Der heutige Tag ist von historischem Ausmass. Ein Tag, an den man sich bis ans Ende der Zeit erinnern wird; ein Tag, der in die Annalen der Geschichte eingehen wird. Denn heute ist, nebst Beigemüse wie der Beisetzung der Queen, mein allererster Arbeitstag bei watson.
Jaja, Zurückhaltung bitte, genug des Applaus. Für mich als blutjungen Praktikanten ist das natürlich wahnsinnig aufregend.
Ich steh also morgens auf, renn auf den Zug, komm ins Büro und bin gespannt auf meine allererste Aufgabe – und was ist’s? Ich darf das Review der neusten Folge vom «Bachelor» machen. Was gibt es Schöneres am Montagmorgen, als zuzuschauen, wie die Kandidatinnen ihre Würde durch den Dreck ziehen, während hinter mir auf dem grossen Bildschirm Elizabeth II. durch die Strassen gezogen wird (sorry, der war fast so geschmacklos wie Ivanas Leoparden-Sportoutfit)?
Bevor die messerscharfe Analyse beginnt, wollen wir doch noch ein paar Gedanken an die Sendung selbst verlieren. Ich hatte bisher (nebst Vujo Gavrics legendärem «Ich ha de Sunneundergang für dich bstellt, Baby»-Ausschnitt) eine einzige Folge «Bachelor» gesehen. Damals blieben bei mir ein paar Kerneigenschaften dieser Sendung hängen: Oberflächlichkeit, Vorausschaubarkeit und Stillosigkeit. Fährt der Bachelor immer noch auf dieser Schiene? Bewährt sich dieses Modell immer noch?
Die kurze Antwort: Ja. Die lange: Jaaaaa. Nach dem kurzen Rückblick zu den vergangenen Folgen beginnt schon die erste Challenge: Die Ladies müssen ein Rap-Musikvideo drehen. Team Pool Girls gegen Team Wheel Ladies. Die Outfits sind natürlich passend zu den Gruppennamen, wer hätt’s gedacht. Mir kommen bereits schwummrige Erinnerungen an den sexistischen Unterton «meiner» alten Folge hoch, bis das zu betanzende Lied ertönt: «Ich darf das» von Shirin David.
Die deutsche Youtuberin und Sängerin zelebriert auf diesem 808-HipHop-Track weibliche Emanzipation und prangert sogenanntes Slut-Shaming an. Frauen sollten sich nicht gegenseitig heruntermachen, nur um selber besser dazustehen – «Stelle keine Frau in den Schatten, damit ich schein». Eine löbliche Message, die ein viel zu selten behandeltes Thema anspricht. Dumm nur, dass keine Minute vergeht, bis Regisha und Lara auf Toggis Liebling Jennifer losgehen, die den Spass am Ganzen nicht so sieht.
«Wenn sie nöd will, cha sie eifach s Accesoir sii und mir shined.»
Ob die Ironie gewollt ist oder nicht – unangenehm zum Zuschauen ist es alleweil. Aber nicht nur am Pool; auch bei der Lektion in Qi Gong (Schigong, Chigung, Shigo, alle sprechen es etwas anders aus) mit Herzbube Kenny muss man zwischendurch vor Scham wegblicken. Kauffrau Ivana beschreibt es treffend: «Mega Cringe». Ich musste kurz prusten, als ich diesen Satz hörte; dummerweise wurde just in diesem Moment hinter mir die Queen in die Westminster Abbey getragen. Auch eine Art von Schamgefühl.
Gott sei Dank bekommen wir im Anschluss an diese eher unangenehmen Szenen einen angenehmen Kontrast. Bei gemütlichem Zusammensein mit thailändischem Tee öffnet sich «Manga-Jessi», wie die Off-Stimme sie liebevoll nennt, gegenüber dem Publikum und unserem Romeo. Auch Ivana spricht offen über ihre Schönheits-OPs und deren Schattenseiten. Diese emotionalen Gespräche nehmen dem Cringe-Orkan den Wind etwas aus den Segeln, was die Sendung tatsächlich weniger oberflächlich erscheinen lässt. Leider folgt unmittelbar darauf wieder eine saublöde «Challenge», in der sich eine Kandidatin als besonders unsympathisch herausstellt. Diesmal ist es Olla, die absichtlich schlechte Fotos von Lara knipst.
Aber so läuft das halt immer, gell. Es ist schwer, über das repetitive Muster hinwegzusehen. Auf seriöse, inhaltliche Szene folgt crazy fun challenge mit ganz viel Herumgezicke. Es ist ein Erfolgsrezept: Ausgehend davon, dass dies die elfte Staffel ist, scheint es zu funktionieren. Mir gefällt’s nicht, aber schlussendlich muss es ja den Zuschauern gefallen. Auch Architekturstudent Kenny scheinen die Leute zu mögen, trotz seines Dauer-Smiles. Oder vielleicht gerade deswegen.
Wie dem auch sei: Die Rosen sind verteilt und zwei Damen wurden verabschiedet. Leider reichte es nicht für Toggis Jennifer, die selber nicht mehr so recht wollte, und Noemi aus St.Gallen, die mit einer halbherzigen Begründung von Kenny geschmissen wurde. Recht gemein, meiner Meinung nach. Somit bleiben noch 12 Kandidatinnen im Rennen um den Gentleman mit dem dümmlichen Lächeln (ich persönlich roote ja für Jessi mit ihren Cosplays).
Wer wird es sein? Wer überlebt die nächste Runde? Wer darf das Flugi nach Hause nehmen? Wir erfahren es wohl nächsten Montag, wenn «Ma Chérie» von DJ Antoine wieder durch die Redaktion lärmt und die Tränen fliessen.
PS: Zählt für dich Zwang zum Bachelorschauen zu psychologischer Folter? Lass doch deinen Kommentar dazu da und setz ein Zeichen gegen Praktikantenmissbrauch.