Wissen
Leben

Antibiotikaresistenz: Die neue Pandemie? 7 wissenswerte Punkte

antibiotika
Je häufiger Antibiotika eingesetzt werden, desto eher werden Bakterien dagegen resistent. Davor warnen Bund wie Ärzte.Bild: shutterstock

«Dringende Bedrohung der öffentlichen Gesundheit» – wenn Antibiotika nicht mehr wirken

08.08.2023, 09:23
Mehr «Wissen»

Stell dir vor, du bist krank und musst Antibiotika nehmen. Und plötzlich wirken diese nicht mehr. Klingt wie ein Horrorszenario? Ist es auch. Doch die Gefahr ist real, warnen Bund wie Ärzte.

Was ist das Problem?

Antibiotika gehören zu den wertvollsten Medikamenten, welche wir kennen. Verliefen Blutinfektionen oder Lungenentzündungen noch in den 1930er-Jahren oft tödlich, können sie heute gut behandelt werden.

Doch: Je häufiger Antibiotika eingesetzt werden, desto eher werden Bakterien dagegen resistent. Das kann schwerwiegende Folgen für Mensch und Tier haben.

Betrifft das auch mich?

Das Bundesamt für Gesundheit BAG schätzt, dass in der Schweiz «jährlich etwa 300 Menschen an resistenten Infektionen sterben». Das schreibt es auf Anfrage von watson.

Antibiotikaresistenzen haben in den letzten Jahren und Jahrzehnten kontinuierlich zugenommen. «Diese Entwicklung geschah unter dem Radar der öffentlichen Wahrnehmung», heisst es beim Universitätsspital Zürich auf Anfrage von watson.

«Auch in der Schweiz nehmen die Antibiotikaresistenzen zu.»

Im Vergleich zu anderen Ländern stehe die Schweiz aktuell noch gut da, «aber auch hier nehmen die Antibiotikaresistenzen zu», sagt der dortige Leiter der Spitalhygiene an der Klinik für Infektionskrankheiten und Spitalhygiene, Walter Zingg.

«Vor allem bei Erregern von Infektionen, die im Spital erworben werden, und bei Patienten mit beeinträchtigtem Immunsystem nimmt die Resistenz gegenüber üblicherweise eingesetzten Antibiotika kontinuierlich zu.»

Ähnlich klingt es beim Inselspital Bern: «Auch in der Schweiz ist es in den letzten Jahren zu einer Zunahme an antibiotikaresistenten Keimen gekommen, wenn auch auf einem tieferen Niveau als in anderen europäischen Ländern», sagt der dortige Leiter der Spitalhygiene, Philipp Jent.

Hast du Probleme mit Antibiotikaresistenz erlebt?
Konnte bei dir eine Infektion aufgrund von Antibiotikaresistenz nicht behandelt werden und willst du darüber erzählen? Oder kennst du jemanden? Dann schreibe uns doch ein Mail an newsplus@watson.ch.

Schlimmer als Corona und Klimawandel?

Ein britischer Arzt startet jetzt einen drastischen Appell: Antibiotikaresistenzen könnten zur nächsten globalen Gesundheitsbedrohung werden, sagt er in der Times. Der Mann warnt vor nicht behandelbaren Superbakterien. Das sei eine «stille Pandemie» und beängstigender als Corona, zitiert ihn auch der Blick.

Der Brite fordert in der Zeitung zudem, man müsse Antibiotikaresistenzen so ernst nehmen wie den Klimawandel – und dagegen ankämpfen.

Was ist da dran?

Dass Antibiotikaresistenzen «ernst zu nehmen» seien, sagt auch der oberste Kantonsarzt Rudolf Hauri zu watson. «Sie machen bislang gut behandelbare Infektionen wieder zu gefährlichen Krankheiten», erläutert er.

«Es ist», so Hauri weiter, «nicht von der Hand zu weisen, dass Antibiotika immer noch grosszügig und zum Teil auch falsch eingesetzt oder genutzt werden.»

Patienten etwa mit Tuberkulose oder bestimmten Lungenentzündungen würden Resistenzen entwickeln, so Hauri. Das gilt laut des Kantonsarztes auch für Infektionen der Blase und Harnwege sowie Infektionen über Hautverletzungen.

Und was unternimmt die Politik?

Die Schweiz – wie die WHO übrigens auch – ist sich des Problems bewusst. Denn: «Der Bundesrat erachtet die Antibiotikaresistenzproblematik als eine ernsthafte und dringende Bedrohung der öffentlichen Gesundheit», wie es beim BAG heisst.

Seit 2016 wird mittels einer Strategie gegen Antibiotikaresistenzen vorgegangen – und zwar «zeitgleich bei Mensch, Tier, Landwirtschaft und Umwelt».

Gibt es auch Positives?

Es gibt erste Erfolge, so das BAG: «In den letzten 10 Jahren konnten wir beim Menschen den Einsatz der besonders kritischen Antibiotika um fast 40 Prozent senken».

«In der Tiermedizin reduzierte die Schweiz die verkauften Antibiotika um etwa 27 Tonnen.»

Und in der Tiermedizin reduzierte die Schweiz die verkauften Antibiotika im gleichen Zeitraum sogar um rund die Hälfte, so das BAG, «was in etwa 27 Tonnen Antibiotika entspricht».

Abschliessend: Was kann ich tun?

Sich bewusst sein: «Antibiotika wirken nur gegen Bakterien, nicht aber gegen Viren», wie Zingg vom Unispital Zürich klarstellt. «Wenn es uns gelingen würde, bei viralen Infektionen auf Antibiotika zu verzichten, hätten wir schon viel erreicht.»

«Wenn es uns gelingen würde, bei viralen Infektionen auf Antibiotika zu verzichten, hätten wir schon viel erreicht.»

«Auch in der Schweiz werden Antibiotika zu häufig eingesetzt», sagt auch Jent vom Inselspital Bern.

Im Klartext: Du leidest an durch Viren verursachter Bronchitis, Schnupfen oder Halsentzündung? «Gegen diese zeigen die Antibiotika keinerlei Wirkung – sie schaden nur.»

DANKE FÜR DIE ♥
Würdest du gerne watson und unseren Journalismus unterstützen? Mehr erfahren
(Du wirst umgeleitet, um die Zahlung abzuschliessen.)
5 CHF
15 CHF
25 CHF
Anderer
Oder unterstütze uns per Banküberweisung.
Das könnte dich auch noch interessieren:
Hast du technische Probleme?
Wir sind nur eine E-Mail entfernt. Schreib uns dein Problem einfach auf support@watson.ch und wir melden uns schnellstmöglich bei dir.
160 Kommentare
Weil wir die Kommentar-Debatten weiterhin persönlich moderieren möchten, sehen wir uns gezwungen, die Kommentarfunktion 24 Stunden nach Publikation einer Story zu schliessen. Vielen Dank für dein Verständnis!
Die beliebtesten Kommentare
avatar
PlusUltra
08.08.2023 06:11registriert Juni 2019
Was ich tun kann? Soll ich meinem Arzt etwa den Unterschied zwischen Bakterien und Viren erklären und ihn darauf hinweisen, dass Antibiotika nur gegen eines davon wirkt?!
16615
Melden
Zum Kommentar
avatar
N. Y. P.
08.08.2023 06:38registriert August 2018
Im Klartext: Du leidest an durch Viren verursachter Bronchitis, Schnupfen oder Halsentzündung? «Gegen diese zeigen die Antibiotika keinerlei Wirkung – sie schaden nur.

Und warum verteilen die Ärzte trotzdem Rezepte, obwohl sie genau wissen, dass es nichts bringt? Dann müssen sie dem Heiri halt sagen, dass es wirklich keinen Sinn macht.

Los Heiri, du chunsch keis Rezept über.
927
Melden
Zum Kommentar
avatar
Bär51
08.08.2023 07:26registriert Juni 2019
Eines der Probleme ist, dass Antibiotika oft von Patienten zu früh abgesetzt werden. Damit überleben die Bakterien, die eine gewisse Resistenz haben, und sie vermehren sich. So werden schrittweise immer resistentere Bakterienstämme gezüchtet, die dann weiterverbreitet werden.
320
Melden
Zum Kommentar
160
Warum das Oktoberfest Oktoberfest heisst, obwohl es im September stattfindet
«O'zapft is!» – bis zum 6. Oktober findet das 189. Oktoberfest statt. Seit 1810 wird es jährlich auf der Theresienwiese in München veranstaltet. Ein historischer Rückblick auf das grösste Volksfest der Welt.

Der Ursprung des grössten Volksfests der Welt geht auf ein Pferderennen zurück, das am 17. Oktober 1810 zu Ehren der Hochzeit des bayerischen Kronprinzen Ludwig von Bayern und Prinzessin Therese von Sachsen-Hildburghausen veranstaltet wurde. Die Ehe wurde kurz zuvor, am 12. Oktober, geschlossen. Das Fest diente nicht nur der Ehrung des Brautpaares, sondern auch dazu, sich nach der schwierigen Gründung des Königreichs als junge Nation zu feiern und zu präsentieren.

Zur Story