Obwohl Gesundheitsminister Alain Berset am Mittwoch abermals deutliche Worte fand: «Es ist klar, dass mit dem heutigen Entscheid Terrassen geschlossen sein müssen», weigern sich die Kantone Nid-, Obwalden, Uri, Glarus, Schwyz und das Tessin weiterhin, die Aussenbereiche ihrer Skigebiete zu schliessen.
Sie handeln damit bewusst gegen das nationale Recht: Bereits am 16. Februar erklärt Patrick Mathys vom BAG: «Das BAG hat die Kantone darauf hingewiesen, dass Sitzplätze nicht erlaubt sind, da ist kein Handlungsspielraum», sagt er an einer Medienkonferenz. «Wenn die Kantone dies nicht umsetzen, ist das entgegen nationalem Recht.»
Das Tauziehen zwischen Bund und den sechs Kantonen gleicht immer mehr einem föderalen Machtkampf, bei dem sowohl die Wirtschaft als auch das Coronavirus in den Hintergrund zu rücken scheinen. Zwei Akteure im Streit um die Ansteckungsgefahr der Schweizer Ski-Terrassen:
Die Bündner Regierung hatte nach dem Entscheid des Bundesrats vom Mittwoch entschieden, dass die Terrassen in den Skigebieten ab Donnerstag wieder gesperrt werden müssten. Damit beugt sich der Kanton Graubünden nach vielen Wochen doch den nationalen Corona-Regeln.
Nicht vollends auf einer Linie mit der Politik in Graubünden sind die Bergbahnen. Dort wird vor allem der rasche Schliessungsentscheid der Regierung nicht verstanden. Das sei ein politischer Beschluss, der nicht auf Fakten basiere, sagte Martin Hug, Präsident des Verbandes der Bergbahnen, auf Anfrage. Die Bergbahnen wollen mehr Zeit für den Rückbau der Terrassen und informierten die Regierung schriftlich, dass sie den Abbau nicht schon auf das kommende Wochenende vornehmen könnten, sondern auf den 1. März.
In den grossen Ski-Regionen in den Kantonen Bern und Wallis sowie im Kanton Luzern wurden die Aussenbereiche der Restaurants nie geöffnet. Zumindest offiziell nicht.
Laut einem Bericht des «Tagesanzeigers» legen auch die Skigebiete im Kanton Wallis die Corona-Regeln des Bundes grosszügig aus: In diversen Walliser Skigebieten – wie zum Beispiel Grächen – sind die Terrassen rege besucht. Die Absperrbänder wurden teils von den Gästen eigenhändig entfernt, damit an den Tischen gegessen werden konnte.
Ganz anders im Glarus, Tessin und in der Zentralschweiz: Die Terrassen in den Skigebieten von Nid-, Obwalden, Uri, Glarus und Schwyz bleiben vorerst weiterhin offen – entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Bundes. Bereits Ende 2020 sorgten besagte Kantone für Schlagzeilen wegen ihrer offenen Sonnenterrassen.
Die Gesundheitsdirektoren der «Rebellen-Kantone» haben sich lediglich darauf geeinigt, nochmals das Gespräch mit Bundesrat Alain Berset suchen zu wollen – man sei «an einer guten Zusammenarbeit interessiert» und wolle dem Bundesrat «die bisher positiven Erfahrungen zu den geöffneten Skiterrassen» erläutern.
Der Kanton Nidwalden habe bezüglich den Ski-Terrassen noch keinen abschliessenden Entscheid gefällt, teilte etwa die Nidwaldner Gesundheitsdirektorin Michèle Blöchliger (SVP) am Donnerstag auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA mit. An der aktuellen Situation in Nidwalden ändere sich daher vorerst nichts. Dieses Vorgehen sei mit den anderen Zentralschweizer Kantonen abgesprochen.
Die bisherigen Erfahrungen hätten gezeigt, dass die Abstände um den Takeaway-Bereich in Skigebieten besser eingehalten werden, wenn draussen Sitzgelegenheiten mit klaren Regeln zur Verfügung stehen, sagt Blöchliger.
Auch Obwalden, Schwyz und Uri halten auf Anfrage fest, dass noch kein abschliessender Entscheid über das weitere Vorgehen in der Sache gefallen sei. Damit halten auch sie die Terrassen vorerst offen.
Speziell ist die Lage im Kanton Uri, dessen grösstes Skigebiet in Andermatt in den Kanton Graubünden reicht. Die Bündner Regierung will nach besagtem Entscheid des Bundes vom Mittwoch die Terrassen in den Skigebieten wieder sperren.
Auf Anfrage der Luzerner Zeitung sagt der Urner Gesundheitsdirektor Christian Arnold: «Für mich ist die Intervention des Bundesrats etwas erstaunlich. Wir praktizieren dies seit zwei Monaten, schliesslich hat der Bundesrat die Bewilligung des Skibetriebs klar den Kantonen überlassen.»
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Während die befürwortenden Stimmen von geöffneten Terrassen das vorbildliche Einhaltend der Abstandsregeln ins Feld führen, üben sich andere im Aussprechen vorsichtiger Warnungen:
Rudolf Hauri, Zuger Kantonsarzt und Präsident der Vereinigung der Kantonsärztinnen und -ärzte der Schweiz (VKS), äusserte sich am Donnerstag zum Terrassenstreit. «Es ist eine politische und nicht eine epidemiologische Abwägung», sagte Hauri gegenüber Keystone-SDA.
Eine offizielle Empfehlung gebe die Vereinigung nicht ab. Auf Nachfrage sagte Hauri aber: «Das Ansteckungsrisiko auf Terrassen ist nicht ganz Null.»
(adi/sda)
Wenn die Kantone sich nicht an Bundesrecht halten müssen, müssen sich die Gemeinden auch nicht an Kantonsrecht halten und am Ende ich als Bürger mich weder an Bundes- noch Kantons- noch Gemeinderecht, wenn ich finde das Gesetz sei falsch und ich hätte bessere Argumente.
Das wäre dann nahe an Anarchie. Dazu ist aber wahrscheinlich niemand bereit.