Wie steht es um die biologische Vielfalt in der Schweiz? Umwelt- und Naturschutzverbände sagen: Es geht ihr schlecht. Sie verweisen darauf, dass ein Drittel der Tier- und Pflanzenarten gefährdet oder ausgestorben ist. Deshalb brauche es die Biodiversitätsinitiative, sagen sie.
Die Gegner halten dagegen, es werde bereits viel getan für die Biodiversität. Sie betonen, dass ein Fünftel der Landwirtschaftsfläche der Förderung der biologischen Vielfalt dient. Und sie heben hervor, dass der Bundesrat einen Aktionsplan zur Biodiversität erlassen hat.
Doch dieser läuft Ende Jahr aus. Die Direktorin des Bundesamts für Umwelt (Bafu), Katrin Schneeberger, sagte kürzlich in einem Interview: «Die Biodiversität ist unter Druck. Darum arbeiten wir an einem neuen Aktionsplan, der konkrete Massnahmen beinhalten wird.»
Eigentlich sollte dieser bereits auf dem Tisch liegen: Der Bundesrat hatte das Departement von Bundesrat Albert Rösti beauftragt, bis Mitte 2024 einen Plan für die zweite Umsetzungsphase von 2025 bis 2030 vorzulegen. Diese Frist ist vorbei.
Die Sache verzögert sich, wie sich nun zeigt. Das Bafu erklärt, die Arbeiten seien am Laufen, der Bundesrat werde den Aktionsplan «bis Ende Jahr verabschieden». Die Frage, warum es zur Verzögerung kam, beantwortet die Behörde nicht.
Es scheint derzeit wahrscheinlich, dass der Aktionsplan erst nach der Abstimmung über die Biodiversitätsinitiative am 22. September verabschiedet wird. Das hiesse auch: Wird die Initiative abgelehnt, wäre der Druck für einen griffigen Massnahmenplan geringer.
Bei den Befürwortern der Initiative stösst die Verzögerung auf Kritik. Werde der Aktionsplan erst nachher publiziert, sei das auch aus demokratiepolitischen Gründen problematisch, halten die Initianten fest.
SP-Nationalrätin Martina Munz sagt: «Man wusste schon lange, dass der Aktionsplan ein Update braucht.» Dass dies nun erst nach der Abstimmung geschehen könnte, weckt bei ihr eine Befürchtung: «Das Abstimmungsergebnis könnte dazu missbraucht werden, um den ohnehin schwachen Massnahmenplan weiter abzuschwächen.»
Über den Inhalt des neues Aktionsplans gibt das Bafu keine Auskunft. Im bisherigen Plan waren etwa Massnahmen wie der Unterhalt und die Sanierung bestehender Schutzgebiete oder die Entwicklung einer Bodenstrategie enthalten. Umwelt- und Naturschutzorganisationen hatten den Plan stets als ungenügend bezeichnet.
Die Kritik dürfte beim neuen Plan nicht leiser werden. Stefan Kunz, Abteilungsleiter Politik und Internationales von Pro Natura, sagt, ein fachlich fundierter, mit genügend Mitteln ausgestatteter Aktionsplan könnte einen Beitrag zur Sicherung der Biodiversität der Schweiz leisten. «Bereits jetzt ist aber klar, dass es nicht dazu kommt.»
Denn die dafür notwendigen Mittel für die Umsetzung fehlten. Der Bundesrat habe die 2025-2027 vorgesehenen zusätzlichen 276 Millionen Franken für Natur und Landschaft im Frühling gestrichen. «Ein Aktionsplan ohne ausreichende Mittel bleibt, unabhängig von seinem Inhalt, ein Papiertiger.»
Die Wirkung des bisherigen Aktionsplans hat das Bafu letztes Jahr untersucht. In der Wirkungsanalyse heisst es: Viele griffige Massnahmen zugunsten der Natur seien eingeleitet oder schon umgesetzt worden. Allerdings ist auch von fehlenden Personalressourcen die Rede.
Im Fazit heisst es: Der Allgemeinzustand der Biodiversität in der Schweiz sei unbefriedigend. «Die Ziele der Strategie Biodiversität Schweiz werden mehrheitlich nicht erreicht.» Dies liege insbesondere darin begründet, dass ökologische Systeme komplex seien und nicht unbedingt rasch und linear auf Fördermassnahmen reagierten. Sprich: Es braucht Zeit.