Dass ein Chefbeamter der Bundesverwaltung den Bundesrat öffentlich kritisiert, kommt sehr selten vor. Peter Füglistaler, der Direktor des Bundesamts für Verkehr, macht auf der Online-Plattform Linkedin aus seinem Herzen keine Mördergrube.
Füglistaler schreibt: «Die Schuldenbremse wird immer mehr zum Fetisch. Als Chefbeamter muss man jeweils frühmorgens schon fast das Glaubensbekenntnis darauf ablegen.» Es ist klar, auf wen diese Aussagen gemünzt sind. Finanzministerin Karin Keller-Sutter (FDP) verweist in ihren Bemühungen, den Bundeshaushalt zu stabilisieren, oft auf die Schuldenbremse.
Nachdem in den Neunzigerjahren die Schulden des Bundes stark angestiegen waren, votierten die Schweizer Stimmberechtigten im Jahr 2001 für die Schuldenbremse: Einnahmen und Ausgaben sollen im Verlauf eines Konjunkturzyklus im Gleichgewicht bleiben. Der Anteil der Ja-Stimmen lag bei 84,7 Prozent.
In der Folge konnte der Bund seine Schulden massiv reduzieren. Füglistaler schreibt nun, die Schuldenbremse sei «ein verkapptes Sparprogramm». In guten Zeiten könne man diesem Mechanismus etwas abgewinnen, diene er doch der Disziplinierung der Verwaltung und vor allem des Parlamentes.
In Krisenzeiten brauche es jedoch politische Entscheide, wie der Staat die anstehenden Bedrohungen bewältigen könne. «Wenn die Sicherheitslage eine Aufrüstung der Armee bedingt, kann der Klimawandel oder die soziale Realität (national wie international) nicht einfach ausgeblendet werden.»
Füglistaler gibt zu verstehen, dass die Schweizer Armee schnell aufgerüstet werden müsse. Zunächst wollte das Parlament, dass die Eidgenossenschaft bis 2030 eine Summe in der Höhe von einem Prozent des Bruttoinlandprodukts für die Verteidigung aufwendet. Dann schwenkten National- und Ständeräte aber auf die Linie des Bundesrates ein, der den Ausbau langsamer – bis 2035 – umsetzen will.
Vor zehn Tagen vereinbarten die Parteien der Linken mit der Mitte: Die Armee soll zehn zusätzliche Milliarden Franken erhalten. Und für den Wiederaufbau der Ukraine sind fünf Milliarden vorgesehen – ohne dass das Geld von der Entwicklungshilfe für andere Länder abgezwackt wird. Diese Beträge sollen an der Schuldenbremse vorbeifliessen.
Füglistaler scheint den Vorschlag mit seiner Einlassung nun zu unterstützen. Auf Anfrage schreibt er, dass er sich nicht konkret zu den beiden Massnahmen geäussert habe. Aber: Die Finanzierung krisenbedingter Ausgaben «sollte nicht zulasten anderer Bundesaufgaben gehen.»
Peter Füglistaler ist Mitglied der SP. Cédric Wermuth, Co-Präsident der Sozialdemokraten, meint: «Die Schuldenbremse ist vor allem Klassenkampf von oben.» Die Ungleichheit in der Schweiz wachse in der Schweiz nicht zufällig mit der Einführung der Schuldenbremse.
Was sagt der Amtsdirektor dazu, dass der Fonds für die Bahninfrastruktur dank der Finanzpolitik des Bundes gut gefüllt ist? Füglistaler stellt das nicht in Abrede. Er weist aber darauf hin, dass auch der öffentliche Verkehr nicht vollständig von der Budgetpolitik und der Schuldenbremse entkoppelt sei. «Der Spardruck wirkt sich insbesondere auf die Finanzierung des regionalen öffentlichen Verkehrs und indirekt auf den Bahninfrastrukturfonds aus.»
Füglistalers unverblümte Kritik an die Adresse des Bundesrates – und an die bürgerlichen Parteien – hängt vielleicht damit zusammen, dass er Anfang August in Pension geht. Ein Amtsdirektor, der bald abtritt, muss keine negativen Konsequenzen fürchten. Auch wenn man ihm seine Aktivitäten in den sozialen Medien als illoyal auslegen kann. (aargauerzeitung.ch/lyn)
Staatsschulden waren früher mal bei den Vermögenden erwünscht, als sichere Kapitalanlage...