Die Sitzung fand am Donnerstag frühmorgens um 7 Uhr statt. Die Spitzen von SVP und FDP segneten einen gemeinsamen Brief ab. Die Entwicklung der Bundesfinanzen seien «besorgniserregend», schreiben SVP-Präsident Marcel Dettling und FDP-Präsident Thierry Burkart zusammen mit den Fraktionschefs. Die Bundesausgaben hätten sich seit 2000 fast verdoppelt – von 47,1 auf 85,7 Milliarden. Im selben Zeitraum hätten sich auch die Bundesausgaben pro Kopf deutlich erhöht: von 6500 auf 9500 Franken.
Den Brief richten Dettling und Burkart an Mitte und GLP. «Eine solide Finanzpolitik ist und bleibt eine der grossen Stärken der Schweiz», heisst es im Schreiben an die Präsidenten Gerhard Pfister und Jürg Grossen. «Dieses Schweizer Erfolgsmodell ist in Gefahr – und es braucht eine neue bürgerliche Allianz, um es zu sichern.» Eine Allianz, wie es sie 2003 bei der Einführung der Schuldenbremse gab: mit SVP, FDP und der damaligen CVP.
SVP und FDP wollen mit einer bürgerlichen Koalition dafür sorgen, dass möglichst viel der Sparvorlage von Finanzministerin Karin Keller-Sutter durchkommt. Sie will das Budget ab 2027 um 3,6 Milliarden Franken entlasten.
Mit dem Brief wollen SVP und FDP «den Scheinwerfer auf die Mitte und GLP legen», wie es Marcel Dettling formuliert, «damit wir endlich bürgerliche Finanzlösungen präsentieren können.» Oder anders gesagt: SVP und FDP setzen Mitte und GLP unter Druck, zu sparen.
Es ist der Versuch, wieder eine verlässliche bürgerliche Achse herzustellen. Er sei «sehr interessiert an einer breiten bürgerlichen Zusammenarbeit» in der Finanzpolitik, sagt FDP-Präsident Burkart. «Denn es darf keine zusätzlichen Belastungen geben für die Bürger.»
Die letzten Versuche verliefen ernüchternd. Bei der Wiederausfuhr von Waffen zerstritten sich SVP, FDP und Mitte dermassen, dass sich die Präsidenten heute gegenseitig die Schuld am Desaster zuschieben.
Nicht viel besser sieht es aus beim Versuch, das Budget der Armee bereits bis 2030 auf ein Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) zu erhöhen. Im Grundsatz sind sich SVP, FDP und Mitte zwar einig. Alle bisherigen Versuche der Bürgerlichen, das Vorhaben zu finanzieren, schlugen aber spektakulär fehl.
Ein Lichtblick – vor allem für die SVP – war der Entscheid des Nationalrats, dass vorläufig Aufgenommene keine Familienangehörigen mehr nachziehen dürfen. Der umstrittene Beschluss kam nur zustande, weil FDP und Mitte mit der SVP stimmten. In der Fraktion sei die Freude spürbar gewesen, sagt Dettling. «Man wirft uns immer vor, wir präsentierten keine Lösungen. Im Asylbereich haben wir in den letzten Jahren aber über 200 Lösungsvorschläge aufgezeigt. Bis anhin wurde leider alles abgelehnt. Ich bin aber froh, wenn wir im Interesse des Landes Lösungen hinkriegen.»
Beim Sparpaket des Bundesrats harzt es aber erneut. Das überrascht. Immerhin galten Finanzpolitik, Schuldenbremse und Sparen als klassische bürgerliche Politdomänen. Doch mit der Pandemie und dem Ukraine-Krieg ab 2022 bröckelten sie.
Spar-Ausreisserin Nummer eins ist die Mitte. Präsident Pfister machte auf «X» keine Mördergrube aus seiner Sparunlust. «Früher nannte man den Bundeskanzler oder den Präsidenten des Vororts den ‹8. Bundesrat›. Heute ist's jemand wie Gaillard», kommentierte er süffisant die Meldung, der Bundesrat habe das 4-Milliarden-Sparpakt der Arbeitsgruppe um Serge Gaillard weitgehend übernommen. Parallel retweete er die Mitte-Stellungnahme, das Entlastungspaket fokussiere zu einseitig auf die Ausgabenseite: «Es braucht einen ausgewogeneren Vorschlag.»
Im Gespräch sagt Pfister, für die Mitte seien «Lösungen in den sozialen Fragen unabdingbar für den Zusammenhalt der Schweiz» – etwa mit den Mitte-Initiativen für faire Steuern und Renten für alle Ehepaare.
Pfister geht aber noch weiter. Er spricht davon, wie sich das Staatsverständnis in der Schweiz geändert hat. Die Rolle des Staates werde «in weiten Teilen unserer Gesellschaft neu bewertet», betont er. «Die Menschen haben realisiert, dass wir wieder eine echte soziale Marktwirtschaft brauchen mit einem starken Staat.» Das habe zu tun mit sinkender Kaufkraft, steigenden Prämien und Mieten.
«Die Menschen haben nicht vergessen, dass der Staat in der Pandemie und zur Rettung von Grossbanken in den letzten Jahren massive Finanzhilfen beschlossen hat», sagt er – und folgert: «Deshalb brauchen wir einen New Deal, das heisst einen neuen Gesellschaftsvertrag in sozialen Fragen.»
Doch auch die GLP reisst aus. «Lieber Bundesrat: Sparen ja, aber doch nicht nach dem Motto ‹Die Vergangenheit weiter subventionieren, statt in die Zukunft zu investieren›», schrieb Präsident Jürg Grossen auf «X».
Damit offenbart sich eine fundamentale finanzpolitische Differenz zwischen SVP/FDP und Mitte/GLP: Dettling und Burkart wollen nur durch Entlastungen bei den Ausgaben zum Ziel kommen. Pfister drängt auf zusätzliche Einnahmen und Grossen fordert eine andere Prioritätensetzung beim Sparen, damit der Staat handlungsfähig bleibt.
Für SP-Präsident Cédric Wermuth sind die finanzpolitischen Verwerfungen bei den Bürgerlichen kein Zufall. «Die rigide ausgestaltete Schuldenbremse ist faktisch eine Investitionsbremse», sagt er. Lange habe sie vor allem dazu gedient, Anliegen der SP zu blockieren. «Jetzt trifft es die Rechte bei ihren Aufrüstungsplänen.»
Es gibt aber auch parteipolitische Gründe, die eine Sparallianz torpedieren. Die Bundesratswahlen 2027 hängen wie ein Damoklesschwert über dem Vorhaben: Die Mitte will unbedingt einen zweiten Sitz gewinnen – und die FDP will ihren zweiten Sitz unbedingt sichern. Das erschwert einen Schulterschluss.
Dass sich FDP-Präsident Burkart und Mitte-Präsident Pfister auf persönlicher Ebene nicht sonderlich gut verstehen, wie Beobachter bestätigen, verschärft die Situation.
Thierry Burkart dementiert dies zwar. «Ich habe keine Vorbehalte gegenüber Gerhard Pfister», betont er. Einen Seitenhieb verkneift er sich trotzdem nicht: «Im Ständerat haben FDP und Mitte eine sehr gute Zusammenarbeit. Hier steht zum Glück die Sachpolitik zum Wohl des Landes im Vordergrund.» Pfister hält fest: «Aus meiner Sicht arbeite ich mit allen Präsidentinnen und Präsidenten der Parteien gut zusammen im Wissen, dass wir Konkurrenten sind, die in einem demokratischen Wettbewerb stehen.»
SP-Präsident Wermuth wiederum macht noch zwei weitere Beobachtungen. «Die FDP biedert sich immer mehr der SVP an, im Stil wie im Inhalt», sagt er. «Es gibt kaum noch einen Themenbereich, in dem sich die FDP eigenständig positioniert. Man bekommt den Eindruck, dass der Inhalt an Bedeutung verliert, sie ist im Dauerwahlkampf. Das ist eigentlich ein typisches Merkmal rechtspopulistischer Parteien.»
Bei der Mitte ortet Wermuth das Problem, dass diese «fast nie» mit einheitlicher Stimme spreche und dass sich ihre Vertretungen im National- und Ständerat gegenseitig torpedierten.
Mitte und GLP haben am Donnerstag beraten, wie sie auf den Brief von SVP und FDP reagieren sollen – und verfassten ebenfalls ein gemeinsames Schreiben. «Danke für Ihren Brief», heisst es darin. Weiter steht, Mitte und GLP seien skeptisch gegenüber Allianzen, die oft auseinanderbrächen. Zudem würden sie die Vernehmlassung des Bundesrats abwarten. Danach seien sie gerne bereit für ein Gespräch «im Sinne einer offenen Aussprache». (aargauerzeitung.ch)
Ausser es geht um die Armee, die Bauern oder weitere Steuersenkungen für Grossunternehmen, das lässt man sich dann gerne ein paar Milliärdchen kosten
Die beiden Parteien, die ich mittlerweile nicht mehr unterscheiden kann (ausser dass die einten etwas lauter schreien) sind seit Jahren an der Macht und für diese Entwicklung mitverantwortlich.
Das heisst doch konkret, dass 200 Mal unrealistischer Müll vorgeschlagen wurde, und keine echten Lösungsvorschläge. Sonst wäre doch mal was durchgekommen. Heisst auch, dass hier massiv Zeit verbraten wurde und es wohl so weiter geht. Mich kotzt solche "Politik" echt an. Wann werden endlich mal die echten Probleme angepackt und gelöst? Krankenkassenprämien z.B.? Wo sind da die 200 brauchbaren Lösungsvorschläge?