Der Auftritt im Nationalratssaal, die Interviews in den Zeitungen, die Brandrede in der «Arena»: Alles Teil der politischen Arbeit. Deren Kern aber spielt sich in den Kommissionen ab. Dort, wo die Debatten vorbereitet werden und Gesetze ihren Ursprung haben. Wer also wo Einsitz nehmen darf, ist für die Parlamentarier entscheidend - und nicht selten bieten diese Personalentscheide einen guten Einblick in das Innenleben einer Fraktion: Wer sind die Auf-, wer die Absteiger?
Für Christian Wasserfallen ist es ein Comeback: Bereits von 2015 bis 2019 sass der Berner FDP-Nationalrat in der Umwelt- und Energiekommission (Urek). Spätestens als die FDP auf einen grüneren Kurs einzuschwenken begann, fand sie aber wenig Verwendung für den Atombefürworter und vergab den Sitz neu an den Aargauer Matthias Jauslin.
So ganz hatte das Wasserfallen nicht verwunden: Kurz vor Ausbruch des Ukraine-Kriegs veröffentlichte er ein Strategiepapier für die Energiepolitik - und forderte darin etwa die Anbindung an die inzwischen aufgegebene Gas-Pipeline Nordstream 2 aus Russland. Jetzt muss Jauslin seinen Platz in der Urek wieder für Wasserfallen räumen.
Völlig unvorbereitet trifft Jauslin der Entscheid des Fraktionspräsidiums nicht. Immer lauter wurden zuletzt die Rufe aus der FDP, die Atomenergie wieder auf die politische Agenda zu setzen. Dazu passt: FDP-Präsident Thierry Burkart wechselt in die Energiekommission des Ständerats - und übernimmt dort sogleich das Vizepräsidium. Ebenfalls neu dabei: SVP-Präsident Marco Chiesa.
Markus Ritter ist ein forscher Mann. Der Mitte-Nationalrat und Bauernpräsident ist bekannt dafür, mit Vehemenz für seine Anliegen einzutreten - nicht zuletzt deshalb gilt er als Machtmensch unter der Bundeshauskuppel.
Nun hat ihm aber seine Fraktion einen Nasenstüber verpasst: Ritter darf nicht in die Finanzkommission. Dass er das wollte, hatte er gegenüber dieser Zeitung öffentlich gemacht. Dies hatte innerhalb der Fraktion durchaus für Stirnrunzeln gesorgt: Nicht wenige fanden, Ritter dränge sich zu stark in den Vordergrund.
Wohl auch deshalb fällt Ritters Reaktion auf den Entscheid zurückhaltend aus: «Der Fraktionsvorstand hat entschieden, dass die Mitglieder der Wirtschaftskommission (WAK) und der Gesundheitskommission (SGK) wie bisher in keinen weiteren ständigen Kommissionen Einsitz nehmen können. Der Fraktionsvorstand wollte dies konsequent für alle durchziehen. Deshalb ist der Entscheid zu akzeptieren.» Seinen Sitz in der WAK wollte er nicht aufgeben.
Dafür drängen zwei andere Schwergewichte in die Finanzkommission: SP-Co-Präsident Cédric Wermuth und Damien Cottier, Fraktionspräsident der FDP.
Eine der vielen unbestätigten Regeln in Bundesbern besagt: Wer Vizepräsident einer Kommission ist, steigt nachher zum Präsident auf. Daher ist die Überraschung gross: Der Zürcher FDP-Nationalrat Hans-Peter Portmann darf die Aussenpolitische Kommission nicht präsidieren.
Der Entscheid wurde mit einem Tweet eines «Nebelspalter»-Journalisten zur Bundesratswahl begründet, in dem Portmann mit einer Aussage zu SP-Ständerat Daniel Jositsch zitiert wurde. Laut Tweet sagte er: «Die Mehrheit der SP-Fraktion hat Ignazio Cassis nicht gewählt. Das ist ein klares Zeichen, dass die SP nicht zur Konkordanz steht. Ob wir deswegen bei der Ersatzwahl Daniel Jositsch wählen, muss nun jeder Parlamentarier selber entscheiden.» «20 Minuten» berichtete als Erstes, der Tweet sei der Auslöser gewesen. Portmann bestätigt das auf Anfrage. Weiter will er sich nicht dazu äussern.
Allerdings scheint wenig glaubhaft, dass ihm nur diese Aussage zum Verhängnis wurde. Diese Zeitung schrieb im März 2022 in einem Porträt über ihn: «Hört man sich um bei Freund und Feind, fallen Begriffe wie ‹Sololäufer›, ‹unguided missile›, ‹unbedarfter Plapperi›. Manche halten ihn für die grösste Nervensäge in Bern.»
Doppelt bitter für Portmann: Abgesägt wurde er gemäss anonymen Quellen auf Antrag der eigenen FDP-Fraktion. Dass auch Portmann überrascht wurde, zeigen seine früheren Aussagen. Portmann hatte sich gegenüber dieser Zeitung bereits ausgemalt, wie er als Präsident der APK auf der weltpolitischen Bühne agieren würde.
Daraus wird nichts. Präsident wird stattdessen Laurent Wehrli (FDP/VD). Er will sich auf Anfrage nicht zur Causa Portmann äussern.
Für eine Ärztin wäre ein Sitz in der Gesundheitskommission naheliegend. Doch für die neu gewählte Zürcher FDP-Nationalrätin Bettina Balmer fand sich kein Platz mehr. Ihre Herkunft wurde dabei zum Nachteil: Für die FDP sitzen bereits zwei Zürcher in der Gesundheitskommission. Die FDP schickt statt Balmer zwei andere Neue in die Gesundheitskommission, unter ihnen die Thurgauerin Kris Vietze.
Natürlich hätte sie die Gesundheitskommission interessiert, sagt Balmer. «Ich kann aber gut damit leben, dass Neulinge manchmal hinten anstehen müssen.» Nun ist sie immerhin erster Ersatz und freut sich über ihren Sitz in der WBK, der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur.
Auch die Solothurner Pflegefachfrau Farah Rumy (SP) erhielt keinen Sitz in der Gesundheitskommission, ebenso der wohl berühmteste Pflegefachmann des Landes, der Grünliberale Zürcher Patrick Hässig.
Immerhin: Mit der Waadtländerin Brigitte Crottaz (SP) zieht neu eine Ärztin in die Kommission ein. Auch die Pflegefachpersonen bleiben nicht ganz aussen vor: Präsidentin der Kommission wird Barbara Gysi (SP), die einen Zutrittsbadge zum Bundeshaus an die Geschäftsführerin des Berufsverbands der Pflegefachpersonen vergeben hat.
«Die Sozialpolitik ist mein Herzblut», sagt Katharina Prelicz-Huber. Die Grünen-Nationalrätin und Gewerkschafterin kämpfte etwa an vorderster Front gegen die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre. Nun muss sie ihren Sitz in der Sozial- und Gesundheitskommission räumen. Weil die Grünen bei den Wahlen verloren haben, ging einer der drei Sitze flöten. Prelicz-Huber betont, sie werde sich auch in der Kommission für Wissenschaft und Bildung weiterhin für soziale Themen engagieren.
Die Auswirkungen des Wahlherbstes treffen längst nicht nur Prelicz-Huber. Bei den Grünen und Grünliberalen mussten einige über die Klippen springen, weil die beiden Parteien wegen der Wahlniederlagen deutlich weniger Sitze in den Kommissionen haben. Beat Flach (GLP/AG) beispielsweise verliert seinen Platz in der Umwelt- und Energiekommission, und der Grünen-Biobauer Kilian Baumann muss den wichtigen Sitz in der Wirtschaftskommission hergeben.
Ganz anders ist die Ausgangslage bei der SVP. Weil sie bei den Wahlen zugelegt hat, kann sie aus dem Vollen schöpfen. Sie hält neu in den nationalrätlichen Kommissionen bis zu 9 der 25 Sitze. Das minimiert natürlich das Risiko, jemanden vor den Kopf stossen zu müssen.
Die wohl am prominentesten besetzte Kommission ist die Wirtschafts- und Abgabekommission (WAK). Sie zementiert ihren Ruf als Gremium der Fraktions- und Parteipräsidien: Neu entsendet auch die Mitte-Partei mit Philipp Bregy ihren Fraktionsobersten. Präsidiert wird die wichtige Kommission ab sofort durch Thomas Aeschi, Fraktionspräsident der SVP.
Geklappt hat es auch für Marcel Dobler (FDP): Der Unternehmer aspiriert schon seit vielen Jahren auf einen Sitz in der WAK, jetzt ist sein Wunsch in Erfüllung gegangen. Nicht mehr mit von der Partie ist hingegen Grünen-Präsident Balthasar Glättli, dem nur noch die Staatspolitische Kommission bleibt. (aargauerzeitung.ch)
Nicht zum Wohl des Volkes.
Die Konsequenz von zu viel rechts.