, auch wenn es spieltechnisch wenig Sinn ergab.

Diese Tatsache verunsicherte ihre Gegner wiederum so sehr, dass Roger es irgendwie schaffte, zwei gigantische Prachtsbälle zu spielen, denen das Dreamteam Kovac/Marie nur noch hinterherstaunen konnte.

An diese beiden Bälle heftete sich sein Ego nun, richtete sich daran wieder auf. Nicht zur vollen Grösse zwar, dafür hätte es noch ein bisschen mehr gebraucht, aber Roger spürte sich allmählich wieder.

Sein nächster Ball wollte zu viel. Und die danach auch. Aber Roger spielte sie mit der alten Inbrunst – und das beruhigte Nicole.

«Guter Match!», schnaufte er zum Schluss, und Kovac pflichtete ihm höflich bei. Dann lief Roger rückwärts zur Seitenwand, blieb da stehen und machte «puuuh», bis Kovac und Marie aus der Tür waren.

Roger hörte das erlösende Rauschen der Dusche, als er die Garderobe betrat. So konnte er sich ungesehen seiner lädierten Shorts entledigen. «Yes!», dachte er sich, und stapfte voller Tatendrang in den Duschraum, wo keinerlei Trennwände waren, hinter denen er seine Beckenschaufeln hätte verstecken können. Da fand er ihn, den Kovac, nackt, gross und nass. Selbst duschen konnte der. Ein Profi, auch unter der Wandbrause.

Roger stellte die Dusche neben Kovac an. Erst wollte er eine dazwischen auslassen, aber dann entschied er sich im letzten Moment noch um. Damit es nicht aussah, als würde er diesen Männerkontakt scheuen.

«Roger!», sagte Kovac.
«Kovac!», sagte Roger.

Sie duschten.

«Nächsten Mittwoch Bier?», fragte Roger.
«Klar, aber nur, wenn du andere Hosen anziehst!», antwortete Kovac.

Roger hielt sein Gesicht in den Wasserstrahl, versuchte zu lachen – und verschluckte sich. Durch sein Gehuste und das Wasserrauschen hindurch vernahm er Kovacs Stimme, als käme sie von weit, weit her: «Aber hey», rief sie, «besser ein Hosenriss als ein Hodenriss!»

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