Zwischen den 15. und 17. März finden in Russland Wahlen statt. Dass Wladimir Putin als Präsident erneut als Sieger daraus hervorgehen wird, steht bereits fest. Dafür werden seine Untergebenen und die Geheimdienste sorgen.
Doch selbst in einer sauberen Wahl hätte der russische Präsident ein überzeugendes Argument für seine Wiederwahl. Trotz seines Angriffskriegs gegen die Ukraine boomt die Wirtschaft. Weshalb?
In der Ökonomie kennt man den Begriff «Kriegs-Keynesianismus». Darunter versteht man das scheinbar paradoxe Phänomen, dass die Wirtschaft eines kriegführenden Landes nicht etwa einbricht, sondern aufblüht. Die Erklärung liegt darin, dass die Waffenindustrie boomt.
Gleichzeitig fehlen die zum Wehrdienst eingezogenen Soldaten. Der ausgetrocknete Arbeitsmarkt lässt die Löhne explodieren. Das stärkt die Nachfrage, der Konsum wird angekurbelt und setzt so eine Wohlstandsspirale in Gang.
Als typisches Beispiel eines erfolgreichen «Kriegs-Keynesianismus» gilt die amerikanische Wirtschaft im Zweiten Weltkrieg. Nur dank der massiven Ankurbelung der Waffenindustrie, und weil hunderttausende Männer in die Armee berufen wurden, ist es letztlich gelungen, die Depression der Dreissigerjahre zu überwinden.
Mit harten Sanktionen wollte der Westen Putin in die Knie zwingen. Stattdessen erleben wir das Gegenteil, eine russische Version des «Kriegs-Keynesianismus». Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist 2023 voraussichtlich rund 3,5 Prozentpunkte gewachsen. Die Unternehmen suchen verzweifelt Angestellte, die Konsumenten stürmen die Shoppingcenter.
Das russische Wirtschaftswunder hat vielerorts zu einem Umdenken geführt. Bisher galt: Putin hat sich mit seinem Angriffskrieg verzockt und wird sein Land in ärmere Zeiten führen. Neu gilt: Putin ist ein Gewinner des Jahres 2023, wie es etwa das «Wall Street Journal» in die Welt posaunt hat. Die «New York Times» verstieg sich zur These, der Exodus von rund 1000 ausländischen Unternehmen sei für Russland ein blendendes Geschäft gewesen. Schliesslich habe der Staat deren Assets zu einem Schleuderpreis erwerben können.
In «Foreign Affairs» macht die ehemalige Mitarbeiterin der russischen Zentralbank, Alexandra Prokopenko, ein grosses Fragezeichen hinter die Wirtschaftswunder-These. Den aktuellen Boom der russischen Wirtschaft bestreitet sie zwar nicht. Sie sieht darin jedoch ein «Sugarhigh», welches tiefliegende Probleme nur kurzfristig zu übertünchen vermag.
Prokopenko spricht von einem Trilemma, vor dem Putin steht: «Er muss den laufenden Krieg gegen die Ukraine finanzieren, den Wohlstand der Bevölkerung sichern und gleichzeitig die makroökonomische Stabilität aufrechterhalten», so Prokopenko. Diese drei Dinge gleichzeitig in den Griff zu bekommen, sei jedoch unmöglich.
Russland gibt für die Kriegsindustrie mehr Geld aus als für Soziales. Inzwischen sind es rund 6 Prozent des BIP. Zum Vergleich: Die Militärausgaben der USA während des Irakkriegs lagen bei 3,8 Prozent des BIP. Auch für den Aufbau der vier widerrechtlich annektierten Provinzen in der Ukraine wendet Putin sehr viel Geld auf, insgesamt bereits rund 14 Milliarden Dollar. 2024 sollen nochmals 5 Milliarden Dollar dazukommen.
Das forcierte Aufrüsten hat einen fundamentalen Wandel der Wirtschaft zur Folge. Die Kriegswirtschaft absorbiert nicht nur Geld, sondern auch Arbeitskräfte. Armee und Polizei beschäftigen rund 850’000 Frauen und Männer mehr als 2022.
Weil sie keine Lust haben, in der Ukraine in den Fleischwolf geworfen zu werden, sind allein im vergangenen Jahr rund 500’000 Männer ins Ausland geflohen, viele von ihnen gefragte Facharbeiter. Der neue russische Mittelstand setzt sich daher zunehmend nicht mehr aus Berufsleuten der Zukunft zusammen, sondern aus Offizieren und Polizisten.
Die verbleibenden Männer und Frauen können sich zwar steigender Löhne erfreuen. Auch und vor allem Soldaten werden überdurchschnittlich gut bezahlt. Schön für die Betroffenen, ökonomisch gesehen ist diese Entwicklung jedoch fragwürdig: «Das Zusammenspiel von Militärausgaben, Knappheit von Arbeitskräften und steigenden Löhnen hat eine Illusion von Wohlstand geschaffen, die kaum aufrechtzuerhalten sein wird», stellt Prokopenko fest.
Erste Anzeichen einer Überhitzung der russischen Wirtschaft lassen sich bereits feststellen. Obwohl die Zentralbank die Leitzinsen auf mittlerweile 16 Prozent angehoben hat, steigt die Inflation bedrohlich an. Eigentlich müssten Massnahmen dagegen getroffen werden, doch das zu tun, getraut sich Putin nicht. Denn «hohe Löhne wieder zu kappen ist extrem schwierig», so Prokopenko. «Gerade, wenn es die Armee und die Sicherheitskräfte betrifft, ist es für Putin keine Option.»
Jeffrey Sonnenfeld ist Ökonomieprofessor an der Yale University und Experte für die Entwicklung der russischen Wirtschaft. Er teilt, ja verschärft gar die Analyse von Prokopenko. Als Begründung zählt er im Magazin «Foreign Policy» folgende Faktoren auf:
Aus all diesen Gründen findet es Sonnenfeld absurd, Putin als Gewinner des abgelaufenen Jahres darzustellen. Und zur These der «New York Times» betreffend der angeblichen Schnäppchen, welche der Auszug der westlichen Unternehmen dem russischen Staat beschert habe, hält Sonnenfeld fest, dass genau das Gegenteil der Fall sei. Wegen dieser Flucht seien die Vermögenswerte in Russland durchs Band abgesackt und hätten teilweise bis zu 75 Prozent eingebüsst.
Die Markenrechte wurde übrigens einfach geklaut.
Wie die NYT dieses als Erfolg verkaufen möchte, ist mir ein Rätsel. RU ist verbrannte Erde für alle West-Firmen.
Die Wirtschaft mag zwar auf Hochtouren laufen, aber das ist weder effizient noch nachhaltig.