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Interview

«Jugendliche in der Covid-Krise fast immer vergessen»

Das spuckt Shutterstock aus, wenn man nach «trauriger Teenager» sucht.
Das spuckt Shutterstock aus, wenn man nach «trauriger Teenager» sucht.Bild: Shutterstock
Interview

«Jugendliche wurden seit Ausbruch der Covid-Krise fast immer vergessen»

Jugendorganisationen schlagen Alarm und fordern von der Politik dringlich eine Post-Covid-Strategie. SAJV-Politikchefin Nadine Aebischer erklärt sich im Interview.
29.04.2021, 19:0030.04.2021, 19:35
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Der Jugenddachverband schlägt wegen der Pandemie Alarm. Warum?
Nadine Aebischer:
Die Jugendlichen wurden seit dem Ausbruch der Krise fast immer vergessen. Wir wollen nicht die einzelnen Massnahmen kritisieren – aber es ist Tatsache, dass unter den Einschränkungen Kinder und Jugendliche am stärksten leiden. Die Schulschliessungen, das Homeschooling und die Einschränkungen sowohl im öffentlichen Raum als auch in der Freizeit haben den Alltag der Jugendlichen auf den Kopf gestellt. Die Politik muss deshalb einen besonderen Fokus auf diese Generation werfen, sonst drohen gesellschaftliche Spannungen.

Wir haben Ihren Forderungskatalog durchgelesen. Sie wollen, dass der Bund die Bedürfnisse der jungen Menschen mehr berücksichtigt.
Genau. Die Behörden sollen so durch aktives Zuhören verstehen, was die Anliegen und Bedürfnisse der jungen Generation sind. Die Kommunikation zwischen unserer Organisation und dem Bund verlief meistens aufgrund unserer Initiative. Wir haben zahlreiche Briefe an die Bundesämter geschickt – teilweise auch mit Erfolg, etwa bei den jüngsten Lockerungen, die Jugendliche betrafen.

Der Bundesrat oder die zuständigen Bundesämter haben nie proaktiv Jugendorganisationen angehört?
Sehr selten. Unsere Rolle ist es, die Jugendverbände und Jugendlichen zu vertreten. Wir wurden aber nicht regelmässig und systematisch angehört. Die Kommunikation ging meistens von uns oder unseren Partner- und Mitgliederorganisationen aus.

Was ist SAJV?
SAJV steht für Schweizerische Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände. Die Organisation wurde in den 1930er Jahren gegründet und gilt heute als Dachverband der Schweizer Jugendorganisationen.

Was schliessen Sie daraus?
Es wirkt schon so, als gebe es eine Ungleichheit, was die Interessensvertretung betrifft. Andere Interessen, etwa jene von Wirtschaftsorganisationen, wurden vom Bundesrat stärker angehört. Wir fordern: Die Bedürfnisse von Kindern und Jugendlichen müssen in die Entscheide des Bundesrates besser einfliessen. Die Covid-19-Taskforce sollte zudem einen Schwerpunkt auf Kinder, die Jugend und Familie sowie auf erziehungspsychologische Fragen setzen. Zudem müssen wir unbedingt Gefässe schaffen, mit denen Partizipationsmöglichkeiten und Mitspracherechte von Kindern und Jugendlichen sichergestellt werden.

Seit Mitte März können Jugendliche wieder ihren Hobbys nachgehen und sich in grösseren Gruppen treffen. Reicht das noch nicht?
Diese Lockerungen für Kinder und Jugendliche bis 20 Jahre kamen erst, nachdem Jugendorganisationen beim Bund intervenierten. Wir betrachten diese Altersgrenze von 20 aber aus entwicklungspsychologischer Sicht als nicht angebracht. Sinnvoller wäre es, auch jungen Erwachsenen bis 25 mehr Freiheiten zu geben.

Jetzt fordern Sie – verkürzt gesagt – «mehr Jugend» in der Politik für die Zeit nach der Krise.
Wir haben einen ganzen Katalog an Forderungen aufgestellt, der aufzeigt, in welchen politischen Bereichen die Jugend berücksichtigt werden muss. «Mehr Jugend» ist deshalb zu kurz zusammengefasst. Es geht auch um grundsätzliche Fragen der Solidarität einer Gesellschaft.

Zum Beispiel?
Die Jugend nahm und nimmt sich mehrmals zurück, als es um den Schutz der Risikogruppen ging. Sie hielten sich weitgehend an die Massnahmen, verzichteten auf Klassenlager, Freizeitaktivitäten und Zusammenkünfte, sie halfen durch freiwilligen Aktionen aber auch als Zivis und im Militär, Erkrankte zu pflegen und das Gesundheitssystem aufrechtzuerhalten. Aktuell stecken sie zurück, damit ältere Personen zuerst geimpft werden können. Jetzt wäre es doch Zeit, diesen Solidaritätsgedanken auch einmal beidseitig zu leben. Etwa, in dem man ungeimpfte junge Menschen nicht benachteiligt, Massnahmen gegen die psychischen Folgen der Pandemie und Hilfestellungen bei Lehrstellensuche, Praktika oder Stipendien schafft.

Wieso genau dort?
Weil es einer der Bereich ist, der Sorgen bei Jugendlichen und jungen Erwachsenen auslösen kann. Der Übertritt ins Berufsleben war schon immer ein kritischer Abschnitt in der Biografie eines Menschen. Die Politik muss deshalb Massnahmen ergreifen, damit Jugendliche nicht noch zusätzlich zur Covid-Pandemie, auch noch in eine Krise wegen fehlender Lehrstelle, Praktikum oder fehlendem Geld fürs Studium stürzen.

Geht es nach dem Bundesrat, soll aber bald wieder Normalität herrschen – solange das Coronavirus unter Kontrolle bleibt.
Die Probleme und Spannungen der vergangenen Politik werden aber dadurch nicht verschwinden. Die neuen Freiheiten, die bald kommen sollten, werden wohl ans Covid-19-Zertifikat gekoppelt sein. Falls Privilegien für Geimpfte wirklich ein Thema werden sollten, dürfen Kinder und Jugendliche nicht benachteiligt werden – sonst hätten wir wieder einen weiteren Bereich, wo die Jugend benachteiligt wird und den Solidaritätsgedanken einseitig leben muss.

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104 Kommentare
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Die beliebtesten Kommentare
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29.04.2021 19:09registriert März 2019
"...aber es ist Tatsache, dass unter den Einschränkungen Kinder und Jugendliche am stärksten leiden."

Nicht das Spitalpersonal? Nicht die Rentner, die im Altersheim eingeschlossen wurden? Nicht die Restaurant-Besitzer? Nicht die neu Arbeitslosen?

Können wir nicht mal aufhören, Ranglisten zu machen, wer am stärksten betroffen ist? Wir haben ALLE über ein Jahr unseres "normalen" Lebens verloren. Ob wir 15, 45 oder 75 sind.

Aber nein, jeder muss unbedingt selbst der Ärmste sein ...
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TanookiStormtrooper
29.04.2021 19:49registriert August 2015
Ach dieses Gejammer geht mir auf den Keks. Wir alle sind betroffen und keiner findet es toll. Der Eine kommt besser mit der Lage klar, der Andere weniger. Hat mMn nicht nur mit dem Alter, sondern sehr viel mehr mit den Lebensverhältnissen zu tun. Wir waren hier im Vergleich zu anderen Ländern Europas immer sehr frei und es gibt Jugendliche auf diesem Planeten, die sich unsere jetzigen Verhältnisse auch im normalen Leben wünschen würden. Dieses ganze Selbstmitleid finde ich etwas armselig, rumheulen macht die Lage auch nicht besser. 🤷‍♂️
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Hans Guckindieluft
29.04.2021 19:33registriert März 2021
Ich habe da ein wenig Mühe damit. Muss das sein, dass man mit solchen Aussagen versucht, die Generationen gegeneinander ausspielt. Verzichtet und eingeschränkt haben sich alle auf die eine oder andere Weise oder Bereich. Sicherlich wird die Resilienz bei den Jüngeren noch nicht so ausgeprägt sein, kann aber auch bei älteren Generationen der Fall sein. Wäre ein Miteinander nicht zielführender als die ständige Aufrechnung und klagen drüber, wer nur am meisten gelitten hat? Alle sind gleich wichtig, alle haben gelitten!
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