Schweiz
Bern

Berner Obergericht entscheidet über Verwahrung von Rentner Kneubühl

Berner Obergericht entscheidet über Verwahrung – aber Rentner Kneubühl erscheint nicht

10.02.2021, 09:2710.02.2021, 13:21
Mehr «Schweiz»
Erneut musste sich das Berner Obergericht diese Woche mit dem "Rickli-Rap" befassen.
Das Berner ObergerichtBild: sda

Das bernische Obergericht muss entscheiden, ob der Bieler Rentner Peter Hans Kneubühl verwahrt wird. Der Mann, welcher 2010 vor der Zwangsräumung seines Hauses auf Polizisten schoss, wehrt sich gegen diese Massnahme.

Kneubühl hat gegen das entsprechende Urteil des Bieler Regionalgerichts von März 2020 beim Berner Obergericht Beschwerde eingereicht. Am Mittwochmorgen eröffnete die Beschwerdekammer des Berner Obergerichts die Verhandlung. Kneubühl hätte anwesend sein müssen. Doch erschien er nicht.

Wie Oberrichter Jürg Bähler bekanntgab, stellt Kneubühl die Unabhängigkeit des Obergerichts in Zweifel. Vor Gericht erschienen ja nur Leute, welche schon gegen ihn ausgesagt hätten. Sein Nichterscheinen sei als «Streik» gegen die «Korruption der Berner Behörden» aufzufassen, liess er das Obergericht vom Regionalgefängnis Thun aus in einem Brief wissen.

Die Beschwerdekammer entschied, auf Kneubühls Anwesenheit zu verzichten. Kneubühls Position sei ja aus seinen vielen Eingaben an die Gerichte bestens bekannt, sagte Bähler. Auch Kneubühls Verteidiger war damit einverstanden.

Noch im November wollte Kneubühl in Bern erscheinen. Damals wurde ein erster Termin kurzfristig abgesagt. Wie anlässlich der neuen Verhandlung bekannt wurde, litt Kneubühl damals an der Covid-19-Krankheit.

Massnahme, da schuldunfähig

Der heute 77-Jährige wurde 2010 landesweit bekannt, als er vor der Zwangsräumung seines Hauses in Biel auf Polizisten schoss und einen von ihnen schwer verletzte. Nach einem mehrtägigen Katz-und-Maus-Spiel mit der Polizei wurde der Rentner schliesslich oberhalb von Biel gefasst.

Das Regionalgericht Berner Jura-Seeland kam 2013 zum Schluss, Kneubühl leide an einer schweren wahnhaften Störung. Es taxierte den Angeklagten als schuldunfähig und verordnete deshalb eine stationäre psychiatrische Massnahme. Das bernische Obergericht und das Bundesgericht bestätigten dieses Vorgehen.

Im Rahmen der stationären Massnahme solle sich Kneubühl therapieren lassen, so die Idee. Packe er diese Chance nicht, drohe ihm eine Verwahrung, warnten seinerzeit die Richter.

Doch der als «renitenter Rentner» und «Behördenschreck» bekannt gewordene Kneubühl bestreitet, dass er an Verfolgungswahn leidet. Laut den Behörden verweigerte er jegliche Therapie und medikamentöse Behandlung. Aus diesem Grund stellten die Bewährungs- und Vollzugsdienste (BVD) des Kantons Bern beim Bieler Gericht den Antrag, die stationäre Massnahme wegen Aussichtslosigkeit des Unterfangens durch eine Verwahrung abzulösen.

Das erstinstanzliche Gericht entsprach im März vor einem Jahr diesem Antrag unter anderem mit der Begründung, die Rückfallgefahr bei Kneubühl sei hoch. Dies sei der Fall, wenn der renitente Rentner sich in die Enge getrieben fühle.

Der Gerichtspräsident wies damals auch darauf hin, dass Kneubühl nie verriet, wo er sein Gewehr versteckte. Den neuen Besitzern des zwangsversteigerten Hauses habe er geschrieben, er werde nicht ruhen, bis der «illegale Hauskauf» rückgängig gemacht sei. Er werde ihnen «den Hals umdrehen».

Verhältnis- oder unverhältnismässig?

Vor der Beschwerdekammer des Berner Obergerichts wiederholten am Mittwoch Staatsanwalt Manus Widmer und BVD-Vertreter Markus D'Angelo ihre Positionen von März 2020: Eine Verwahrung sei in diesem Fall verhältnismässig, sagte etwa Widmer mit Verweis auf das versteckte Gewehr.

Eine Gefahr für seine Mitmenschen könne Kneubühl schon werden, wenn er sich nur schon subjektiv unter Druck gesetzt fühle, sagte D'Angelo. Von Gefahr sei nicht nur bei objektiv vorhandenem Druck auszugehen. D'Angelo wies zudem darauf hin, dass Verwahrungen gewisse Lockerungen wie Ausgänge nicht ausschliessen und die Massnahme immer wieder überprüft wird.

Ein psychiatrischer Gutachter, auf den sich die Anklage und das Gericht im Wesentlichen stützten, habe Kneubühl nie persönlich getroffen: Das sagte Kneubühls Verteidiger Sascha Schürch. Die Rückfallgefahr sei gemäss dem in diesem Fall zur Anwendung gekommenen Prognoseinstrument HCR-20 gar nicht so gross.

Es sei unverhältnismässig, für Kneubühl die Verwahrung anzuordnen, ohne es zuvor mit einer bedingten Entlassung unter Auflagen versucht zu haben. Das Urteil wird am Donnerstagmorgen bekanntgegeben. (aeg/sda)

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
9 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
9
Warum dieser Walliser Paraglider zur lokalen Legende wurde
Ein 58-jähriger Walliser Gleitschirmflieger geht viral, seit er ein Video gepostet hat, in dem er aus Vercorin (VS) einen ungewöhnlichen Flug startet.

Philou liebt die Berge, das Gleitschirmfliegen und die absolute Freiheit beim Fliegen. Letzten Sommer beschloss er, seine drei Leidenschaften zu vereinen, indem er von Vercorin (VS) aus nicht wie die meisten seiner Gleitschirmkollegen auf zwei Beinen, sondern in einem waschechten Kajak startete.

Zur Story