Frauen verdienen in der Schweiz durchschnittlich 16,2 Prozent weniger als Männer. Sie besetzen weniger Chefsessel und politische Ämter, bleiben dafür deutlich öfter zu Hause, wenn die Kinder krank sind. Im Rentenalter sind sie häufiger von Armut betroffen als Männer. Das sind bekannte Missverhältnisse in der Schweiz.
Unterschiede zwischen den Geschlechtern gibt es allerdings auch an Orten, die weniger bekannt sind. Nicht immer sind sie mit einer Benachteiligung verbunden. Das Datenjournalismus-Team von CH Media hat die Datenreihen des Bundesamts für Statistik nach ungewohnten Geschlechtsdifferenzen durchsucht. Lassen Sie sich überraschen.
Die Ungleichheit beginnt schon bei der Geburt: In der Schweiz kommen fast flächendeckend mehr Buben als Mädchen zur Welt. Zwischen 2010 und 2023 wurden nur in 6 von 143 Bezirken mehr Mädchen als Buben geboren.
Dass die neu geborenen Mädchen in einigen Bezirken in der Mehrheit sind, ist Zufall. Das Ungleichgewicht ist Ausdruck eines Phänomens: In der Schweiz – und weltweit – kommen mehr Buben als Mädchen zur Welt. Laut dem Bundesamt für Statistik (BFS) ist das hierzulande seit mehr als einem Jahrhundert der Fall. Pro 100 Mädchen werden 105 Knaben geboren. Grund dafür ist, dass mehr männliche Embryos die Schwangerschaft überleben als weibliche, wie eine US-Studie zeigte.
Insgesamt gibt es laut dem BFS in der Schweiz aber etwas mehr Frauen als Männer. Denn einmal auf der Welt, verzeichnen Knaben und Männer in allen Altersklassen eine höhere Sterblichkeit.
Wenn das Militär ruft, folgen wegen der Wehrpflicht hauptsächlich Männer dem Ruf. Der Frauenanteil in der Armee betrug über die ganze Schweiz hinweg 2,6 Prozent, wie aus der Statistik zur Erwerbsausfallordnung (EO) hervorgeht. Auf diesem tiefen Niveau gibt es allerdings zwischen den Kantonen grosse Unterschiede.
Den höchsten Frauenanteil weist der Kanton Jura auf mit etwas über 4 Prozent. 47 Frauen leisteten im Jahr 2023 mit über 1100 Männern Dienst. Mit Abstand den tiefsten Anteil weist Appenzell Innerrhoden auf. Von den rund 380 Diensthabenden waren lediglich 4 Frauen – ein Anteil von 1,1 Prozent.
Die Medizin ist zum Frauenberuf geworden. Seit 2004 doktorierten in jedem Jahr stets mehr Frauen als Männer in Humanmedizin. Männer waren in den 1980er-Jahren unter den angehenden Ärzten noch deutlich in der Überzahl, doch immer weniger von ihnen wählten diesen Weg – während die Zahl der Frauen kontinuierlich wuchs.
Zwar zieht es mittlerweile auch wieder mehr Männer in den Ärzteberuf, doch die Frauen-Überzahl bleibt deutlich: 2023 schlossen 300 Frauen mehr ihr Medizin-Doktorat ab als Männer.
Der Wechsel zu den Frauen als dominierendes Geschlecht bei den Doktorandinnen und Doktoranden fällt mit dem Numerus clausus zusammen. Die Eignungsprüfung, die über die Zulassung zum Medizinstudium entscheidet, wurde 1998 eingeführt. Auswirkungen auf die Doktorierenden hat er also nach sechs Jahren Studium plus mindestens einem Jahr Doktorat.
Allerdings hängt der tiefe Männeranteil gemäss einem Artikel der NZZ nicht damit zusammen, dass die Frauen bevorteilt würden. Im Gegenteil. Männer haben beim Numerus clausus eine leicht höhere Erfolgsquote. Doch es treten viel weniger Männer überhaupt erst zum Eignungstest an: Nicht mal ein Drittel aller Kandidierenden sind Männer.
Bleiben wir beim Gesundheitswesen: Die Alterung der Gesellschaft, aber auch die immer teurer werdende Medizin führen zu immer höheren Kosten und damit Krankenkassenprämien. Frauen beziehen mehr Leistungen als Männer. Im Jahr 2022 waren Frauen pro Kopf und Monat für Kosten im Wert von rund 950 Franken verantwortlich, bei den Männern waren es rund 785 Franken.
Hauptgründe für die Unterschiede: Die Frauen kommen aus Kostensicht für die gesamte Fortpflanzung auf (Schwangerschaft, Geburt, Wochenbett). Und weil sie älter werden, benötigen sie mehr Pflege.
Was allerdings in den Diskussionen oft untergeht: Seit 2010 sind die Kosten bei den Männern stärker angestiegen als bei den Frauen. Im Vergleich zu damals wuchsen die Pro-Kopf-Kosten bei den Männern um 32,8 Prozent, während es bei den Frauen 28,9 Prozent waren.
Schweizerinnen und Schweizer nehmen rege am kulturellen Leben teil. So besuchen beispielsweise innerhalb eines Jahres deutlich mehr als zwei Drittel der Bevölkerung ein Konzert oder einen anderen Musikanlass.
Nicht alle kulturellen Veranstaltungen werden von Männern und Frauen aber in etwa gleich besucht. Während Männer Historisches in Form von Denkmälern oder entsprechenden Museen lieber haben, besuchen Frauen eher Kunstgalerien oder das Theater.
Am deutlichsten ist der Geschlechtergraben bei der Benützung von Biblio- und Mediotheken zu privaten Zwecken: Weniger als 30 Prozent der Männer haben das innerhalb der letzten 12 Monate vor der Erhebung getan. Bei den Frauen sind es fast 40 Prozent.
Die Schweiz hat eine riesige Diaspora: 813'420 Personen mit Schweizer Pass lebten 2023 im Ausland. Eine deutliche Mehrheit von ihnen, knapp 54 Prozent, sind weiblich, nur rund 46 Prozent männlich. In absoluten Zahlen beträgt der Unterschied 63'234 Personen. Diese Differenz ging über die letzten Jahre jedoch um über sechs Prozent zurück.
Sowohl bei den Auslandschweizerinnen als auch bei den Auslandschweizern ist deutlich mehr als die Hälfte im erwerbsfähigen Alter. Während aber mehr männliche Minderjährige als Rentner im Ausland wohnen, ist es bei den Frauen umgekehrt.
Weitaus am beliebtesten als neue oder temporäre Heimat sind Länder in Europa: Fast zwei Drittel der Schweizer Bevölkerung im Ausland lebt in einem europäischen Staat. In der Beliebtheitsskala gibt es bei den Geschlechtern kaum Unterschiede. Die Top-3-Zielländer sind gar exakt die gleichen: Frankreich, Deutschland, USA.
Auf den Schweizer Strassen kommen ungefähr gleich viele Männer und Frauen bei Autounfällen zu Schaden. Recht ausgeglichen ist auch, wer bei Unfällen mit Personenschäden am Steuer sitzt: In 54 Prozent der Fälle ist es ein Mann, in 46 Prozent eine Frau. Gezählt werden dabei nur Unfälle, bei denen die lenkende Person verletzt wurde.
Viel grössere Unterschiede gibt es jedoch dabei, wie schwer Frauen und Männer bei Autounfällen als Lenker oder Mitfahrende verletzt werden. Über 80 Prozent der tödlich verletzten Lenkenden sind Männer und auch unter den schwer und leicht verletzten sind die Männer klar in der Überzahl. Beim Mitfahren kehrt sich das Bild jedoch: Hier trifft es mehr Frauen, sowohl bei den Getöteten wie auch den Verletzten.
Eine höhere Männer-Sterblichkeit zeigt sich bei Krebsleiden. Männer erkranken und sterben deutlich häufiger an Krebs als Frauen. Es gibt laut den aktuellsten BFS-Zahlen 144 Todesfälle pro 100'000 Männer und Jahr. Das sind fast 50 Prozent mehr als bei den Frauen (98).
Die Unterschiede lassen sich teilweise mit dem ungesünderen Lebensstil der Männer erklären: Sie trinken mehr Alkohol, rauchen häufiger und verrichten gefährlichere Arbeiten. Doch andere Faktoren spielen ebenfalls eine Rolle. Es mehren sich laut eines Artikels im Magazin der Universität Zürich die Hinweise, dass genetische Unterschiede zwischen Männern und Frauen für die Differenz mitverantwortlich sind.
Die gute Nachricht: In der Schweiz sterben im Verhältnis zur Bevölkerungsgrösse immer weniger Menschen an Krebs. Die Männer profitieren von diesem Rückgang besonders; die Differenz zu den Frauen wird kleiner.
Als Minderjähriger eine Rente beziehen? Wo kann ich unterschreiben? 😂
Wenn ich einem Wolf und einem Schaf das gleiche zu fressen gebe, sind sie absolut gleich behandelt, aber einer von beiden muss leiden.