Stell dir vor, du bist krank und musst Antibiotika nehmen. Und plötzlich wirken diese nicht mehr. Klingt wie ein Horrorszenario? Ist es auch. Doch die Gefahr ist real, warnen Bund wie Ärzte.
Antibiotika gehören zu den wertvollsten Medikamenten, welche wir kennen. Verliefen Blutinfektionen oder Lungenentzündungen noch in den 1930er-Jahren oft tödlich, können sie heute gut behandelt werden.
Doch: Je häufiger Antibiotika eingesetzt werden, desto eher werden Bakterien dagegen resistent. Das kann schwerwiegende Folgen für Mensch und Tier haben.
Das Bundesamt für Gesundheit BAG schätzt, dass in der Schweiz «jährlich etwa 300 Menschen an resistenten Infektionen sterben». Das schreibt es auf Anfrage von watson.
Antibiotikaresistenzen haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. «Diese Entwicklung geschah unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung», heisst es beim Universitätsspital Zürich auf Anfrage von watson.
Im Vergleich zu anderen Ländern stehe die Schweiz aktuell noch gut da, «aber auch hier nehmen die Antibiotikaresistenzen zu», sagt der dortige Leiter der Spitalhygiene an der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, Walter Zingg.
«Vor allem bei Erregern von Infektionen, die im Spital erworben werden, und bei Patienten mit beeinträchtigtem Immunsystem nimmt die Resistenz gegenüber üblicherweise eingesetzten Antibiotika kontinuierlich zu.»
Ähnlich klingt es beim Inselspital Bern: «Auch in der Schweiz ist es in den letzten Jahren zu einer Zunahme an antibiotikaresistenten Keimen gekommen, wenn auch auf einem tieferen Niveau als in anderen europäischen Ländern», sagt der dortige Leiter der Spitalhygiene, Philipp Jent.
Ein britischer Arzt startet jetzt einen drastischen Appell: Antibiotikaresistenzen könnten zur nächsten globalen Gesundheitsbedrohung werden, sagt er in der Times. Der Mann warnt vor nicht behandelbaren Superbakterien. Das sei eine «stille Pandemie» und beängstigender als Corona, zitiert ihn auch der Blick.
Der Brite fordert in der Zeitung zudem, man müsse Antibiotikaresistenzen so ernst nehmen wie den Klimawandel – und dagegen ankämpfen.
Dass Antibiotikaresistenzen «ernst zu nehmen» seien, sagt auch der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri zu watson. «Sie machen bislang gut behandelbare Infektionen wieder zu gefährlichen Krankheiten», erläutert er.
«Es ist», so Hauri weiter, «nicht von der Hand zu weisen, dass Antibiotika immer noch grosszügig und zum Teil auch falsch eingesetzt oder genutzt werden.»
Patienten etwa mit Tuberkulose oder bestimmten Lungenentzündungen würden Resistenzen entwickeln, so Hauri. Das gilt laut des Kantonsarztes auch für Infektionen der Blase und Harnwege sowie Infektionen über Hautverletzungen.
Die Schweiz – wie die WHO übrigens auch – ist sich des Problems bewusst. Denn: «Der Bundesrat erachtet die Antibiotikaresistenzproblematik als eine ernsthafte und dringende Bedrohung der öffentlichen Gesundheit», wie es beim BAG heisst.
Seit 2016 wird mittels einer Strategie gegen Antibiotikaresistenzen vorgegangen – und zwar «zeitgleich bei Mensch, Tier, Landwirtschaft und Umwelt».
Es gibt erste Erfolge, so das BAG: «In den letzten 10 Jahren konnten wir beim Menschen den Einsatz der besonders kritischen Antibiotika um fast 40 Prozent senken».
Und in der Tiermedizin reduzierte die Schweiz die verkauften Antibiotika im gleichen Zeitraum sogar um rund die Hälfte, so das BAG, «was in etwa 27 Tonnen Antibiotika entspricht».
Sich bewusst sein: «Antibiotika wirken nur gegen Bakterien, nicht aber gegen Viren», wie Zingg vom Unispital Zürich klarstellt. «Wenn es uns gelingen würde, bei viralen Infektionen auf Antibiotika zu verzichten, hätten wir schon viel erreicht.»
«Auch in der Schweiz werden Antibiotika zu häufig eingesetzt», sagt auch Jent vom Inselspital Bern.
Im Klartext: Du leidest an durch Viren verursachter Bronchitis, Schnupfen oder Halsentzündung? «Gegen diese zeigen die Antibiotika keinerlei Wirkung – sie schaden nur.»
Und warum verteilen die Ärzte trotzdem Rezepte, obwohl sie genau wissen, dass es nichts bringt? Dann müssen sie dem Heiri halt sagen, dass es wirklich keinen Sinn macht.
Los Heiri, du chunsch keis Rezept über.