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Der Chef des Bundesamts für Verkehr attackiert Bundesrätin Karin Keller-Sutter

Bundesraetin Karin Keller-Sutter liest die Wochenzeitung WOZ, waehrend sie auf ihren Einsatz in der Kleinen Kammer wartet, an der Fruehjahrssession der Eidgenoessischen Raete, am Donnerstag, 14. Maerz ...
Sollen nur an Arithmetik statt an guter Politik interessiert sein: Karin Keller-Sutter und der Bundesrat.Bild: keystone

Der Chef des Bundesamts für Verkehr attackiert Bundesrätin Karin Keller-Sutter

Peter Füglistaler geht den Bundesrat und vor allem Finanzministerin Karin Keller-Sutter hart an: Statt an guter Politik seien sie nur an Arithmetik interessiert. Trotz dieser ungewöhnlichen Äusserungen hat der Amtsdirektor nichts zu befürchten.
05.05.2024, 20:27
Francesco Benini / ch media
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Dass ein Chefbeamter der Bundesverwaltung den Bundesrat öffentlich kritisiert, kommt sehr selten vor. Peter Füglistaler, der Direktor des Bundesamts für Verkehr, macht auf der Online-Plattform Linkedin aus seinem Herzen keine Mördergrube.

Füglistaler schreibt: «Die Schuldenbremse wird immer mehr zum Fetisch. Als Chefbeamter muss man jeweils frühmorgens schon fast das Glaubensbekenntnis darauf ablegen.» Es ist klar, auf wen diese Aussagen gemünzt sind. Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) verweist in ihren Bemühungen, den Bundeshaushalt zu stabilisieren, oft auf die Schuldenbremse.

In Krisen gälten andere Regeln

Nachdem in den Neunzigerjahren die Schulden des Bundes stark angestiegen waren, votierten die Schweizer Stimmberechtigten im Jahr 2001 für die Schuldenbremse: Einnahmen und Ausgaben sollen im Verlauf eines Konjunkturzyklus im Gleichgewicht bleiben. Der Anteil der Ja-Stimmen lag bei 84,7 Prozent.

In der Folge konnte der Bund seine Schulden massiv reduzieren. Füglistaler schreibt nun, die Schuldenbremse sei «ein verkapptes Sparprogramm». In guten Zeiten könne man diesem Mechanismus etwas abgewinnen, diene er doch der Disziplinierung der Verwaltung und vor allem des Parlamentes.

In Krisenzeiten brauche es jedoch politische Entscheide, wie der Staat die anstehenden Bedrohungen bewältigen könne. «Wenn die Sicherheitslage eine Aufrüstung der Armee bedingt, kann der Klimawandel oder die soziale Realität (national wie international) nicht einfach ausgeblendet werden.»

Füglistaler gibt zu verstehen, dass die Schweizer Armee schnell aufgerüstet werden müsse. Zunächst wollte das Parlament, dass die Eidgenossenschaft bis 2030 eine Summe in der Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandprodukts für die Verteidigung aufwendet. Dann schwenkten National- und Ständeräte aber auf die Linie des Bundesrates ein, der den Ausbau langsamer – bis 2035 – umsetzen will.

Vor zehn Tagen vereinbarten die Parteien der Linken mit der Mitte: Die Armee soll zehn zusätzliche Milliarden Franken erhalten. Und für den Wiederaufbau der Ukraine sind fünf Milliarden vorgesehen – ohne dass das Geld von der Entwicklungshilfe für andere Länder abgezwackt wird. Diese Beträge sollen an der Schuldenbremse vorbeifliessen.

Füglistaler scheint den Vorschlag mit seiner Einlassung nun zu unterstützen. Auf Anfrage schreibt er, dass er sich nicht konkret zu den beiden Massnahmen geäussert habe. Aber: Die Finanzierung krisenbedingter Ausgaben «sollte nicht zulasten anderer Bundesaufgaben gehen.»

Peter Füglistaler ist Mitglied der SP. Cédric Wermuth, Co-Präsident der Sozialdemokraten, meint: «Die Schuldenbremse ist vor allem Klassenkampf von oben.» Die Ungleichheit in der Schweiz wachse in der Schweiz nicht zufällig mit der Einführung der Schuldenbremse.

Spardruck wirke sich auf den öV aus

Was sagt der Amtsdirektor dazu, dass der Fonds für die Bahninfrastruktur dank der Finanzpolitik des Bundes gut gefüllt ist? Füglistaler stellt das nicht in Abrede. Er weist aber darauf hin, dass auch der öffentliche Verkehr nicht vollständig von der Budgetpolitik und der Schuldenbremse entkoppelt sei. «Der Spardruck wirkt sich insbesondere auf die Finanzierung des regionalen öffentlichen Verkehrs und indirekt auf den Bahninfrastrukturfonds aus.»

Füglistalers unverblümte Kritik an die Adresse des Bundesrates – und an die bürgerlichen Parteien – hängt vielleicht damit zusammen, dass er Anfang August in Pension geht. Ein Amtsdirektor, der bald abtritt, muss keine negativen Konsequenzen fürchten. Auch wenn man ihm seine Aktivitäten in den sozialen Medien als illoyal auslegen kann. (aargauerzeitung.ch/lyn)

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73 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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Feinfilter
05.05.2024 22:14registriert Mai 2021
Da muss ich dem Herr Füglistaler recht geben. Diese Schuldenbremse ist volkswirtschaftlicher Selbstmord und beweist einmal mehr, dass die Bürgerlichen nur Politik für die Reichsten machen. Plus, dass diese von Wirtschaft nichts verstanden haben. Nur für das eigene Portemonnaie zu politisieren ist nur peinlich und längst durchschaut.
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Clay Calloway
06.05.2024 06:45registriert April 2024
Gefühlt greift die Schuldenbremse immer dann wenn etwas fürs Volk gemacht werden soll. Geht es um Steuersenkungen für die Reichsten und Konzerne, hat es scheinbar immer Geld in der Kasse. Aber für die Bürger? Da haben die Bürgerlichen gar kein Gehör!
Die Schuldenbremse ist an und für sich nicht schlecht. Aber sie wurde wirklich zum Bürgerlichen Fetisch. Krasses Beispiel war Schäuble in D. Der dafür die Infrastruktur opferte. So gesehen sind wir da viel besser unterwegs. Aber weit von Perfekt.
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Vitai Lampada
06.05.2024 07:04registriert Dezember 2022
Die Konsequenz aus der Schuldenbremse müssten ja eigentlich Steuererhöhungen sein. Aber die Bürgerlichen wollen das um keinen Preis. Es ist somit ein Konstruktionsfehler im System, der den Staat Handlungsunfähig macht.
Staatsschulden waren früher mal bei den Vermögenden erwünscht, als sichere Kapitalanlage...
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