Lange Zeit war es das bestgehütete Geheimnis zwischen Bern und Brüssel. Jetzt ist es publik: Das schriftliche Schlussresultat der fast zwei Jahre andauernden Sondierungsgespräche. Hier sind die wichtigsten Punkte:
Allfällige Senkungen des Lohnschutzes in der EU sollen durch eine sogenannte Nicht-Regressions-Klausel verhindert werden. Die Schweiz soll ihre Arbeitskontrollen weiterhin eigenständig umsetzen können.
Die Schweizer Gewerkschaften müssten aber auch Kröten schlucken: So soll die Kautionspflicht nur noch für Unternehmen gelten, die bereits einmal gegen Schweizer Gesetze verstossen haben. Ausserdem wird die Voranmeldepflicht für entsendete Arbeitnehmer von acht auf vier Tage abgesenkt.
Nicht erwähnt ist die EU-Spesenregelung, wonach entsandte Arbeitnehmer nach Sätzen des Heimatlandes entschädigt werden und die von den Gewerkschaften kritisiert wird.
Die Schweiz soll eine Ausnahme bei der Weiterentwicklung der Personenfreizügigkeit erhalten. Dies soll sicherstellen, dass die Ausschaffungsinitiative weiterhin umgesetzt werden kann. Ausschaffungen sollen zudem unter gewissen Umständen auch bei Personen möglich sein, die keiner Arbeit nachgehen und auch keine suchen.
Eine Überwachung von Staats-Subventionen soll sich auf das Luftverkehrs- und das Landverkehrsabkommen sowie das künftige Stromabkommen beschränken. Die Schweiz würde die Überwachung selbstständig durchführen. Service-Publique-Leistungen sollen erhalten bleiben.
Wie beim Rahmenabkommen verpflichtet sich die Schweiz zur dynamischen Rechtsübernahme. Auch bei der Streitschlichtung kommt das Modell des Rahmenabkommens zur Anwendung. Das heisst: Die Schweiz akzeptiert, dass der Europäische Gerichtshof (EuGH) eine verbindliche Einschätzung abgibt, sobald EU-Binnenmarktrecht betroffen ist. Ein bilaterales Schiedsgericht behandelt die Fälle und urteilt auch über die Angemessenheit von Gegenmassnahmen.
Der Zugang zu EU-Programmen wie der Forschungskooperation «Horizon Europe» oder Erasmus ist garantiert. Als «Zückerchen» sollen Schweizer Forscher in einer Übergangslösung bereits ab sofort wieder zugelassen werden. Aber: Geld gibt es erst, wenn sich der Bundesrat und Brüssel geeinigt haben.
Die Schweiz verpflichtet sich zu regelmässigen und «fairen» Kohäsionszahlungen an die EU ab 2027.
Eine juristisch bindende Guillotine-Klausel wird namentlich zwar nicht mehr erwähnt. Aber die Schweiz und die EU sind sich einig, dass die bilateralen Abkommen ein «zusammenhängendes Ganzes» sind.
Angekündigt werden ein Gesundheitsabkommen, ein Abkommen zur Lebensmittelsicherheit und am wichtigsten: Strom. Hier soll ein Recht auf Grundversorgung für Private und Unternehmen die Schweizer Ängste über eine volle Strommarktliberalisierung abfedern.
Die Schweiz erhält über das sogenannte Decision Shaping ein Mitspracherecht, wenn es um die Ausarbeitung neuer EU-Regelungen geht, die sie betreffen.
Die Schweiz und die EU einigen sich auf ein gutes Auskommen, solange die Verhandlungen über das neue Paket vorankommen. Dazu gehört insbesondere die Gewährleistung «operativer Sicherheit» beim Strom.
Die im Rahmenabkommen erwähnte Aktualisierung des Freihandelsabkommens von 1972 wird nicht mehr erwähnt. Das heisst: Sie fällt weg. Die Schweizer Kantone hatten bezüglich einer Aktualisierung Bedenken, zum Beispiel, wenn es um Steueranreize zur Standortförderung geht.
(aargauerzeitung.ch)