Mit einem umfassenden Massnahmenpaket plant die Landesregierung, den Bundeshaushalt wieder ins Lot zu bringen. Ab 2027 will sie das Budget um 3,6 Milliarden Franken entlasten. Ab 2030 sollen es dann 4,6 Milliarden Franken sein. Nicht betroffen sein soll die Armee. Insgesamt 60 Massnahmen zählt der Bundesrat auf der am Freitag publizierten Liste mit dem Titel «Massnahmen Aufgaben- und Subventionsüberprüfung» auf. Basis für die Vorschläge war der Anfang September präsentierte Bericht einer Expertengruppe.
Längerfristig am meisten ins Gewicht fällt der geplante Verzicht auf die Bundesbeiträge für die familienergänzende Kinderbetreuung. Dies soll das Bundesbudget ab 2030 um fast 900 Millionen Franken jährlich entlasten. Eine halbe Milliarde Franken pro Jahr will der Bundesrat mit der Verkürzung der Integrationspauschale für Flüchtlinge auf vier Jahre einsparen.
Weitere grössere potenzielle Sparposten sind der Verzicht von Klimaschutz-Subventionen, etwa für das Gebäudeprogramm (400 Millionen Franken), das Einfrieren der Ausgaben für die Entwicklungshilfe (313 Millionen Franken), Massnahmen innerhalb der Bundesverwaltung (305 Millionen Franken), die Kürzung der Einlagen in den Bahninfrastrukturfonds (200 Millionen Franken) und der Beiträge an den Nationalfonds (145 Millionen Franken).
Nicht auf der Liste der Sparvorschläge figuriert die Armee. Würden die Armeeausgaben weniger schnell erhöht und der Wiederaufbau der Fähigkeiten zur Verteidigung gebremst, müsste in anderen Politikbereichen weniger gespart werden, gab die Expertengruppe Anfang September bekannt. Davon will der Bundesrat offenbar nichts wissen.
Verzichten will er auch auf die Streichung des Förderbeitrags für den Güterverkehr oder die Wohnbauförderung sowie der Überbrückungsleistungen für ältere Arbeitslose. Teilweise verweist der Bundesrat auf hängige Vorlagen im Parlament, teilweise auf Volksentscheide, die es zu akzeptieren gelte.
Auf der Einnahmenseite plant der Bundesrat nur zwei zusätzliche Massnahmen im Umfang von rund 300 Millionen Franken im Jahr 2028: So sollen Kapitalbezüge aus der zweiten und dritten Säule künftig höher besteuert werden. Zudem prüft der Bundesrat, neu alle Importkontingente für landwirtschaftliche Güter zu versteigern, was ebenfalls zu Mehreinnahmen führen könnte.
Der Bundesrat schreibt von «Eckwerten des Entlastungspakets für den Bundeshaushalt». Die Details sollen mit der Vernehmlassungsvorlage voraussichtlich bis Ende Januar 2025 präsentiert werden. Der Bundesrat sieht vor, einen Mantelerlass vorzulegen, der Änderungen zahlreicher Gesetze umfasst.
Die Vorschläge des Bundesrats dürften in der Vernehmlassung und später im Parlament heftig diskutiert werden. Linken Kreisen dürfte vor allem die tieferen Subventionen im Klimabereich missfallen, aber auch der geplante Verzicht auf Kita-Hilfen des Bundes.
Unter den Sparhammer kommen soll auch die Förderung des Nachtzugverkehrs ins Ausland. Diese Subvention hatte das Parlament erst kürzlich bei der Revision des CO2-Gesetzes beschlossen.
Umstritten sein dürfte auch die geplante Halbierung der Bundesbeiträge an die indirekte Presseförderung. Die Mitgliedschafts- und Stiftungspresse soll davon künftig ausgenommen werden. Die Subventionen für die Lokal- und Regionalpresse sollen gekürzt werden.
Die Grünliberalen fordern bei den Sparmassnahmen des Bundes eine klare Prioritätensetzung. Privilegien einzelner Branchen und Subventionen müssten fallen – Investitionen in die Zukunft sollten nicht auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben werden.
In einer Stellungnahme vom Freitag begrüsste die Partei grundsätzlich die Bemühungen des Bundesrats. Sparen nach dem Motto «Die Vergangenheit weiter subventionieren, statt in die Zukunft zu investieren» werde man aber nicht unterstützen, schrieb die GLP. Stattdessen lege man den Fokus auf das Abschneiden alter Zöpfe.
Als Herausforderungen der Zukunft nannte die Partei im Communiqué etwa den Fachkräftemangel, den Klimawandel und die Alterung der Gesellschaft.
Die Grünliberalen befürchten nach eigener Aussage, dass das Parlament bei der Beratung des Sparpakets Investitionen streicht und stattdessen Subventionen ausbaut.
Die Mediengewerkschaft Schweizer Syndikat Medienschaffender (SSM) hat sich schockiert gezeigt über die Pläne des Bundesrats hinsichtlich des Auslandangebots der SRG. Kritik kommt auch von der SRG selbst.
Ein Verzicht auf den Bundesbeitrag von knapp 19 Millionen Franken würde faktisch das Ende der zehnsprachigen Plattform Swissinfo.ch bedeuten, schrieb das SSM am Freitag in einem Communiqué.
Das Auslandangebt der SRG umfasst neben Swissinfo auch die italienischsprachige Website tvsvizzera.it sowie die Zusammenarbeit mit den Fernsehsendern TV5 Monde und 3sat. Es wird zur Hälfte vom Bund und zur Hälfte von der SRG finanziert.
Durch die Streichung der Gelder für Swissinfo würden 100 Festangestellte und mehr als 100 freie Mitarbeitende auf die Strasse gestellt, so das SSM. Dies bedeute erneut einen schweren Schlag für den Medienplatz Schweiz und einen weiteren Verlust an Medienvielfalt. Man werde sich deshalb in der nun anstehenden Vernehmlassung dagegen äussern.
Die SRG selbst bestätigte in einer Stellungnahme, ohne den Bundesbeitrag könne sie ihr Auslandsangebot nicht aufrechterhalten. Dies wäre sowohl für die Auslandschweizer als auch für die Präsenz der Schweiz im Ausland schwerwiegend und ein gravierender Nachteil. Die Schweiz würde damit ihre Fähigkeit stark einschränken, ihre Entscheidungen im Ausland verständlich zu machen, wie auch ihren Künstlerinnen und Künstlern oder kulturellen Produktionen im Ausland eine Bühne zu geben.
Wie die Gewerkschaft SSM gab auch die SRG zu bedenken, Swissinfo sei für Auslandschweizer eine wichtige Verbindung zu ihrem Heimatland.
Die Plattform Swissinfo wurde einst als Nachfolgerin von Schweizer Radio International geschaffen. Schon Ende 2011 war sie einer einschneidenden Umstrukturierung unterzogen worden. Die SRG hatte damals angekündigt, bis Ende 2012 rund 40 von 126 Stellen zu streichen. Das Budget von 26 Millionen war um ein Drittel gekürzt worden. Das Mandat für das Ausland wurde in der Folge vom Bundesrat regelmässig verlängert.
Die Grünen haben die am Freitag vom Bundesrat präsentierten Massnahmen als «rechtskonservatives Sparpaket» bezeichnet. Die rechte Regierungsmehrheit wolle damit den Klima- und Umweltschutz um «Jahre zurückwerfen».
Die geplanten Sparmassnahmen von fast einer Milliarde bei Klima- und Umweltschutz machten einen Viertel des gesamten Abbauprogramms aus, teilten die Grünen mit. Damit würden der öffentliche Verkehr verteuert, Nachtzugverbindungen gestrichen und auf Gebäudesanierungen verzichtet.
Der Vorschlag des Bundesrates zeige, wie dieser die Schweiz in eine Zeit zurückführen wolle, in der Klima- und Umweltschutz «nur Wunschträume» waren. Die Grünen kündigten an, diesen Abbau sowie den Rückschritt bei der familienergänzenden Kinderbetreuung, der AHV und bei Bildung und Forschung zu bekämpfen.
Der Schweizerische Gewerkschaftsbund fordert nach der Präsentation der Sparvorschläge des Bundesrats Änderungen bei der Schuldenbremse. Zudem will er die Kantone in die Pflicht nehmen.
«Alle wissen, dass die Schuldenbremse nicht verfassungskonform umgesetzt ist», schrieb der SGB am Freitag in einem Communiqué. Statt ausgeglichener Finanzen produziere sie Überschüsse auf Kosten der Bevölkerung.
Klar sei zudem, dass der Bund immer mehr Aufgaben der Kantone übernehmen müsse, weil diese ihre Arbeit nicht machten, hiess es weiter. Als Beispiele nannte der Gewerkschaftsbund die Programme zur Schaffung von Kita-Plätzen oder die Prämienverbilligungen.
Vor diesem Hintergrund forderte der SGB eine Auslegeordnung. Mit einer korrekten Anwendung der Schuldenbremse und einer ausgewogeneren Verteilung von Bundes- und Kantonsgeldern steige der Ausgabenspielraum des Bundes um zwei bis vier Milliarden Franken. «Ob es dann überhaupt noch ein Sparprogramm braucht, ist mehr als fraglich.»
Der Personalverband des Bundes (PVB) zeigte sich besorgt und verlegte eine vertiefte Konsultation. Würden wie vorgeschlagen bis 2028 insgesamt 180 Millionen Franken beim Bundespersonal eingespart, werde dies massive Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen haben.
Die SP kritisiert die Sparvorschläge des Bundesrats als «Kahlschlag auf Kosten der Menschen». Es handle sich um einen Angriff auf die soziale Schweiz. Diesen werde man mit aller Kraft bekämpfen.
«Die angeblichen finanzpolitischen Engpässe sind neben der Aufstockung der Armee dem ideologischen Tunnelblick im Finanzdepartement geschuldet», schrieb die Partei am Freitag in einem Communiqué.
Es wäre sozial verheerend, wenn bei der AHV, bei Kitas, Entwicklungszusammenarbeit und Klimaschutz gespart werde, so die SP weiter. Währenddessen würden Armee, Konzerne und Vermögende weiterhin geschont.
«Jetzt rächen sich die übermässigen Steuergeschenke für Unternehmen und Reiche der letzten Jahrzehnte», liess sich SP-Co-Präsident Cédric Wermuth in der Mitteilung zitieren.
Die FDP begrüsst die Sparvorschläge des Bundesrats als «mutigen ersten Schritt». Dennoch ist die Partei nur halb zufrieden. Sie stellt sich aber dagegen, dass die Landesregierung zur Stabilisierung der Bundesfinanzen auch auf höhere Einnahmen setzt. Stattdessen solle man noch mehr sparen.
Die Schweiz habe kein Einnahme-, sondern ein Ausgabenproblem, schrieb die Partei am Freitag in einem Communiqué: «Es muss nun dringend weniger Geld ausgegeben, nicht mehr Geld aus dem Portemonnaie der mittelständischen Steuerzahler gezogen werden.»
Das Communiqué überschrieben die Freisinnigen mit «Bleiben sie sparmutig, lieber Bundesrat!» Spritsparpotenziale gebe es mehr als genug. Der Linken und der ihrer Meinung nach «sehr mobilen, kaum noch bürgerlichen» Mitte-Partei warfen sie vor, sie würden «bei allen Sparvorschlägen aufschreien».
Auch der Wirtschaftsdachverband Economiesuisse begrüsste die Vorschläge des Bundesrats. Weil der Bund ein Ausgabenproblem habe, sei es konsequent, auf der Ausgabenseite anzusetzen, schrieb er auf der Plattform X (vormals Twitter): «Die Wirtschaft fordert, dass die Schuldenbremse eingehalten wird und die Defizite bereinigt werden.»
Die Kantone melden Vorbehalte gegenüber den Sparvorschlägen des Bundesrats an. Reine Lastenverschiebungen zuungunsten der Kantone brächten keinen echten Spareffekt. Es brauche daher noch Korrekturen.
Gesunde Bundesfinanzen seien auch im Interesse der Kantone, schrieb die Konferenz der Kantonsregierungen (KdK) am Freitag in einer Stellungnahme. In vielen Aufgabenbereichen mit gemeinsamer Finanzierung durch Bund und Kantone seien Letztere jedoch an vorgegebene Leistungsniveaus gebunden. Sie könnten sich deshalb nicht im gleichen Umfang entlasten wie der Bund und müssten kurzfristig sogar Finanzierungslücken decken.
Direkte Lastenabwälzungen lehne man daher entschieden ab, liess sich der Aargauer Finanzdirektor Markus Dieth (Mitte), der auch Präsident der KdK ist, im Communiqué zitieren.
Die Kantonsregierungen anerkennen zwar, dass der Bundesrat verschiedene Kritikpunkte der Kantone berücksichtigt habe. Es verblieben jedoch verschiedene kritische Massnahmen, und die Vorlage müsse noch korrigiert werden.
Zudem solle das laufende Projekt zur Entflechtung von Bundes- und Kantonsaufgaben sowie deren Finanzierung nicht gefährdet werden, warnte die KdK. «Danach kann jede Staatsebene für sich in ihren Zuständigkeiten soweit erforderlich Sparmassnahmen ergreifen», so Dieth.
(pre/leo/rbu/sda)
(Ja, das war Sarkasmus.)