Der Bundesrat will dem drohenden Defizit fast ausschliesslich mit Sparmassnahmen entgegentreten. Er hat eine Vielzahl der Vorschläge der sogenannten «Gruppe Gaillard» aufgenommen und will sie umsetzen. Das Bundesbudget soll so ab 2027 in Höhe von 3 bis 3,5 Milliarden Franken entlastet werden. Das kommunizierte er am Freitagnachmittag.
Man kam zum Schluss: «Der Bund hat ein Ausgaben- und kein Einnahmenproblem», so Finanzministerin Karin Keller-Sutter. Mit anderen Worten: Der Bundesrat will weder mehr Geld einnehmen, noch an der Schuldenbremse rütteln. Er will sparen. (Oder «sanieren», wie es Bundesrat Rösti lieber sagt.)
Die Logik dahinter: Mit der «Sanierung» solle «finanzieller Handlungsspielraum für künftige Herausforderungen erlangt werden». So bleibe man flexibel und könne auf Krisen reagieren.
Nur: In einer Zeit zu sparen, in der gleich mehrere Krisen auf uns zukommen – respektive wir uns bereits darin befinden –, ist befremdlich. Zu diesen Krisen gehört nicht nur, aber insbesondere die Klimakrise.
Es könne zum Beispiel sein, sagt zwar Bundesrat Albert Rösti, dass der Staat im Falle von grossen Unwettern – «obwohl wir das natürlich nicht hoffen» – ausserordentliche Summen ausgeben müsse. Unklar bleibt, ob dem Bundesrat wirklich bewusst ist, wie hoch diese Summen tatsächlich sein werden (ohne Konjunktiv). Erst recht, sollten wir unsere Klimaziele verfehlen.
Für die Klimawende und das selbst auferlegte Netto-Null-Ziel – aber auch für die viel zitierte Innovationsfähigkeit, die uns dereinst doppelt und dreifach zugutekommen soll – bräuchte es aber innert nützlicher Frist einen ambitionierten Umbau unserer Wirtschaft. Riesige Investitionen sind gefordert. Andere Länder haben das begriffen: Die USA transformieren ihre Wirtschaft mit dem Inflation Reduction Act komplett. Die EU arbeitet an einem Net-Zero Industry Act.
Der Bundesrat ist gemäss Keller-Sutter derweil überzeugt, dass die Klimaziele «effizienter, also mit geringerem, dafür aber mit gezielterem Mitteleinsatz, erreicht werden können». Er hat, neben diversen Kürzungen zum Beispiel im Sozialbereich, beschlossen, mehrere Subventionen im Klimabereich zu kürzen. Auch die Förderung des Nachtzugverkehrs ins Ausland gehört dazu.
Keller-Sutter verschweigt dabei, worum es wirklich geht: um ideologisches Sparen.
Denn nein, unsere Staatsausgaben arten nicht aus – auch wenn das von Keller-Sutter oder den Autoren des Gaillard-Berichts seit Jahren so behauptet wird. Bezogen aufs BIP blieb unsere Staatsausgabenquote seit 30 Jahren mehr oder weniger gleich hoch – bei um die 10 Prozent, was im internationalen Vergleich extrem tief ist. Nur weil die Staatsausgaben absolut, also ohne Verhältnisangaben, gewachsen sind, haben wir noch lange kein Problem. Genau so wird es aber seit Jahren dargestellt, zum Beispiel von Christoph Schaltegger, Gründer des ultra-liberalen IWP-Instituts und Co-Autor des Gaillard-Berichts. Es ist unerklärlich, wie Ökonomen auf die Idee kommen, irgendeine Zahl ohne ihr Verhältnis zu anderen Wachstumszahlen anzugeben.
Ebenso verhält es sich mit der Schuldenquote, die der Bundesrat auch in Zukunft in keinster Weise reformieren will, wie Albert Rösti am Freitag erneut betonte. Sie befindet sich aber auf rekordtiefem Niveau: 2024 liegt die Netto-Schuldenquote bei schätzungsweise 17,4 Prozent – im Vergleich zu 23,6 Prozent vor der Einführung der Schuldenbremse. Auch das ist im weltweiten Vergleich extrem tief.
Doch an der Schuldenbremse will nicht gerüttelt werden – okay. Dann gäbe es noch immer die Möglichkeit, das Defizit über höhere Einnahmen zu decken. Mittels Steuern beim entsprechenden Klientel könnte man zum Beispiel die Löcher stopfen, die durch zahlreiche Steuererleichterungen oder -abschaffungen wie die Erbschaftssteuer oder die Aktiengewinnsteuer entstanden sind. (Auch als Folge davon hat sich übrigens die Summe aller Erbschaften und Schenkungen in den letzten 15 Jahren fast verdoppelt.)
Aber auch das widerstrebt dem bürgerlichen Bundesrat, wie er heute erneut gezeigt hat.
Derweil spielt der Chef-Autor des Gaillard-Berichts, Serge Gaillard, die klimapolitischen Herausforderungen herunter:
Der Bundesrat und die Gruppe Gaillard sagen, dort, wo man jetzt spare, das alles seien Aufgaben, die nicht der Staat, sondern andere, wie zum Beispiel die Kantone, übernehmen könnten. Allerdings gibt es absolut keine Garantie, dass sie dies auch tun werden. Am Ende wird es in der Regel bei Privaten liegen bleiben. Und dass Private Krisen wie beispielsweise die Klimakrise lösen können oder wollen, kann spätestens im Jahr 2024 angezweifelt werden.
Mit der am Freitag vorgeschlagenen «Sanierung» will der Bundesrat «finanziellen Handlungsspielraum» für künftige Krisen erlangen. Das heisst nichts anderes, als dass man das Geld lieber morgen ausgibt als heute, in der Hoffnung, dass der Ernstfall dann doch nicht so ernst ausfällt. Dass die Klimakrise aber bereits heute Realität ist und dass es um ein Vielfaches mehr kosten wird, wenn der Kampf gegen Klimawandel und seine Auswirkungen vertagt werden – das hat der Bundesrat offenbar nicht begriffen.
Nicht? Wieso nicht?