Was haben Christinnen und Christen, Prominente, Partnerinnen und Partner, Tourismusverantwortliche, Outdoor- und Landmenschen gemein? Sie gründeten alle ein Komitee für ein Ja zum Klimaschutzgesetz. 38 Komitees sind es, die der Verein Klimaschutz für die Abstimmung vom 18. Juni aus dem Boden gestampft hat. Das dürfte Rekord sein.
Seit kurzem ist der Verein Klimaschutz mit seinen Plakaten und Bannern mit blauorangen Bergen präsent. Er setzt Massstäbe für eine zivilgesellschaftliche Abstimmungskampagne. Über 200 Organisationen gehören dazu, darunter Wirtschafts- und Tourismusverbände sowie Umweltorganisationen. 148 Organisationen bringt allein die Klima-Allianz mit, darunter so potente wie der Gewerkschaftsbund (SGB), WWF und Greenpeace.
Der Trägerverein selbst besitzt 50'000 Adressen – und kann über die Organisationen mehr als eine Million Menschen erreichen. Für die «intensivsten vier Monate der Kampagne» hat er sein Personalbudget von 10 auf 17 Personen aufgestockt, wie Sophie Fürst sagt, Geschäftsleiterin des Vereins und Co-Kampagnenleiterin.
Der Verein verfügt über volle Geldspeicher. «Für die Kampagne stehen uns wahrscheinlich rund vier Millionen Franken zur Verfügung», sagt Fürst. «Damit müssen wir aber auch die Personalkosten decken.» Ein Drittel der Einnahmen stammt aus Spenden, ein Drittel aus Stiftungen, und ein Drittel trugen Organisationen und Verbände zusammen.
Damit ist die Kampagne vergleichbar mit Kampagnen mittlerer Grösse von Economiesuisse. Diese bewegen sich zwischen drei und vier Millionen Franken. Für die Zivilgesellschaft sind das ungewöhnlich hohe Summen.
Aller Power zum Trotz steht der Verein Klimaschutz in einem harten Duell mit einer bissigen SVP um die Deutungshoheit beim Klimaschutzgesetz. Gefühlt lag diese in den letzten zwei Wochen klar bei der SVP. Das hat mit einem anonymen Flyer in alle Haushalte zu tun und mit dem Austritt von FDP-Ständerat Ruedi Noser aus dem Hauseigentümerverband (HEV).
Der anonyme Flyer, der vor dem Klimaschutzgesetz warnt, sorgte in den Medien als «Fake News» für Schlagzeilen. Diese waren zwar negativ – spielten aber trotzdem der SVP in die Hände. Ähnlich lag der Fall beim HEV. Dieser sei «von der SVP übernommen» worden, kritisierte Noser. Der HEV engagiert sich mit Plakaten der Agentur Goal von Alexander Segert für ein Nein. Goal ist seit Jahren die Hausagentur der SVP.
Die Nervosität im Pro-Lager wächst. Zwar lag der Ja-Anteil Mitte Mai bei der SRG-Umfrage noch bei 72 Prozent. Doch in der Tamedia-Umfrage sank er in dieser Woche von 58 Prozent (Anfang Mai) auf 55 Prozent.
«Wir sind auf Kurs», sagt Sophie Fürst. «Aber es beunruhigt uns, dass die Gegner in der neusten Tamedia-Umfrage zulegen. Entscheidend ist jetzt, dass alle Befürworterinnen und Befürworter abstimmen gehen.»
Eines beunruhigt die Befürworter besonders: «Wir müssen davon ausgehen, dass die Gegner mindestens doppelt so viel Geld in ihre Kampagne investieren», sagt Fürst. «Dort, wo wir ein Plakat aufstellen, montiert die SVP zwei.» Das deckt sich mit der Wahrnehmung der CH Media Redaktion: Es sind deutlich mehr SVP-Plakate zu sehen als Pro-Plakate. Sie sind zudem aggressiver mit ihrem knalligen gelb und der wuchtigen roten Faust als die Pro-Plakate mit den sanften blauorangen Bergen.
Nur: Stehen der SVP tatsächlich doppelt so viele Millionen zur Verfügung wie den Befürwortern – also acht? Klar scheint: Die SVP hat potente Unterstützer wie den HEV. Dieser lässt sich seine Nein-Kampagne 700'000 Franken kosten. Dazu dürften der anonyme Flyer-Versand und der Versand einer SVP-Zeitung in alle Haushalte gegen zwei Millionen Franken gekostet haben. Die SVP-Kampagne läppert sich.
Kampagnenleiter Michael Graber winkt ab. «Genaue Zahlen kann ich Ihnen von uns keine nennen», sagt er. «Aber mit Sicherheit ist unser Budget bedeutend kleiner als jenes der Befürworter. Dafür haben wir aber die besseren Argumente auf unserer Seite.»
Das wiederum lässt SP-Fraktionschef Roger Nordmann nicht auf sich sitzen. Er lobt die Kampagne des Vereins Klimaschutz als «ehrliche und vertrauenserweckende Dachkampagne für das politische Mittelfeld». Und fügt hinzu: «Was für ein Unterschied zur reisserischen Kampagne der SVP, die klare Lügen beinhaltet.» Ein Faktencheck (rechts) analysiert die SVP-Argumente in der Abstimmungszeitung.
Bei den Befürwortern sind es weder Economiesuisse noch die Parteien, die den Lead haben in der Hauptkampagne. Sondern der Verein Klimaschutz Schweiz – obwohl es um eine Behördenvorlage geht. Er war im Sommer 2018 als Trägerverein für die Gletscherinitiative gegründet worden. Das Parlament arbeitete einen indirekten Gegenvorschlag aus.
Die Parteien sind erstaunlich glücklich darüber, im Seitenwagen mitfahren zu dürfen. Sie brauchen ihre Ressourcen für das Wahljahr – selbst Grüne, Grünliberale und SP, für die das Klima wichtiges Wahlkampfthema ist.
«Für uns ist es richtig, dass der Verein die Hauptkampagne durchführt», betont Rahel Estermann, Generalsekretärin der Grünen. «Nicht nur für die Sache, auch für das Wahljahr ist es essenziell, dass wir das Gesetz durchbringen. Eine Ablehnung wäre die Stunde null im Schweizer Klimaschutz. Das darf im Jahr 2023 nicht passieren.»
Von einer «Win-win-Situation» spricht Julie Cantalou, Co-Generalsekretärin der GLP. Die Parteien seien trotzdem stark involviert in die Koordinationssitzungen.
Zufrieden sind auch Mitte und FDP. Eigens für sie hat der Verein Klimaschutz neben Berta Kommunikation (Hauptagentur) und digital/organizing (digitale Mobilisierung) eine bürgerliche Agentur beigezogen: Kommunikationsplan.
Es wäre für die FDP aus zwei Gründen «nicht vorteilhaft» gewesen, den Lead im Ja-Komitee zu übernehmen, sagt FDP-Nationalrat Matthias Jauslin: Es gebe in der FDP-Basis zahlreiche Gegner des Gesetzes – und die FDP könne keine finanziellen Mittel zur Verfügung stellen.
Auch Mitte-Präsident Gerhard Pfister sagt, die Kampagne laufe gut. «Das Komitee verbindet und koordiniert zwischen den Parteien, die Parteien sprechen mit je eigenen Kampagnen noch ihre Basis spezifisch an.»
Ein ziviler Akteur wie der Verein Klimaschutz könne zu spezifischen Themen andere Kreise mobilisieren als die Parteien, betont Politologin Martina Mousson vom Forschungsinstitut GFS Bern. Deshalb sei das auch «eine Chance für die Behörden».
Die Geschichte wird zeigen, wie gross diese Chance ist. Wer gewinnt? Das knallige Gelb der SVP oder das sanfte Blauorange des Vereins Klimaschutz. Noch immer heisst es: Vorteil Blauorange. (aargauerzeitung.ch)
«Genaue Zahlen kann ich Ihnen von uns keine nennen. Aber mit Sicherheit ist unser Budget bedeutend kleiner als jenes der Befürworter“
1.
Ein Kampagnenleiter sollte eigentlich wissen wie hoch sein Budget ist!
2.
Nur schon der Versand des lächerlichen Flyers von Werkplatz Schweiz und der verlogenen SVP-Zeitung in fast alle Haushalte der Schweiz kostete wahrscheinlich fast so viel wie das Gesamt-Budget der Beführworter beträgt.
3.
Wenn man bei den Inhalten schon ständig lügt, fällt es auch leichter beim Kampagnenbudget zu lügen!
«Aber mit Sicherheit ist unser Budget bedeutend kleiner als jenes der Befürworter. Dafür haben wir aber die besseren Argumente auf unserer Seite.»
... Sagenhaft.
Was die SVP leider nach wie deutlich auf ihrer Seite hat: Das Können in Kampagnen. Alle anderen haben immer noch viel zu wenig gelernt.