Die letzten Tage waren für Pascal Strupler, den Direktor des Bundesamtes für Gesundheit (BAG), nicht leicht. Seine Behörde geriet von allen Seiten unter Druck, nachdem das BAG am Sonntag eine Zahlen-Panne bei den Ansteckungsorten bekanntgeben musste. Nicht zwei Drittel, sondern ein sehr geringer Anteil der Corona-Infektionen konnte mit dem Nachtleben in Bars und Clubs in Verbindung gebracht werden.
Das BAG lieferte die Entschuldigung zwar zusammen mit der Korrektur. Trotzdem gab es am Dienstagabend zusätzliche Kritik von Struplers Chef. Bundesrat und Gesundheitsminister Alain Berset sprach im SRF-Interview von einem «Fehler» und sagte, dass der Fall «organisatorische Konsequenzen» haben wird. Und Strupler selbst? Von ihm gab es bislang keinen öffentlichen Auftritt dazu.
Bis jetzt. Der BAG-Direktor stellte sich am Dienstagabend kurzfristig einer Diskussion in der SRF-Sendung «Club». Die Datenpanne war wenig überraschend auch das grosse Thema zu Beginn der Debatte, die sich eigentlich über die Corona-Müdigkeit in der Gesellschaft hätte drehen sollen. Was davon bleiben dürfte, ist wohl die «Breaking News» zum Impfstoff – aber dazu mehr später.
Details, wie es zum Fehler kam und warum seine Behörde zwei Tage für die Richtigstellung brauchte, gab es nicht. Stattdessen redete der BAG-Direktor Strupler viel über die Arbeitskultur beim BAG: «Es gibt keine Null-Fehler-Kultur. Wir arbeiten seit sechs Monaten sieben Tage durch. Es ist klar, dass da Fehler passieren», sagte Strupler in seinem Eingangsvotum.
Für ihn sei denn auch wichtig, keine zusätzliche Angst intern zu verbreiten: «Aus Angst passieren neue Fehler. Wir haben Massnahmen getroffen, damit so etwas nicht passiert.» Und er führte auch gleich aus, wie man künftig solche Fehler verhindern wolle. So sei künftig eine dritte Person für die Prüfung solcher Daten zuständig. Bislang habe man dem «Vieraugenprinzip» vertraut.
Strupler bestritt auf Nachfrage von Moderatorin Barbara Lüthi, dass politische Entscheide aufgrund falscher Ansteckungszahlen getroffen wurden. «Der Entscheid in Genf, Bars und Clubs zu schliessen, war vorgelagert», sagte der BAG-Direktor und betonte, dass der Kanton mit rund 40 Prozent rückverfolgbaren Infektionen in Clubs ein Problem habe.
In der Debatte ging es danach um die Corona-Müdigkeit in der Bevölkerung, aber auch um den Vertrauensverlust, der durch fehlerhafte Behördenkommunikation entstanden ist. So stellte Jan Fehr, Infektiologe am Universitätsspital Zürich, im Zusammenhang mit den falschen Ansteckungszahlen des BAG fest: «Zahlen und Daten sind so gut, wie sie eingebettet werden. Man muss sie immer in den Kontext setzen und sich fragen, was sie bedeuten können.»
Für Fehr sei nun das Gebot der Stunde «Lernen, lernen, lernen»: Man müsse lernen, wie man mit solchen Rohdaten umgeht, wie man sie interpretiert und sie (als Behörde) kommuniziert.
Der BAG-Direktor Pascal Strupler, der noch bis Ende Oktober im Amt sein wird, nahm sich die Kritik zu Herzen. Er äusserte sich auch zu seinem persönlichen Befinden während den letzten Tagen und Wochen. «Ich kann mir nicht leisten, ‹müde› zu sein», sagte Strupler. Die Kritik der letzten Stunden hätte aber auch ihn getroffen.
Der 61-jährige Bundesamts-Direktor äusserte sich gegen Sendungsschluss auch zur Frage, was er in der Krise anders gemacht hätte. Nach langem Zögern antwortete er: «Besser kommunizieren – wenn die Kurve wieder runter geht. Und eine bessere Vorbereitung für die Zeit nach dem ‹Peak›.» Er habe sich aufs Sicherstellen eines funktionierenden Gesundheitssystems derart konzentriert, dass die sinkenden Fallzahlen überraschend kamen.
Im SRF-«Club» wurden nicht nur persönliche und zwischenmenschliche Fragen diskutiert – es kam in der zweiten Hälfte der Sendung auch zu einer überraschenden Bekanntgabe seitens des BAG.
«Wir haben mit Moderna verhandelt. Es geht um einen Vorverkaufs- bzw. Reservationsvertrag, der wenige Stunden vor dem Abschluss steht», sagte Strupler in der Sendung. Moderna ist das Unternehmen, das mit dem Schweizer Pharmakonzern Lonza an der Entwicklung und Produktion des mRNA-1273-Impfstoffs arbeitet. Die «NZZ am Sonntag» berichtete, dass sich Schweizer Universitätskliniken an Probandentests beteiligen wollten, aber acht Millionen Franken dafür fehlten.
Strupler sagte dazu: «Man sollte nicht eine Impfstoff-Studie machen, wenn man nicht weiss, ob man den Impfstoff auch bekommt.» Die Situation sei nun eine andere. «Wir konnten einen Vertrag aushandeln, mit dem wir sehr schnell in Europa einen Impfstoff haben werden», so der BAG-Direktor. Die Verhandlungen seien «sehr weit» – der Vertrag sei aber erst unterschrieben, wenn er unterschrieben sei. Das könne «heute oder morgen» passieren.
Klar ist ein solcher Fehler ärgerlich und sollte zukünftig vermieden werden. Aber das BAG reagiert ja auch darauf.
Es wäre hilfreicher und motivierender nicht nur zu bashen sondern auch mal Danke zu sagen für alle die Coronabedingt viel Mehrarbeit leisten.