Die Sekundarschule in Stäfa führt jährlich einen sogenannten «Gender-Tag» durch. Eine Einladung dazu landete vor einigen Tagen im Netz. «Liebes Mädchen*» und «Lieber Junge*», heisst es in der Ansprache. Infos hat es darin kaum: Die Teilnahme sei obligatorisch, heisst es, der Konsum von Alkohol und Zigaretten sei verboten. Worum es bei diesem «Gender-Tag» tatsächlich geht, wird in diesem Schreiben nicht klar.
Dennoch löste dieser Brief in den sozialen Medien einen regelrechten Shitstorm aus. An vorderster Front: SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Der Aargauer teilte das Foto auf Twitter und schrieb dazu: «Wer greift durch und entlässt die Schulleitung?»
Gender-Tag in @gemeindestaefa mit obligatorischer Teilnahme - wer greift durch und entlässt die Schulleitung? pic.twitter.com/GkIdKS0qi1
— Andreas Glarner (@andreas_glarner) May 9, 2023
Auch in den Kommentaren stösst der «Gender-Tag» auf heftigen Widerspruch. «Leck mich am..., wo sind wir nur hingekommen», schreibt etwa ein User. «Also meine Kinder würden da gaaaanz sicher nicht teilnehmen», so ein anderer. Und ein weiterer fordert: «Eigentlich sollten wir alle dort aufmarschieren und dem Genderbullshit ein Ende setzen.»
Ins gleiche Horn blies mit Roger Köppel derweil ein zweiter SVP-Nationalrat. Der Zürcher thematisierte den «Gender-Tag» in einem Video auf «Weltwoche Daily» und kritisierte diesen darin aufs Schärfste. Köppel sprach von einer «Ideologisierung und Versexisierung» des Schulunterrichts. Zudem versuche man, «den Leuten im Namen einer Scheintoleranz das familiäre Modell auszureden».
Aufgrund des Aufschreis in den sozialen Medien wurde der «Gender-Tag» in Stäfa plötzlich zum schweizweiten Thema – diverse Medien berichteten darüber. Schulpräsidentin Daniela Bahnmüller (FDP) zeigte sich gegenüber dem «Tages-Anzeiger» erstaunt – schliesslich werde dieser schon seit zehn Jahren durchgeführt.
Die plötzliche Aufregung kann Bahnmüller deshalb nicht verstehen. «Es scheint, als glaube man, wir würden an diesem Tag aus allen Buben Mädchen machen wollen oder umgekehrt», sagte sie. Dem sei natürlich nicht der Fall. Vielmehr sei es das Ziel, mit Schülerinnen und Schülern über verschiedene Geschlechterrollen und Lebensentwürfe zu sprechen. Dabei werde in geschlechtergetrennten Gruppen über diese Themen diskutiert.
Bahnmüller sagte zudem, dass das Schreiben in den sozialen Medien nicht die offizielle Einladung sei, sondern lediglich eine Erinnerung, das direkt an die Jugendlichen verteilt worden sei. Die Eltern hätten bereits vor den Frühlingsferien einen Brief mit sämtlichen Informationen erhalten. Beschwert habe sich darüber niemand.
Ein beliebtes Argument der Kritikerinnen und Kritiker am «Gender-Tag» lautete, die geplanten Themen hätten im Schulunterricht nichts zu suchen. Ein Blick auf den Lehrplan 21 zeigt aber: «Geschlechter und Gleichstellung» ist als fächerübergreifendes Thema und überfachliche Kompetenz in diesem festgeschrieben. Konkret heisst es darin etwa, das Thema befasse sich «mit Wahrnehmung und Umgang mit Geschlecht und Rollen in der Gesellschaft und thematisiert die Auseinandersetzung mit Gestaltungsmöglichkeiten und Lebenschancen aufgrund des Geschlechts».
Kurz nach Beginn des Shitstorms teilte die Schule Stäfa mit, der «Gender-Tag» werde abgesagt. Grund dafür seien Sicherheitsbedenken. «Leider gibt es auch Hinweise darauf, dass der Tag massiv gestört werden könnte», schreibt die Schule Stäfa auf ihrer Homepage. In Absprache mit der Polizei habe man sich «zum Schutz der Mitarbeitenden und Jugendlichen» dazu entschieden, stattdessen einen normalen Schultag durchzuführen.
Dass sich Nationalräte in die Gemeindeautonomie einmischen, gehe gar nicht, sagte Gemeindepräsident Christian Haltner (FDP) dazu gegenüber der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.
Definitiv streichen will man den «Gender-Tag» in Stäfa aber nicht. Die Schule schreibt, die Themen würden nach wie vor als wichtig erachtet. Man prüfe nun intensiv, wieder einen Rahmen für diese Themen zu schaffen, der offenen Austausch zulässt.