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Der Büezersohn wird Bundesrat: Das Drehbuch der Wahl von Beat Jans

Der Büezersohn wird Bundesrat: Das Drehbuch der Wahl von Beat Jans

Beat Jans ist Bundesrat. Aber wie funktioniert eigentlich so ein Wahlkampf für die Landesregierung? Das Beispiel Jans zeigt: Es braucht viel Akribie.
14.12.2023, 10:41
Benjamin Rosch und Jonas Hoskyn / ch media
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Akribische Vorbereitung und ein Chratten Basler Läckerli: Beat Jans vor dem Hearing bei der Bauernlobby.
Akribische Vorbereitung und ein Chratten Basler Läckerli: Beat Jans vor dem Hearing bei der Bauernlobby.Bild: Benjamin Rosch

Seinen emotionalen Tiefpunkt erlebt Beat Jans eine Woche vor den Bundesratswahlen. Es ist der Tag der Feier von Eric Nussbaumer und Eva Herzog als Präsidien von National- und Ständerat. «Ich habe in Bern übernachtet und stand alleine im Hotelzimmer. Da spürte ich plötzlich den ganzen Druck, der auf mir lastet», erzählt Jans.

Er habe gezittert, der Puls raste. Bis zu seiner Rede auf dem Marktplatz habe er sich nicht gut gefühlt. Kein Wunder: Den ganzen Tag über verfolgen viele Augenpaare, wie sich der künftige Bundesrat bei diesem «Heimspiel» schlagen wird.

Genau sieben Tage später ist Beat Jans Bundesrat. Gestartet ist er als Top-Favorit, gewählt wurde er im dritten Wahlgang mit 134 Stimmen. CH Media hat ihn begleitet seit jenem Moment, als er die Einladung zu seiner Pressekonferenz verschickte, um der Frage nachzuspüren: Wie wird man eigentlich Bundesrat?

Die Erzählung

Es ist der Tag vor der Ankündigung zur Kandidatur, und Beat Jans klingt nervös am Telefon. Wird er dem Druck standhalten, sich nicht verhaspeln? Und vor allem: Wird er die Fragen der französischsprachigen Presse parieren können? Seit August hört er statt dem «Echo der Zeit» nur noch das «Forum» auf RTS; ausserdem gibt ihm eine Landwirtin aus dem Jura Französisch-Lektionen.

Zum Ausgleich hütet er fast vierzig Jahren nach seiner Lehre als Landwirt ihren Hof für eine Woche. Ein Foto von Jans beim Melken soll dereinst bei der Bauernlobby für Pluspunkte sorgen - wie die Schwarznasenschafe von Elisabeth Baume-Schneider vor einem Jahr. Schliesslich entscheidet man sich dagegen.

22. September: Jans kündigt seine Kandidatur an.
22. September: Jans kündigt seine Kandidatur an.Bild: keystone

Gleichzeitig: die Erleichterung. Seit Wochen trägt Jans seinen Entscheid mit sich. Dennoch musste er, der aus seinem Herzen selten eine Mördergrube macht, stets sagen: Ich überlege noch. Wenn Jans einen genauen Termin festlegen müsste, dann war es die Rückkehr aus seinen Ferien im Juli, als er sagte: Okay, ich mach's. «Ich habe mich mit Alain darüber ausgetauscht, was ein Job in der Landesregierung bedeutet», erzählt Jans.

Auch mit Moritz Leuenberger, Simonetta Sommaruga und Doris Leuthard hat er den Kontakt gesucht. Die Sorgen nahmen ihm aber jene, die vom Entscheid am meisten betroffen sind: «Papi, einen Stempel haben wir auch als Kinder eines Regierungsrats.» Beim ersten gemeinsamen Nachtessen nach den Ferien machte Jans Nägel mit Köpfen.

Bald danach formierte er sein Team. Es sind dies: Stefan Batzli, Geschäftsleitungsmitglied der Kommunikationsfirma CRK und Leiter dieses Wahlkampfs, Fabienne Thomas, Lobbyistin, und Sibylle Schürch, Polit-Consultant. Alle begleiten sie Jans seit Jahren. Zusammen mit einigen Politikerinnen und Politikern wie den Nationalräten Eric Nussbaumer, Sarah Wyss und Mustafa Atici, Ständerätin Eva Herzog sowie alt Ständerätin Anita Fetz bilden sie Jans' innerste Zelle für das Projekt Bundesrat. Mindestens einmal pro Woche trifft sich die Gruppe zum Videocall.

Eine zentrale Rolle kommt dabei Sibylle Schürch zu. Sie ist zuständig für die Marke Beat Jans, seine Geschichte, oder wie sie sagt: «Seine Persona». Mit viel Akribie überlegt sie sich, wie Jans' Biografie in den Bundesrat passt. Diese ist, in groben Zügen: Die Geschichte eines Mannes aus einfachen Verhältnissen, der die Welt aus unterschiedlichen Blickwinkeln kennengelernt hat.

Der Vater Kesselschweisser, der bis kurz vor seinem Tod «gchrampft» hat. Die Mutter, die in Ohnmacht fiel, als ihr Sohn im Nationalrat vereidigt wurde. Jans, der gelernte Landwirt, der an der ETH studiert hat. Jans, der Familienmensch, Vater von zwei Töchtern. Und Jans, der Politiker, der Bundesbern ebenso kennt wie die Arbeit in der Regierung. Lebenserfahrung als Politprogramm.

«Jetzt geht's los», sagt Beat Jans, ins Telefon zwar, aber irgendwie auch zu sich. «Ich habe ja eigentlich nichts zu verlieren.»

Die Ochsentour

«Cher-e-s-. Nein, chères et chers, jetzt hab ich's. Es ist eben schon noch verreckt, dieses Gendern auf Französisch.» Beat Jans sitzt im Speisewagen nach Biel, unterwegs zum Podium der SP-Kandidierenden. Das Wettrennen innerhalb der SP hat begonnen: Fünf Kandidaten und eine Kandidatin stellen sich zur Wahl. Heute ist der zweite Abend dieser Art, vor zwei Tagen sassen die Papabili auf einer Bühne in Genf, morgen werden sie in Olten reden. Roadshow nennt sich das, wenn eine Partei mit ihren Kandidierenden durch die Schweiz tingelt, um Nuancen in ihren Politprofilen herauszuschälen.

Jans scrollt durch die Notizen auf seinem Tablet, eine Nachricht von seinem Generalsekretär poppt auf: «Du wirst das weiterhin super machen.» Ein paar Wochen sind vergangen seit unserem letzten Gespräch mit Beat Jans. Viel ist geschrieben worden, vieles davon ist negativ: Jans, der Bauernschreck, Jans der älteste Bewerber. Auch der persönliche Kontakt mit den Parlamentariern gestaltet sich nicht gerade einfach. Als er gemeinsam mit Fabienne Thomas einmal die Herbstsession besucht hat, war das ernüchternd. «Hier hat eigentlich niemand auf uns gewartet», konstatierte Thomas damals.

Fünf Kandidaten und eine Kandidatin wollten für die SP aufs Ticket.
Fünf Kandidaten und eine Kandidatin wollten für die SP aufs Ticket.Bild: Bruno Kissling

«Ich rede mit allen Fraktionsmitgliedern und führe eine Liste», sagt Jans. «Die meisten sagen mir aber nicht, ob sie mich aufs Ticket wählen.» Nur Jacqueline Badran habe ihm ins Gesicht gesagt: «Sorry Beat, ich will einen anderen.» Der Grund für die Zurückhaltung ist klar: Die Fraktionsmitglieder sind auf einen guten Draht zum Bundesrat angewiesen. Bei sechs Bewerbungen wollen sich die wenigsten früh aus dem Fenster lehnen. «Etwa sieben Stimmen habe ich auf sicher», schätzt Jans.

Der Abend in Biel verläuft durchzogen. Jans ist mal staatsmännisch, mal emotional, oft besorgt. Aber selten lustig. Pult, Nordmann und auch Jositsch punkten mit Selbstironie. Sofort nach dem Auftritt steht Jans neben seinen beiden Kommunikationsfachleuten und analysiert das Geschehene. Sie bauen ihn auf. Er sagt: «Das war schwierig. Ich würde mir die Note 3,5 geben.»

Die grösste Hürde

Das Büro des Basler Regierungspräsidenten ist feudal. Eine hippe Polstergruppe findet darin Platz und ein grosser Tisch. Noch wenige Tage bleiben Beat Jans, um die nötigen Stimmen für einen Platz auf dem Ticket zu sammeln. Wo genau er dabei steht, weiss Jans selbst kaum. Stefan Batzli und Fabienne Thomas haben ihm Informationen zu 49 Fraktionsmitgliedern aufbereitet, die zeigen, wofür die Genossen politisch brennen, ihren Werdegang und ihre Ziele. Diese Recherche liefert die Grundlagen für 49 persönliche E-Mails und 49 Telefongespräche.

Für die Arbeit der PR-Agentur hat Jans ein Kostendach von 20'000 Franken definiert. «Damit nicht der Eindruck entsteht, ich greife auf Ressourcen als Regierungspräsident zurück», sagt er. Der Betrag deckt die Arbeit der beiden bei weitem nicht ab, vieles davon wird Freundschaftsdienst bleiben.

«Im Moment komme ich allerdings kaum dazu, mich um meine Kandidatur zu kümmern», sagt Jans. Sein Job als Regierungspräsident fordert ihn aktuell stark: Mohamed Almusibli, der designierte Leiter der Kunsthalle, steht im Verruf, sich ungebührend gegen Israel zu engagieren. «Ich habe heute eine Sitzung nach der anderen, daneben alleine diese Woche vier öffentliche Auftritte.» Der Hader ist Jans anzumerken. «Dabei könnte man immer mehr tun, mehr investieren.» Auch wenn Jans deutlich weniger präsent ist in seinem Regierungsamt: Der Kampf um einen Sitz im Bundesrat bleibt für ihn ein Feierabend-Job.

Die Plattform 50plus1 um Politikprofessor Oliver Strijbis zeichnet die öffentliche Stimmung in einem sogenannten Prognosemarkt nach. Nimmt man diese Einschätzung zum Gradmesser, hat Jans seit Ende September konstant an Boden verloren. Zeitweise liegen seine Wahlchancen deutlich unter 20 Prozent, womit er hinter Jositsch, Pult und Allemann an vierter Stelle liegt.

Fast jeden Abend wälzt sich Jans durch Geschäfte, bringt sich auf den neuesten Stand in der Gesundheitspolitik, studiert die BVG-Reform und liest Berichte zur nahenden Budgetdebatte. Am Nachmittag steht noch ein Telefongespräch mit der neugewählten Zürcher Nationalrätin Anna Rosenwasser an. Es wird ein gutes Gespräch werden, locker, er wird der LGBTIQ-Aktivistin vom neuen Basler Gleichstellungsgesetz erzählen. Und dabei herausfinden: Sein Göttibueb ist mit Rosenwasser befreundet.

Am 25. November treffen sich etwas mehr als 50 Genossinnen und Genossen im Zimmer 286 des Bundeshauses. Mit dabei sind auch die kürzlich Abgewählten, wenn auch ohne Stimmrecht. Im Saal der SP-Fraktion stehen graue Wände und breite Tische, aus denen sich 57 Mikrofone bohren. Alle sechs Kandidierenden erhalten zehn Minuten Zeit, sich vorzustellen, und nochmals zehn Minuten, um Fragen zu beantworten.

Beat Jans hat seine Ansprache geübt. Stundenlang, bis er sie auswendig kann. Er weiss: Dieser Auftritt hier ist sein vielleicht wichtigster in diesem langen Bewerbungsprozess. Nicht wenige in der Fraktion glauben, dass es eng wird für ihn. Und niemand weiss genau, wie die SP damit umgehen wird, dass sich eine Frau auf das Ticket bewirbt.

Jans beginnt: «Es ist grossartig, dass ich heute bei euch sein darf.» Mehrere Fraktionsmitglieder berichten, wie Jans seine Rede anhand der drei SP-Wahlkampfthemen strukturiert. Klima, Kaufkraft, Gleichstellung. Zu jedem habe er aufzeigen können, wie er die Werte der Partei in die politische Arbeit übersetzt – gerade auch als Regierungsrat.

Am Ende raunt eine Nationalrätin zu ihrem Sitznachbar, so erzählt es dieser: «Jetzt hat er mich überzeugt.» Was ebenfalls hilft: Jans hat zwei wichtige Fürsprecher in dieser Sitzung. Mustafa Atici, sein langjähriger Freund. Und, noch wichtiger: Eva Herzog. Sie, die stets als Jans' Gegenspielerin auf Lebzeiten kolportiert wird, ergreift jetzt das Wort für Jans.

Durch 18 Wahlgänge windet sich die Fraktion im Anschluss. Was genau passiert, wer wann für wen stimmt, lässt sich unmöglich exakt rekonstruieren. Gesichert ist: Im allerersten Wahlgang macht Jans zehn Stimmen. Jede davon ist nötig, um eine Dynamik in Gang zu setzen: Er muss mindestens in Schlagdistanz sein zu Evi Allemann. Das gelingt.

25. November: Die SP-Fraktion nominiert Beat Jans und Jon Pult.
25. November: Die SP-Fraktion nominiert Beat Jans und Jon Pult.Bild: keystone

Einen Wahlgang später erlebt Jans den heikelsten Punkt in seiner gesamten Kandidatur: Mehrere seiner Unterstützer springen ab, womöglich, weil Jon Pult zuvor zu enttäuschend abgeschnitten hat. «Da dachte ich: Das war's», sagt Jans.

Im dritten Wahlgang liegt Jans dann plötzlich vorne, und nach dem zehnten steht er als erster Bundesratskandidat der Sozialdemokratischen Partei fest. Gegenspieler Jon Pult muss noch ins Stechen gegen Roger Nordmann, dann ist das SP-Ticket perfekt. Als Jans vor die Tür des Fraktionszimmers tritt, klicken die Kameras. Dann fällt ihm Frau Tracy um den Hals. «Ich habe immer gewusst, dass meine Partei die grösste Hürde sein wird», wird er später sagen.

Der Wendepunkt

Beat Jans sitzt auf einem schwarzen Sessel und studiert ein letztes Mal seine Rede, die er vor dem Bauernverband halten will. Vor ihm: Ein kleiner Korb, gefüllt mit Basler Läggerli. «Eine Chriesi-Chratte, wie man sie im Baselbiet benutzt», erklärt Jans den Medien, bevor er sich in die Höhle der Löwen wagt. Jans wirkt dabei ruhig, anders als Fabienne Thomas, der die Nervosität anzumerken ist. Sie weiss: Seit Wochen eilt Jans' der Ruf als Basler Bauernschreck voraus.

Als er wieder herauskommt, hat er rote Wangen und deutlich bessere Chancen, gewählt zu werden. Das Hearing markiert einen Wendepunkt in seinem Wahlkampf: Ab dann gilt er in der Öffentlichkeit als Favorit. Das liegt an Bauernpräsident Markus Ritter, der im Anschluss seine Präferenz für Jans in den Medienberichten durchblicken lässt. Spätestens seit der Wahl von Elisabeth Baume-Schneider und ihren Schwarznasenschafen pflegt Ritter seinen Ruf als «Königsmacher».

Was viele nicht wissen: Bei der Wahl von Jans ist es eher umgekehrt. Ritter springt dann auf, als bereits mehrere Mitglieder aus seinem Verband ins Team Jans gewechselt haben –, obwohl Ritter den Basler lange als unwählbar bezeichnet hatte.

Entscheidend in dieser Phase des Wahlkampfs sind Stefan Batzli und Fabienne Thomas. Beide gehen seit Jahren ein und aus im Bundeshaus. Gemeinsam erstellen sie eine Liste aller Parlamentarier, mit denen sie per du sind – darauf stehen über 80 Namen.

Kommt dazu: Thomas hat vier Jahre beim Schweizer Bauernverband gearbeitet, war Leiterin Energie und Umwelt. Sorgsam ackern die beiden Lobbyisten die Liste durch und knüpfen für Jans ein Beziehungsnetz. In allen Fraktionen spannen sie Unterstützer ein, die wiederum ihre Parteikollegen von Jans' Fähigkeiten überzeugen sollen. «Antennen», nennen sie das.

Wer es ist, verraten sie partout nicht. Recherchen lassen aber ahnen, wer zu diesem Kreis zählt. In der Mitte sind es die Nationalräte Stefan Müller-Altermatt und Philipp Kutter, aber auch der einflussreiche Walliser Ständerat Beat Rieder. Unter den Freisinnigen weibeln die Ständeräte Andrea Caroni, Marcel Dobler und Jacqueline de Quattro.

Selbst in der SVP gibt es Verbündete: Als die Fraktionsmitglieder vor dem Hearing ein anonymes Schreiben mit Vorwürfen gegen Jans erhalten, leitet dies eines davon an den Bundesratskandidaten weiter. Damit kann er sich ideal auf Kritik vorbereiten und den Vorwürfen gleich zum Start den Wind aus den Segeln nehmen. Wertvoll sind für Jans auch zwei Frauen von den Grünen: Maya Graf und Christine Badertscher haben einen bäuerlichen Hintergrund.

4. Dezember: Beat Jans diskutiert mit dem Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann vor dem Hearing bei der Konferenz bäuerlicher Parlamentarier.
4. Dezember: Beat Jans diskutiert mit dem Berner SVP-Ständerat Werner Salzmann vor dem Hearing bei der Konferenz bäuerlicher Parlamentarier.Bild: keystone

Die Hearings plant Jans mit seinem Team minutiös. Für die SVP etwa suchen sie sich alte Reden von Albert Rösti zusammen – nicht der Inhalte, sondern der Sprache wegen. Ein ähnliches Vokabular soll Verbundenheit schaffen. Nicht alle Auftritte gelingen nach Mass. Aber mit jedem wirkt Jans lockerer, während sein Kontrahent Pult trotz seiner rhetorischen Beschlagenheit zunehmend angespannt wirkt.

Die Rochade ist vollzogen: Jans zieht davon, Pult ist in der Defensive. Ständig muss er sich rechtfertigen, für seine Juso-Vergangenheit, seine einstige Nähe zur GSoA, eine frühere Kampagne seines Arbeitgebers Feinheit in der Landwirtschaft. Es sind Attacken über Gebühr. Die Zeitungsberichte sind zwar nicht schärfer als jene gegen Jans im Oktober. Aber in dieser entscheidenden Woche schmerzen sie viel mehr.

Das Heimspiel

Dann kommt dieser Tag in Basel. Anders, als man es hätte erwarten können, hatte Jans die Frage nach seiner Herkunft stets heruntergespielt. Statt aus Basel sagte er: «Aus dem Matthäusquartier». Er gab sich als Vertreter der Zentren, nicht aber der Wirtschaftsregion Basel.

Spätestens bei der Nichtwahl von Eva Herzog muss Jans bewusst worden sein, dass die Basel-Karte kein Trumpf sein kann. Basel als Region ist keine Minderheit, die man ernst nehmen muss. Und überhaupt: Der Pharma-Region geht es ohnehin schon gut genug. Egal ob zehn, fünfzig oder hundert Jahre ohne Bundesrat: Mit Ausnahme des Spezialfalls Tessin gibt es keine Schuld des Parlaments gegenüber einzelnen Kantonen.

Schon über die Basler Festspiele ein paar Tage zuvor anlässlich der Wahl von Herzog und Nussbaumer haben einigen die Nase gerümpft: Die Männerstimmen Basel sangen «Oh Basel» – zu viel Lokalkolorit, fanden manche, insbesondere Genossen.

6. Dezember: Regierungspräsident Jans bei der Feier von Ständeratspräsidentin Eva Herzog und Nationalratspräsident Eric Nussbaumer.
6. Dezember: Regierungspräsident Jans bei der Feier von Ständeratspräsidentin Eva Herzog und Nationalratspräsident Eric Nussbaumer.Bild: keystone

«In der eigenen Fraktion hat Beat keine Mehrheit», schätzt Batzli. «Die Aussage zur Juso haben mich ein paar Stimmen gekostet», weiss auch Jans selber. In einem Interview gegenüber der NZZ sagte er, er beziehe seine Überzeugungen nicht aus Büchern oder der Juso, was viele als Seitenhieb gegen Pult interpretierten.

Am Ende jenes Mittwochs stehen sie für einen kurzen Moment zusammen auf der Tanzfläche, während auf der Bühne Nicole Bernegger singt. Pult lächelt, Jans hat zeitweise die Augen geschlossen. SP-Präsident Cédric Wermuth hält den Augenblick auf Video fest. Nie wirkt der Wahltermin weiter weg.

Der Jubel

Einen Tag vor der Wahl herrscht nochmals Aufregung unter der Bundeshauskuppel. Das Lager von Jon Pult kämpft auf allen Kanälen, selbst die Bündner SVP verschickt Appelle, den SP-Mann zu wählen. Es ist gleichzeitig der Tag des letzten Hearings: Die Mitte-Partei lädt ein. Die «Antennen» sind jetzt besonders fleissig.

«Ich glaube, das Mitte-Hearing ist mir am besten gelungen», sagt Jans, aber vielleicht spricht da auch der Druckabfall aus ihm. Am Vorabend der Wahl sitzt er vor einem Apfelsaft im Tibits. Jans hat es ins Ziel geschafft. Wie gut, müssen nun andere beurteilen. «Ich habe mein Bestes gegeben.» Dann steht er auf, geht ins Hotel und stellt sein Handy aus: Jetzt muss er warten.

13. Dezember: Der frisch gewählte Bundesrat Beat Jans bei der Bekanntgabe des Resultats zusammen mit seiner Familie.
13. Dezember: Der frisch gewählte Bundesrat Beat Jans bei der Bekanntgabe des Resultats zusammen mit seiner Familie.Bild: Pino Covino

Am Tag der Wahl harrt Jans mit seiner Familie, Freunden und vielen Wegbegleitern im Zimmer 2 des Bundeshauses aus. Stefan Batzli gehört dazu, Fabienne Thomas und Sibyll Schürch, seine Töchter, Frau Tracy. Vor der Türe warten die Journalisten mit ihren Kameras; mit jedem der drei Wahlgänge werden es ein paar mehr. Dann, um 12 nach 12, brandet Jubel auf. Beat Jans reisst die Arme hoch.

Wie wird man nun Bundesrat? Sicher ist: Es braucht einen Anzug, ein Hemd und eine Erzählung. Die Regierung der Schweiz besteht nicht aus den sieben Besten, noch nicht einmal den sieben Ehrgeizigsten. Jeder und jede von ihnen ist für sich genommen kleiner als sein Anteil an der Summe: Der Bundesrat ist eine Konstellation. Jans hat das früh begriffen – und auch, was dieser noch gefehlt hat: zum Beispiel einen aus dem Matthäusquartier. (aargauerzeitung.ch)

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25 Kommentare
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Stambuoch
14.12.2023 07:57registriert März 2015
Jans liess oft anderen und sehr oft davon Eva Herzog den Vortritt.
Umso schöner, dass sie es ihm nun zurückgab in Form dieser Unterstützung. Und Jans wurde für sein Zurückstehen belohnt.

Er wird es gut machen.
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cille-chille
14.12.2023 07:43registriert Mai 2014
Er ist mir sympathisch und ich bin gespannt auf ihn als Bundesrat.
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Inelaferi
14.12.2023 06:50registriert August 2019
Interessanter, gehaltvoller und aufschlussreicher Artikel. Offensichtlich hat das Team Jans perfekt harmoniert und geliefert. Dem neugewählten BR gratuliere ich zu seiner Wahl.
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