In Australien ist Winter, wenn bei uns Sommer ist. Da Influenzaviren hauptsächlich im Winter zirkulieren, startet die Grippesaison dort somit ein halbes Jahr früher als bei uns. Das nutzen die Infektiologen in der nördlichen Hemisphäre. «Die Influenzaaktivität auf der Südhalbkugel in den Sommermonaten gibt einen Hinweis für die Aktivität der Influenza auf der Nordhalbkugel im folgenden Winter», sagt Stefan Kuster, Leiter der Infektiologie am Kantonsspital St.Gallen.
«Anhand der auf der Südhalbkugel zirkulierenden Viren und der Zusammensetzung der Grippeimpfung kann man etwas besser abschätzen, wie gut die Schutzwirkung der Grippeimpfung auf der Nordhalbkugel sein könnte.»
Die Grippesaison in Australien war dieses Jahr heftig und startete früher als im Normalfall. Den Höhepunkt erreichte die Südhalbkugel schon Ende Juni und das ähnlich stark wie 2019. Und 2019 gilt als stärkstes Grippejahr Australiens. Somit könnte man leicht davon ausgehen, dass auch auf der Nordhalbkugel eine starke Grippewelle droht. Dazu sagt Professor Jan Fehr, Infektiologe an der Universität Zürich: «Das lässt sich nicht 1:1 ableiten. Viele Faktoren beeinflussen ein Infektionsgeschehen und sind regional sehr unterschiedlich.»
Eine Rolle spielen dabei zum Beispiel die Zeit des Einbruchs der kalten Jahreszeit, dann die Immunität gegenüber Influenza und weiteren respiratorischen Viren. Diese Immunität steht auch in Bezug zur Strenge der Covid-19-Massnahmen in den Jahren zuvor. Denn diese haben wegen der Verhaltensänderungen der Menschen zu sozialer Distanz und Händehygiene geführt. Während der Pandemie gab es viel weniger Grippefälle in der Schweiz (siehe Grafik) und weltweit.
Diese Massnahmen sind vorbei, und Fehr sagt deshalb: «Ich gehe davon aus, dass die regionalen Unterschiede wieder zunehmen werden nach der Covid-Pandemie.» Die Pandemie war nach dem Uni-Professor ein «Gleichschalter», weil fast alle Länder weltweit Massnahmen zur Ansteckungsminderung von Sars-CoV-2 durchführten. Diese Massnahmen wirkten auch gegenüber Influenza oder RS-Viren. Das Immunsystem der Menschen kam weniger mit Viren in Kontakt, und so wurde die natürliche Immunität weniger aufgebaut.
«Diese Gleichschaltung gibt es so nicht mehr», sagt Fehr. Im Gegensatz zu Australien hat die Schweiz die Massnahmen im letzten Jahr aber schon früher gelockert. Das könnte bei uns eine bessere Immunität gegenüber Influenza und anderen respiratorischen Viren ergeben als in Australien. «Ob dem auch so ist, wird sich aber erst zeigen», sagt Fehr. Kurz zusammengefasst sagt er, eine hohe Zahl an Influenza-Infektionen sei wahrscheinlich, aber nicht so ausgeprägt wie in Australien. Genau wisse man das nicht.
Auffällig war, dass in Australien hauptsächlich Kinder von der Grippe betroffen waren. Dort sprach man deshalb von einer «kindy flu». Es mussten auffällig viele Kinder mit einer Influenza-Infektion hospitalisiert werden. Da seien drei Faktoren zusammengekommen, sagt Fehr. Erstens sind auch die Kinder wegen der Schutzmassnahmen in der Pandemie kaum mit Influenza oder anderen respiratorischen Viren in Kontakt gekommen. Ihnen fehlt deshalb eine Teilimmunität.
«Gleichzeitig sind die Kinder generell auch nicht geimpft und drittens kann das Grippevirus wie andere respiratorische Viren bei Kindern besonders rasch kursieren», sagt der Infektiologe der Universität Zürich. Kinder stehen in der Regel beim Spielen in viel näherem Kontakt als Erwachsene.
Erwachsene könnten mit einer Impfung einer Grippe vorbeugen. Seit dieser Woche ist die Influenza-Impfung in der Schweiz möglich. «Die jährliche Grippeimpfung ist für Menschen mit einem erhöhten Komplikationsrisiko empfohlen. Dazu zählen solche ab 65 Jahren und Menschen mit chronischen Erkrankungen wie auch Schwangeren», sagt Simon Ming vom Bundesamt für Gesundheit (BAG).
Der Grippeimpfstoff muss jedes Jahr auf neue Virenstämme angepasst werden, weil sich Influenza-Viren wie Corona-Viren laufend verändern. Allerdings legt die Weltgesundheitsorganisation WHO bereits im Februar für die nördliche Hemisphäre fest, welche Virenstämme in der neuen Grippeimpfung berücksichtigt werden müssen - also noch vor der Grippesaison in Australien.
«Natürlich wäre man froh, man könnte dann erst den Impfstoff entwickeln, wenn klar ist, welches die in der Saison massgebenden Influenzastämme sind», sagt Professor Fehr. Das Problem sei aber, dass die Entwicklung sehr aufwendig sei und von der Herstellung bis zur Verimpfung einige Monate Zeit vergehen. «Ideal wäre, man hätte einen Impfstoff, welcher nicht mehr so abhängig von verschiedenen Stämmen ist. Daran wird intensiv geforscht.»
So ist auch nicht voraussehbar, wie hoch die Trefferquote des Grippeimpfstoffs jeweils wird. «Das ist jede Grippesaison sehr unterschiedlich. Letztes Jahr lag man nicht schlecht», sagt Fehr. Und Ming vom BAG ergänzt, dass in der letzten Saison die zirkulierenden Stämme des Typs A zu einem grossen Teil durch die empfohlenen Impfstoffe abgedeckt waren. Ein Jahr zuvor funktionierte das weniger gut als letzte Saison, wogegen im Winter 2018/19 die Virenstämme fast vollständig abgedeckt waren und die Impfung somit die Höchstwirkung hatte.
Mehr zu reden als die Grippe gaben die RS-Viren. Die Schweiz erlebt eine ungewöhnlich frühe und starke RSV-Saison. Als Folge davon wurden in den Kinderspitälern in der Schweiz Rekordzahlen an Hospitalisationen verzeichnet. Somit stellt sich die Frage, ob RSV auch wieder im Anmarsch ist. «Bislang gibt es meines Wissens noch keine solchen Anzeichen», sagt Stefan Kuster. Allerdings sei RSV nicht meldepflichtig, und deshalb fehle eine detaillierte Übersicht.
«Derzeit haben wir erst sehr vereinzelt RSV-Kinder am Kinderspital der Universität Zürich. Auch schweizweit ist es diesbezüglich noch sehr ruhig», sagt der Infektiologe Fehr. Auf der Website des Nationalen Referenzzentrums für Influenza werden in der Woche 41 lediglich zwei positive Nachweise von RSV bei insgesamt 42 analysierten Proben ausgewiesen.
Eine Prognose für den kommenden Winter zu stellen, sei schwierig. «Da wir aber von RSV aus vorpandemischen Zeiten wissen, dass es oft jedes zweite Jahr eine stärkere Epidemie gibt und dazwischen ruhigere Jahre, nehme ich eher an, dass dieses Jahr die RSV-Zahlen eher nicht ganz so hoch werden wie letztes Jahr.» Zudem hatten viele Kinder letztes Jahr eine gewisse Immunität gegen RSV aufgebaut. (aargauerzeitung.ch)
Verrückte Idee, ich weiss.
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