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Schweiz: So lief der Tag des Selenskyj-Besuchs in Bern

Pläne einer grossen Friedenskonferenz: So lief der Tag des Selenskyj-Besuchs in Bern

Gleich drei ranghohe Politiker traf Bundespräsidentin Viola Amherd am Montag. Das Treffen mit dem ukrainischen Präsidenten Wolodimir Selenskyj endete mit einer Überraschung: Die Schweiz will auf Bitte Selenskyjs eine grosse Friedenskonferenz organisieren.
15.01.2024, 21:0916.01.2024, 13:24
Christoph Bernet / ch media
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Noch am Samstag genoss Verteidigungs- und Sportministerin Viola Amherd (Mitte) im Zielraum der Lauberhornabfahrt von Wengen beim gemeinsamen Posieren mit Skistar Marco Odermatt für Fotos die leichteren Seiten ihres Amtes.

Swiss Federal President Viola Amherd, right, and Volodymyr Zelenskyy, President of Ukraine, hold a media conference after bilateral talks, on Monday, January 15, 2024 in Kehrsatz near Bern, Switzerlan ...
Viola Amherd (vorne) und Wolodimir Selenskyj beim Auftritt vor Medien auf dem Landgut Lohn in Kehrsatz BE (15. Januar).Bild: keystone

Am Montag, gut zwei Wochen nach der Amtsübernahme als Bundespräsidentin, ist die Walliserin mit der damit einhergehenden Gravität in ihr neues Amt katapultiert worden. Amherd erlebte in der Bundesstadt Bern und am späten Abend dann am Weltwirtschaftsforum (WEF) in Davos einen Tag, den «20 Minuten» als «diplomatischen Supermontag» betitelte.

Die prominenten Besucher gaben sich praktisch die Klinke in die Hand. Amherd empfing nacheinander einen Regierungschef, ein Staatsoberhaupt und die EU-Kommissionspräsidentin.

Am Vormittag stand ein Treffen mit dem chinesischen Ministerpräsidenten Li Qiang auf dem Programm. Die Begegnung fand auf dem bundesrätlichen Landgut Lohn in der Gemeinde Kehrsatz bei Bern statt, einem schmucken Patrizieranwesen.

Swiss President Viola Amherd, centre right, and Chinese Prime Minister Li Qiang listen to the national anthems during their meeting in Kehrsatz, near Bern, Switzerland, Monday, Jan. 15, 2024. Chinese  ...
Li Qiang an der Seite von Viola Amherd.Bild: keystone

In den historischen Gemäuern fand am späteren Nachmittag auch das Treffen zwischen der ukrainischen Delegation unter Führung von Präsident Selenskyj und der Schweizer Delegation statt, der neben Bundespräsidentin Amherd unter anderem Aussenminister Ignazio Cassis (FDP) und Justizminister Beat Jans (SP) angehörte.

Während sich der Bund nach dem Treffen zwischen Amherd und Qiang auf ein Communiqué beschränkte, trat Amherd am frühen Abend an der Seite ihres zweiten Gastes auf dem Landgut Lohn vor die Medien. Um 17.43 Uhr eröffneten Amherd und Selenskyj mit jeweils einem kurzen, in Deutsch und Ukrainisch gehaltenen Statement die rund 20-minütige Medienkonferenz.

Bereits nach wenigen Momenten von Amherds Eröffnungsvotum wurde klar: Der «diplomatische Supermontag» hat mehr als nur Händeschütteln und freundliche Floskeln hervorgebracht.

Zunächst bezeichnete sie den Besuch Selenskyjs «als Ehre und Gelegenheit, die Solidarität der Schweiz mit der Ukraine und dem ukrainischen Volk zu bekräftigen». Diese Solidarität habe die Schweiz auf lange Sicht zugesagt.

Swiss Federal President Viola Amherd, right, and Volodymyr Zelenskyy, President of Ukraine, hold a media conference after bilateral talks, on Monday, January 15, 2024 in Kehrsatz near Bern, Switzerlan ...
Selenskyj und Amherd vor den Medien.Bild: keystone

Dann kam die «grosse Neuigkeit», die Selenskyjs Stabschef Andriy Yermak, der an den vertraulichen Gesprächen im Landgut Lohn zugegen war, gut 25 Minuten vor Beginn der Medienkonferenz in einem Beitrag auf dem Kurznachrichtendienst X vielsagend angekündigt hatte.

«Die Schweiz ist bereit, einen hochrangigen Friedensgipfel zu organisieren», kündigte Bundespräsidentin Amherd an, die damit einem von Selenskyj vorgebrachten Wunsch nachgekommen ist. Bereits ab Dienstag wollen Teams des Aussendepartements EDA und der ukrainischen Seite am Rande des WEF mit den Vorbereitungsarbeiten beginnen.

Der Teufel liegt in den Details

Der in der Schweiz geplante Gipfel ist als Fortsetzung der Gespräche im Rahmen der aus zehn Punkten bestehenden «ukrainischen Friedensformel» von Präsident Selenskyj zu sehen. Diese umfasst unter anderem Forderungen nach einem vollständigen Rückzug der russischen Truppen und Garantien für einen andauernden Frieden

Am Sonntag hat zum vierten und letzten Mal ein Treffen im Rahmen der Friedensformel auf Ebene der nationalen Sicherheitsberater in Davos stattgefunden. Vertreter von 83 Staaten nahmen daran teil. Russland blieb wie schon zuvor fern, ebenso China.

Die von Amherd angekündigte Friedenskonferenz soll nun aber auf politischer Ebene stattfinden. Wo und wann sie genau stattfinden wird, steht noch nicht fest. Während aus dem Schweizer Lager zunächst von einem Treffen auf Ebene Aussenminister ausgegangen wurde, schrieb Selenskyjs Stabschef kurze Zeit später auf X von einem Treffen auf Stufe Staatschefs.

Der Teufel dürfte in den Details liegen. Selenskyj bedankte sich zunächst bei der Schweiz für die politische Unterstützung, die sie ab dem ersten Tag für die Ukraine gezeigt habe. «Ich möchte der Schweiz dafür danken, dass sie nicht indifferent ist, was in der Ukraine geschieht.» Neutralität bedeute für die Schweiz nicht, die Realität zu ignorieren.

Es sei deshalb richtig, dass sich die Schweiz für humanitäre Hilfe, für die Entminung, den Wiederaufbau oder die strafrechtliche Verfolgung von russischen Kriegsverbrechen einsetze. Selenskyj bedankte sich dafür, «dass die Schweiz zusammen mit der Ukraine bereits morgen mit der Vorbereitung eines globalen Friedensgipfels beginnt».

Bei der kurzen Fragerunde im Anschluss an die Statements schimmerten weitere Differenzen bezüglich der geplanten Friedenskonferenz hervor. Selenskyj betonte, als Teilnehmende seien alle Staaten eingeladen, welche die Unabhängigkeit und territoriale Integrität der Ukraine respektierten. Amherd stellte in den Vordergrund, dass man eine breit abgestützte Konferenz wolle, die es seriös vorzubereiten gelte: «Wir wollen, dass dieser Friedensprozess erfolgreich ist.»

Volodymyr Zelenskyy, left, President of Ukraine, attends a meeting with Swiss Federal President Viola Amherd, in Kehrsatz near Bern, Switzerland, Monday, Jan. 15, 2024. Zelenskyy will attend the World ...
Kehrt Selenskyj bald für eine Friedenskonferenz in die Schweiz zurück? Bild: keystone

Ausweichend zeigte sich Selenskyj auch in seiner Antwort auf die Frage, welche Erwartungen die Ukraine bezüglich der finanziellen Unterstützung durch die Schweiz habe. Bundespräsidentin Amherd hatte zuvor die bereits beschlossenen 1.5 Milliarden Franken für die Jahre 2025-2028 hervorgehoben.

Doch eigentlich will der Bundesrat ein deutlich grösseres Hilfspaket schnüren, das den europaweiten Ländervergleich nicht scheuen muss. Woher das Geld kommen soll und wie viel es am Ende sein wird, darüber hat sich die Landesregierung bisher noch nicht einigen können. In Zeiten drohender Defizite dürfte dieses Paket auch im Parlament noch viel zu reden geben.

SVP blieb Treffen mit Selenskyj fern

Dort war Selenskyj am früheren Nachmittag zunächst von Nationalratspräsident Eric Nussbaumer (SP/BL) und Ständeratspräsidentin Eva Herzog (SP/BS) empfangen worden. Im Anschluss folgte ein Gespräch mit den Fraktions- und Parteispitzen. Als einzige Partei blieb die SVP dem Treffen aus «terminlichen Gründen» fern. Im Juni 2023 war die SVP-Fraktion bereits - mit zwei Ausnahmen - einer per Video in den Nationalratssaal übertragenen Rede von Selenskyj ferngeblieben.

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Eva Herzog schüttelt Selenskyj die Hand.Bild: keystone

Aus Selenskyjs Sicht war der wohlwollende Empfang durch Parlament und Bundesrat sicherlich ein Erfolg. Bundespräsidentin Viola Amherd konnte am 15. Tag ihres Präsidialjahrs nicht nur den chinesischen Premier empfangen. Sie erntete auch kurz vor dem zweiten Jahrestag der russischen Invasion die Früchte der Bemühungen der Schweizer Diplomatie um ein gutes Verhältnis zur Ukraine.

Kurz nach Ende der Medienkonferenz flog Amherd vom nahen Flughafen Bern-Belp in Richtung Davos. Dort stand noch ein Treffen mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen auf dem Programm. Und damit eine weitere aussenpolitische Grossbaustelle, auf der sich die Bundespräsidentin am «diplomatischen Supermontag» ans Werk machte. (aargauerzeitung.ch)

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27 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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[CH-Bürger]
16.01.2024 02:34registriert August 2018
"kurz vor dem dritten Jahrestag der russischen Invasion"

Wäre der dritte Jahrestag nicht erst nach 3 vollständigen Jahren...? das wäre nach meiner Zeitrechnung aber im Februar 2025, oder nicht?

und abgesehen davon, haben wir eigentlich schon bald den ZEHNTEN Jahrestag der RUS Invasion.
jener auf die Krim - für die, die das schon vergessen haben!
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P.Rediger
15.01.2024 23:11registriert März 2018
Die SVP, Putin Versteher und offensichtliche Demokratiefeinde, oder weshalb trötzeln die so gegen einen demokratisch gewählten Präsidenten und finden einen Diktator so toll?
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