Schweiz
Gesellschaft & Politik

Christoph Berger: Deshalb wurde der Impfchef entführt

Warum Berger wohl wirklich entführt wurde – und wie viel Geld der Erpresser wollte

Ein 38-jähriger Deutscher brachte den Impfkommissionspräsidenten Christoph Berger vorübergehend in seine Gewalt. Recherchen zeigen, was der Täter von ihm wollte und wie er zur Pandemie stand.
12.04.2022, 06:0912.04.2022, 06:28
Andreas Maurer, Patrik Müller / ch media
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Der Schluss war schnell gemacht: Ein Mann, der mit einem Coronaskeptiker zusammen eine Firma aufgebaut hat, entführt Christoph Berger, landesweit bekannt als Präsident der eidgenössischen Impfkommission. Das muss einen politischen Hintergrund haben. Doch am Sonntag teilte Berger mit:

«Der Täter machte keine Bezüge zu meiner Rolle als Präsident der Impfkommission. Es standen einzig wirtschaftliche Interessen des Täters im Vordergrund.»

Seither fragt man sich: Wenn er nicht wegen seiner Funktion als Impf-Präsident, die ihn schweizweit bekanntmachte, entführt worden ist – warum dann? Ist er ein reines Zufallsopfer, hätte es auch irgendjemanden sonst treffen können?

Christoph Berger, Praesident, Eidgenoessische Kommission fuer Impffragen EKIF, spricht an einem Point de Presse zur Covid 19 Situation, am Mittwoch, 29. September 2021, in Bern. (KEYSTONE/Anthony Anex ...
Christoph Berger wurde von seinem Entführer erpresst.Bild: keystone

Die Antwort lautet: Nein. Der Entführer hat ein Opfer gesucht, von dem er annehmen konnte, dass es ihm innert kurzer Zeit einen «sechsstelligen Betrag» geben könnte, also mindestens 100'000 Franken. Das sagen Quellen, die mit den Vorgängen im Fall Wallisellen vertraut sind, gegenüber CH Media.

Erste Ermittlungen zeigen: Geld war das Hauptmotiv

Der Täter steckte in akuten Geldnöten und ging davon aus, dass ein Arzt in der Lage sein würde, einen solchen Betrag aufzutreiben. Zumal dieser Arzt einen gewissen Bekanntheitsgrad hat. So kam der Täter auf den Namen des renommierten Kinderarztes Berger, ohne dass dabei sein Mandat bei der Impfkommission, die ihn einer breiten Öffentlichkeit bekanntmachte, eine Rolle spielte. Die beiden waren sich davor noch nie begegnet.

Am vorletzten Mittwoch entführte der Mann dann den Kinderarzt. Er hielt ihn über eine Stunde lang in seiner Gewalt und versuchte, den Geldbetrag von ihm zu erpressen. Berger teilte dazu mit: «Die Forderung hat er mit Drohungen verknüpft, was passieren könnte, wenn ich der Forderung nicht innert der von ihm genannten Frist nachkäme.»

Berger versprach das Geld zu organisieren

Weil bislang wenig bekannt war über die Motive des Täters, wurde spekuliert, ob es einen Zusammenhang geben könnte mit dem Kinderspital Zürich, wo Berger angestellt ist. An jedem Spital können Dinge schieflaufen, und das kann bei den Betroffenen zu unkontrollierbaren Reaktionen führen. Hier war das aber nicht der Fall. Der Täter hatte keine Kinder und war noch nie mit dem Kinderspital in Kontakt gekommen. Gemäss aktuellem Ermittlungsstand wurde Berger als Privatperson zum Opfer, als prominenter Arzt, dem der Täter unterstellte, über Geld zu verfügen.

Es scheint, dass Berger in der Zeit, als ihn der Täter festhielt, professionell und ruhig reagierte, sodass dieser nicht die Kontrolle verlor – wozu er im Stande sein würde, zeigte sich eine Woche später. Als die Polizei den 38-Jährigen aufspürte, um ihn zu verhaften, griff er zur Waffe; dabei schoss er um sich und tötete seine 28-jährige Partnerin.

Berger versprach dem Täter, ihm das Geld zu organisieren, worauf er ihn wieder freiliess. Danach alarmierte Berger die Kantonspolizei. Eine Woche lang lief der Entführer dann frei herum, bis ihn die Polizei am letzten Mittwoch verhaften wollte und ihn bei der Aktion, weil er zu schiessen begann, tötete.

Der Geschäftspartner sitzt in U-Haft: Ein ungleiches Duo

Am Tag danach verhaftete die Polizei den 34-jährigen Geschäftspartner des Verstorbenen. Das Zwangsmassnahmengericht hat inzwischen auf Antrag der Zürcher Staatsanwaltschaft Untersuchungshaft angeordnet. Der Mann wird folgender Delikte verdächtigt: Beteiligung an Freiheitsberaubung, Entführung und versuchter Erpressung. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Der 38-jährige Deutsche und der 34-jährige Schweizer führten zusammen ein Start-up für eine Nachbarschaftshilfe-App. In einem Werbevideo posierte das Duo vor dem Bundeshaus und erklärte die Motivation so: Sie wollten etwas Gutes tun für die Gesellschaft. Doch das Projekt kam nicht gut an. Eine richtige Community entstand nicht. Mehrere negative Bewertungen im App-Store geben an, die Plattform funktioniere nicht.

Zur Pandemiepolitik hatte das Duo ganz unterschiedliche Bezüge. Der verhaftete Geschäftspartner war tief in der Verschwörungsszene drin. Er verbreitete die vielleicht absurdeste aller Theorien: Er glaubte allen Ernstes, die Erde sei eine Scheibe, und vertrat diese These sogar in einem Interview. Die These hat den Reiz, dass sie jenen, die daran glauben, erlaubt, sämtliche Fakten in Frage zu stellen und sich eine eigene Realität zu bilden.

Anhaenger des Vereins Stiller Protest bei einer Demonstration gegen die Massnahmen zur Eindaemmung des Coronavirus in Liestal, am Samstag, 20. Maerz 2021. (KEYSTONE/Georgios Kefalas)
Der Geschäftspartner des Entführers lief bei einer Massnahmengegner-Demo in Liestal mit.Bild: keystone

Der Täter wollte mit der Pandemie Geld verdienen: Er dealte mit Masken

Der mutmassliche Haupttäter sah die Pandemie hingegen ganz anders. Mit seiner Freundin und einer weiteren jungen Frau führte er eine weitere Firma, die in einem Onlineshop unterschiedlichste Produkte anbietet: von Babysonnenbrillen bis Hundepullovern.

Die Coronakrise betrachteten sie als Gewinnmöglichkeit. Sie importierten Schutzmasken aus China – eine Geschäftsidee, die kaum von Massnahmengegnern stammen kann. Der Onlineshop macht allerdings nicht den Eindruck, dass die Inhaber damit Geld verdienten. Das Budget reichte nicht einmal für fehlerfreie Werbetexte aus.

Auf den sozialen Medien inszenierte sich das Liebespaar jedoch ganz anders. Der Deutsche und die Schweizerin gaben sich als erfolgreiche Jungunternehmer mit gehobenem Lifestyle. Vergangene Woche endeten die Träume in einem Blutbad.

Berger geht es relativ gut

Berger fand nach der Extremsituation Halt in seinem Berufsalltag: Er erschien vergangene Woche zur Arbeit und wurde mehrfach am Kinderspital gesichtet. In einer Videokonferenz wandte er sich ans Personal, um über die geltenden Coronaregeln zu informieren. (aargauerzeitung.ch)

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28 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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pamayer
12.04.2022 07:07registriert Januar 2016
Arme, kranke Existenzen, die für Geld töteten. So profan.
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Jo Kaj
12.04.2022 07:42registriert Juli 2019
"Das Budget reichte nicht einmal für fehlerfreie Werbetexte aus."

Seit wann brucht man Geld um fehlerfreie Texte zu screiben (sorry das Geld ging aus baim letzten Wirt). 😅😂
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Päule Freundt
12.04.2022 07:49registriert März 2022
Verstehe einer diesen Entführungsfall. Zuerst gab es eine superprovisorische Verfügung, wonach der Name der entführten Person nicht genannt werden dürften und nun sprudeln plötzlich viele Details, wie zum Beispiel ein sechsstelliger Betrag als Forderungssumme.

Auf jeden Fall haben nun die Reporter viel zu tun.
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